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Drohungen mit Handelskriegen und GewaltWie ernst ist Donald Trump zu nehmen, Herr Jäger?

Lesezeit 6 Minuten
07.01.2025, USA, Palm Beach: Der designierte US-Präsident Donald Trump spricht während einer Pressekonferenz in Mar-a-Lago. Foto: Evan Vucci/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Er will die USA territorial vergrößern: Donald Trump bei seinem denkwürdigen Auftritt in Palm Beach.

Im Interview mit der Kölnischen Rundschau klärt der Kölner Politologe Prof. Thomas Jäger auf, warum Donald Trump so brachial agiert.

Kanada, Grönland, Panama: Donald Trump will fremdes Land für die USA sichern und baut eine Drohkulisse auf. Warum agiert er so brachial – und was bedeutet das für die Nato? Fragen an den Kölner Politologen Prof. Thomas Jäger:

Herr Jäger, US-Präsident Donald Trump erhebt territoriale Ansprüche auf Grönland, gegenüber Kanada und Panama, er will sie mit den Mitteln von Handelskriegen durchsetzen und schließt auch militärische Gewalt nicht aus. Wie ernst meint er das?

Er meint das alles ganz ernst.

Auch den Einsatz militärischer Gewalt gegen Freunde und Verbündete?

Ja, als Verhandlungsposition. Ich halte es nicht für wahrscheinlich, dass es wirklich dazu kommt. Aber er schließt es eben nicht aus. Das passt zum Image des Präsidenten, der er sein will: Mir ist alles zuzutrauen, das will er zeigen. Anders als in seiner ersten Amtszeit geht er dabei strategisch vor. Wochenlang haben wir darüber diskutiert, ob er den Austritt aus der Nato verkündet. Jetzt will er die Nato aber massiv stärken und spricht von Verteidigungsausgaben in Höhe von fünf Prozent der Wirtschaftsleistung. Wobei er auch diese Zahl nicht ernst meint. Fünf Prozent, das ist einfach aus der Luft gegriffen.

Man muss einfach verstehen, welche Sozialisation Trump erfahren hat. Er ist Immobilienunternehmer. Wenn er ein Grundstück verkaufen wollte, ging er auch mit einem komplett illusorischen Preis rein. Und dann erzielte er ein Ergebnis. So will er es auch jetzt machen. Fünf Prozent, militärische Gewalt, das sind Verhandlungspositionen. Aber mit der Stärkung der Nato und einer territorialen Erweiterung der USA ist es ihm sehr ernst.

Kann man es ernsthaft als Stärkung der Nato sehen, wenn man Verbündete bedroht? Was ist ein Bündnis noch wert, in dem ein Mitglied andere attackiert?

Nun, die Frage ist doch, welche Handlungsoptionen hat Dänemark? Trumps Leute meinen: nicht viele. Die Grönländer wollen ohnehin gern von Dänemark weg und unabhängig werden. Dänemark kann das Gebiet allein nicht schützen, die Bodenschätze nicht ausbeuten, den Wasserweg nicht sichern. Die Entrüstung über Trump ist zwar sehr gerechtfertigt, aber Dänemark hat wenig Handlungsoptionen.

Aber nochmals, was bedeutet so ein Verhalten der USA für die Nato?

Die Nato hält das aus. Sie hat ja auch den Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei ausgehalten. Sie hält das so lange aus, wie die Mehrheit der Nato-Staaten die amerikanische Führung anerkennt.

Die Weltmächte lassen sich nicht in eine regelbasierte Ordnung, wie man das in Europa nennt, einbinden.
Thomas Jäger

Wie wird diese Führung unter Trump aussehen? Er hat ja ausdrücklich Verständnis dafür gezeigt, dass der russische Präsident Wladimir Putin, wie er sagt, vor seiner Haustür in der Ukraine eben das macht, was er tut. Das läuft doch eher darauf hinaus, dass ein paar Atommächte mit ihren Nachbarn machen, was sie wollen.

Das hat aber nichts mit Trump zu tun. Die Weltmächte lassen sich nicht in eine regelbasierte Ordnung, wie man das in Europa nennt, einbinden. Auch die USA nicht, sie bleiben bei zentralen Abkommen wie dem über den Internationalen Strafgerichtshof und das Landminenverbot draußen und nutzen internationale Institutionen wie IWF und Weltbank, um ihre Interessen durchzusetzen. So handeln derart große Staaten eben. Die Frage ist nur, machen sie das auf kooperative Weise? Erstreben sie Hegemonie, indem sie ihre Verbündeten einbinden? Also eine anerkannte Führung, wo die anderen Staaten sagen: Ok, das ist unsere Führungsmacht? Oder versuchen sie es per Druck? Und Trump denkt nur in Druck.

War das früher anders?

