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Kölns Generalvikar im Interview„Investiere lieber in Menschen als in Steine“

Lesezeit 7 Minuten
Guido Assmann

Generalvikar Guido Assmann 

Am Freitag ist Guido Assmann seit 100 Tagen als Kölner Generalvikar im Amt. Im Gespräch mit Raimund Neuß zieht er eine erste Bilanz.

Herr Generalvikar, Sie waren erst kurz im Amt, da erfuhren Sie schon, dass Mitglieder des Diözesanpastoralrats nicht mit dem Kardinal und Ihnen reden wollten. Haben Sie damit gerechnet, so im Sturm zu stehen?

Als der Erzbischof mich gebeten hat, sein Generalvikar zu werden, standen wir als Kirche von Köln ja schon in einer stürmischen Zeit. Ich bin im Erzbistum groß geworden, war immer hier tätig und konnte ja ahnen, dass es nicht leicht würde. Trotzdem habe ich nicht Nein gesagt.

Zur Person

Guido Assmann, Jahrgang 1964, stammt aus Radevormwald. Er wurde 1990 zum Priester geweiht und war nach Kaplansjahren in Eitorf und Köln Pfarrer in Dormagen, dann seit 2007 Oberpfarrer und Kreisdechant in Neuss.

Im Mai 2020 wählte ihn das Kölner Domkapitel zum Dompropst – zuvor war er nichtresidierender Domkapitular. Am 1. Juli 2022 löste er Markus Hofmann als Generalvikar ab, behielt das Amt des Dompropstes aber vorerst bei.

Sie kommen nicht aus der Verwaltung, sondern haben die Entwicklung als Seelsorger erlebt. Sind die Risse noch zu heilen?

Wichtig ist das Sprechen und Zuhören auf beiden Seiten. Auch das Äußern von Kritik. Aber es gehört auch Wohlwollen dazu. Wenn wir gemeinsam als Kirche unterwegs sind – und das gelingt ja an vielen Stellen –, dann würde ich gern den Blick darauf werfen, was jeden Tag von Tausenden Christinnen und Christen getan wird und Früchte trägt. Auch hier im Erzbistum.

Ein großes Reformthema für Sie ist das Zusammen-Wachsen der Gemeinden in der Fläche. Wie steht es da?

Es sind Vorschläge für Zuschnitte erarbeitet worden, die darauf Rücksicht nehmen, wo Leute Nachbarn sind, zusammen einkaufen, als Kinder gemeinsam in die Schule gehen. Das haben wir mit der Bitte um einen kritischen Blick in die Gemeinden gegeben. Ich bin froh, dass es nur an wenigen Stellen knirscht. Für Fälle, in denen ein Zuschnitt nicht passt, gibt es ein gutes Verfahren. Wichtig ist, dass keineswegs etwas, das funktioniert, dadurch kaputt gemacht wird. Im Gegenteil sollen Menschen befähigt werden, noch mehr Verantwortung für ihren Lebensraum zu übernehmen. Da gibt es viele gute Beispiele. Soziale Nachbarschaftshilfe. Ältere Messdiener, die sich um die jüngeren kümmern. Strukturen sind eine Hilfe, damit Glaube erfahrbar wird.

Finanzdirektor Gordon Sobbeck hat darauf hingewiesen, wie dramatisch die Finanzkraft der Kirchen abnehmen wird. Ist das im Reformkonzept schon berücksichtigt? Oder kommt das noch dazu?

Auch das muss berücksichtigt werden. Wir müssen immer fragen: Wie können wir den Glauben gut leben und dafür gute Grundlagen treffen. Sind die Einrichtungen, die wir haben, dafür richtig? Darüber müssen wir dann entscheiden.

Das können harte Entscheidungen sein, oder?

Es gibt keine Liste, welche Gebäude wir nicht mehr brauchen. Aber wir müssen hinschauen, wo Bestehendes nicht mehr seine frühere Bedeutung hat – oder wo es neue Projekte gibt, mit denen wir mehr Menschen erreichen können. Ich investiere lieber in Menschen als in Steine.

Aber neue Projekte wie der Bildungscampus Kalk oder die Kölner Hochschule für Katholische Theologie brauchen ein Stück vom kleiner werdenden Kuchen. Wie ist der Konflikt zu lösen?

Indem wir alles auf den Prüfstand stellen. Wie können wir dafür sorgen, dass in einer säkularen Gesellschaft der Glaube gelebt wird? Wie können wir jungen Menschen gute Bildung vermitteln, und das auf einem guten Wertefundament? Vom Campus Kalk hat die ganze Gesellschaft etwas.

Der Campus ist weniger umstritten als die Hochschule. Passt diese Aufwendung in die Zeit, wo der Staat doch in Bonn eine Fakultät bereitstellt?

Natürlich kann man das fragen. Man muss aber auch sehen, dass die Nachfrage nach einem Studium an der Kölner Hochschule groß ist. Wir haben etwas zu vermitteln. Und wir können das auch intellektuell begründen. Dazu leisten wir als Kirche von Köln unseren Beitrag.

Nächste Baustelle: der Umbau Ihrer Behörde. Wie steht es?

Der Erzbischof hat ja einen neuen Generalvikar berufen, weil er das Generalvikariat neu strukturieren möchte. Dazu wird ein Amtsleiter berufen. Wir haben Vorstellungsgespräche mit hochkarätigen Persönlichkeiten geführt und hoffen, die Stelle Anfang Januar besetzen zu können. Das Generalvikariat soll eine helfende, dienende Einrichtung sein.

Wird der Amtsleiter sozusagen der Generalvikar des Generalvikars?