O ja. Wir verstehen das in Deutschland oft nicht und denken, Führung heißt, dass einer bestimmt und die anderen folgen. Aber jeder, der sich mit Arbeitsprozessen auskennt, weiß: Das klappt nur kurze Zeit. Auf Dauer braucht man die Anerkennung der Mitarbeiter, wenn es gut gehen soll. Sie müssen akzeptieren, dass ein anderer mehr zu sagen hat. Zwischen Staaten ist das nicht anders. Das haben auch die USA anerkannt, bis zunächst George W. Bush und dann Trump in seiner ersten Amtszeit diese Akzeptanz aufgelöst haben. Joe Biden hat versucht, sie wieder herzustellen, und jetzt dreht Trump es wieder um. Er denkt: Alle müssen mir folgen, weil ich eben ich bin.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat monatelang um Trump geworben und anerkannt, wie bedeutend und großartig der künftige Präsident doch sei. Wenn ich jetzt an die Aussage über Putins Haustür denke: Lässt Trump die Ukraine fallen?

Das ist noch nicht entschieden. Trump wirft einfach ganz viele Bälle in die Luft. Und alle schauen, welcher davon wird gefangen? Er testet Lösungsvorschläge aus. Da ist mal von Sicherheitsgarantien für die Ukraine die Rede, dann von Entgegenkommen gegenüber Russland. Das ist alles nicht spruchreif. Es ergibt auch kein kohärentes Bild, und zwar aus gutem Grund: Die künftige US-Administration weiß nicht, wie Russland reagieren wird. Derzeit schätzen Trumps Leute die Moskauer Kompromissbereitschaft wohl höher ein, als ich es tun würde.

Da hilft jetzt alles nichts: Wenn man nicht eigenständig agieren kann, muss man sich anpassen.
Thomas Jäger

In ein paar Tagen wird Trump vereidigt, in sieben Wochen ist Bundestagswahl. Wie sollte eine künftige Bundesregierung mit Trump umgehen?

Wir haben es zwei Jahrzehnte lang versäumt, uns in die Lage zu versetzen, eine eigenständige Rolle zu spielen. Da hilft jetzt alles nichts: Wenn man nicht eigenständig agieren kann, muss man sich anpassen. Das ist die einzige Möglichkeit, die jetzt besteht. Parallel müssen wir Fähigkeiten aufbauen, um eigenständig agieren zu können. Die Frage ist nur, ob das in einer EU gelingt, in der ja die Zahl der Mitgliedsstaaten wächst, die die EU am liebsten knacken würden. Und ohne die EU kann Deutschland in der Liga, um die es geht, gar nicht mitspielen.

Wäre alternativ eine europäische Koalition der Willigen mit Nord- und Nordosteuropäern möglich, vielleicht auch den Briten?

Das halte ich nicht für realistisch. Die militärisch starken Staaten Nordosteuropas werden eher weit engere bilaterale Beziehungen zu den USA pflegen. Sie verlassen sich nicht auf Deutschland und Frankreich. Die Chance, zu zeigen, dass wir etwas für die Sicherheit der anderen tun, die haben wir über Jahre hinweg verspielt. Jetzt sind wir sehr stolz auf die deutsche Brigade in Litauen, das geht auch in die richtige Richtung. Aber es kommt viel zu spät.

Wie stabil ist Donald Trumps Bündnis mit Elon Musk?

Momentan laufen die Interessen parallel. Trump bewegt sich weg von der reinen Lehre des „Make America Great again“ aus dem Wahlkampf, und Musk versucht als Vertreter einer ganzen Generation von Oligarchen, seinen Einfluss geltend zu machen. Viele Beobachter erwarten, dass hier zwei Egos kollidieren werden. Das sehe ich so nicht, weil Musk dafür zu geschickt ist. Bei Geld und Reichweite ist er überlegen, das spielt er aus, lässt Trump in seiner Rolle als designierter Präsident aber den Vortritt. Knallen wird es allerdings dann, wenn Trump mit dem, was er sich vorgenommen hat, keinen Erfolg hat. Er legt die Latte ja unendlich hoch. Aber die Frage ist doch, was passiert, wenn sich zum Beispiel Kanada seinem wirtschaftlichen Druck nicht beugt und sich auch von seinen Versprechungen nicht bewegen lässt. Trump geht also ein hohes persönliches Risiko ein, wenn er so Politik macht. Normalerweise würde man so ein Projekt ja hinter verschlossenen Türen vorbereiten. So, wie es Trump in seiner ersten Amtszeit auch mit Grönland versucht hat. Das hat damals nicht zum Erfolg geführt, und vielleicht mein Trump deshalb jetzt, er habe Erfolg, wenn er öffentlichen Druck ausübt.

Prof. Thomas Jäger, Politologe, Köln

Prof. Thomas Jäger lehrt Internationale Politik an der Universität zu Köln.