Nein. Ich bin als Generalvikar ja der Vertreter des Erzbischofs auch in vielen anderen Dingen. Wir werden eine dreiköpfige Führung haben: Finanzdirektor, Amtsleiter, Generalvikar. An mich wird man sich vor allem in Fragen der Seelsorge wenden, an den Finanzdirektor in Geldangelegenheiten, an den Amtsleiter in allgemeinen Verwaltungsdingen. Natürlich gibt es da Schnittstellen. Der Generalvikar hat künftig weniger Vollmachten, viele meiner bisherigen Kompetenzen hat dann der Amtsleiter. Das begrüße ich sehr.

Was muss sich denn in der ganzen Behörde ändern? Kardinal Woelki sprach von weiterer Professionalisierung.

Ich würde sagen: Weiterentwicklung. Das müssen wir mit der Amtsleitung gemeinsam besprechen. Wenn wir schon wüssten, was sich wo ändern muss, brauchten wir ja keinen Amtsleiter. Wir brauchen ihn ja, weil ein Theologe nicht unbedingt ein guter Verwaltungschef ist.

Kardinal Woelki nannte den Umgang mit einem Fall sexualisierter Gewalt, den Fall Pilz, als Beispiel für Reformbedarf. Was muss sich hier tun?

Köln hat als erstes deutsches Bistum eine Interventionsstelle gegründet. Köln hat Intervention, Prävention und Aufarbeitung konsequent getrennt. Die Abteilungen sind unabhängig, sind sehr professionell aufgestellt und arbeiten gut. Natürlich gibt es Lerneffekte. Man würde heute Dinge anders machen als früher. Und unsere Fachabteilungen sind immer besser geworden. Auch im Vergleich mit anderen Bistümern und Institutionen. Was nicht heißt, dass man nicht noch besser werden kann.

Sie haben vor Amtsantritt gesagt, dass Sie prüfen müssen, ob die Ämter von Generalvikar und Dompropst vereinbar sind. Wie sieht es aus?

Ich merke gerade, dass das Amt des Generalvikars mit so vielen Aufgaben verbunden ist, dass die Kraft da gebraucht wird, sich in die Dinge einzuarbeiten, hineinzudenken, Entscheidungen gut vorzubereiten. Ich bin fest davon überzeugt, dass es gut ist, diese beiden Ämter in Zukunft auf zwei Personen aufzuteilen, wie es ja auch vorgesehen ist. Aber ich sehe nicht die Notwendigkeit, das innerhalb der nächsten zwei, drei Monate unbedingt zu machen. Das muss ich in Ruhe mit dem Domkapitel besprechen.

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Nehmen Sie das jetzt in Angriff?

Das ist einfach meine Einschätzung. Vom Grundsatz her sind es zwei Ämter, und darüber müssen wir sprechen.

Was haben Sie sich persönlich für Ihr Amt vorgenommen?

Ich habe in meinem Leben lebendige Gemeinden erlebt, und diese Erfahrung möchte ich gern in meine Arbeit einbringen. Die Menschen ermutigen, dass sie Verantwortung übernehmen und nicht erst fragen, ob sie das dürfen. Im Glauben an Jesus Christus haben wir den Grundgedanken, dass jeder Mensch geliebt ist. Ohne diese Idee der Menschenwürde wäre unsere Gesellschaft viel ärmer.

Kann wirklich jeder in die Kirche kommen, zum Beispiel auch, wer in einer homosexuellen Partnerschaft lebt?

Jeder sollte kommen können. Keiner darf sich ausgeschlossen fühlen. Unser Glaube ist immer Glaube in Gemeinschaft. Auch wenn wir in vielen Fragen um gute Antworten ringen.

Sie haben viel aus Ihrer Perspektive als Seelsorger erzählt. Was bedeutet der Wechsel an die Spitze des Generalvikariats für Sie?

Deshalb ist mir ja der Dienst am Dom so wichtig. Jeden Tag sind Hunderte, ja Tausende im Dom. Nicht alle kommen mit mir in Berührung, aber ich bin ja als Priester erkennbar, und man kommt immer mit Menschen ins Gespräch. Und wenn sie einfach staunen, über die Höhe des Baus, den goldenen Schrein. Ich feiere jeden Tag die Messe im Dom, höre Beichte. Es ist ein großes Geschenk, erfahren zu dürfen, wie die Menschen uns als Priester vertrauen. Das gibt mir Kraft, auch für die viele Zeit, die ich hinter dem Schreibtisch verbringen muss.

Jetzt warten wir alle auf eine Entscheidung des Papstes über die Zukunft von Rainer Maria Kardinal Woelki. Oder warten wir gar nicht mehr, ist eigentlich klar, dass er bleibt?

Dazu kann ich nichts sagen, der Papst bespricht das ja nicht mit mir. Kardinal Woelki ist unser Erzbischof. Mehr gibt es von meiner Seite dazu wirklich nicht zu sagen

Was bedeutet diese Situation für Sie und Ihre Arbeit?

Ich will mich davon nicht lähmen lassen. Wir haben einen wunderbaren Glauben. Unter 1,8 Millionen Katholiken im Erzbistum sind viele hoch engagiert. Viele Dinge könnten besser sein, aber ich bin gerne Priester und möchte gerne etwas von der Freude weitergeben, die ich erlebt habe. Das sage ich auch jungen Leuten, die überlegen, ob sie Priester werden wollen. Sie sollten prüfen, was Gott will, vielleicht ist es dieser Weg oder vielleicht auch ein anderer. Das Leben gelingt am besten, wenn man sich darauf einlässt.