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Kirchenrechtler über neue Schmerzensgeldklage„Klare Verantwortung bei Kardinal Höffner und leitenden Klerikern"

Lesezeit 3 Minuten
Thomas Schüller steht vor dem Münsteraner Dom.

Prof. Thomas Schüller lehrt Kirchenrecht an der Universität Münster

Neue Klage gegen das Erzbistum Köln: Die Missbrauchsbetroffene Melanie F. verlangt 850.000 Euro Schmerzensgeld und Therapiekosten. Was könnten die Folgen sein? Fragen an den Kirchenrechtler Thomas Schüller.

Das Erzbistum hält sich ja bedeckt in der Frage, ob man auch bei der neuen Klage auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Aber ist das aus Ihrer Sicht überhaupt noch vorstellbar, dass ein Bistum oder eine Landeskirche dieses Instrument noch nutzt?

In der Rechtskommission des Verbandes der Diözesen Deutschlands wurden auf die Anfrage des Kölner Kardinals, wie er mit dem Instrument der Verjährung umgehen möge, verschiedene Sichtweisen in den deutschen Diözesen deutlich. Es ist demnach politisch nicht ausgemacht, dass alle Diözesen auf die Einrede auf Verjährung verzichten werden. Hinzu kommt, das vermögensrechtlich zu beachten ist, dass ohne Rechtsgrund keine Vermögen Schaden leiden darf. Es gibt daher Juristen: innen in den bischöflichen Verwaltungen, die auf die Gefahr der Untreue hinweisen.

Was bedeutet das eigentlich wirtschaftlich? Allein bei der Bonner Kanzlei Luetjohann liegen rund 100 Fälle solcher Schmerzensgeldansprüche gegenüber Bistümern und Landeskirchen an. Wie können die Kirchen dem nachkommen? Könnte das sogar zu Insolvenzen führen?

Zunächst sind die Kläger: innen in der Beweispflicht, d.h. nicht in allen Fällen wird es wie im Fall Menne und wahrscheinlich auch im Fall Ue. so einfach zu beweisen sein, dass die Verantwortlichen in den Bistümern trotz Wissen um die Taten nichts unternommen haben, um den Tätern Einhalt zu gebieten. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass immer mehr Klagen erfolgreich sein werden und die Bistümer/Landeskirchen hohe Summen werden aufbringen müssen, um die gerichtlich festlegten Betröge aufzubringen. Je nach Finanzsituation der Bistümer/Landeskirchen kann dies aus kumulierten Vermögen und deren Erträgen bzw. Rücklagen beglichen werden, sofern der Zweck des Vermögens eine solche Verwendung zulässt. Sind diese Ressourcen aufgebraucht, bleibt - wie es der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf schon angekündigt hat - nur noch die Möglichkeit, aus laufenden Kirchensteuereinnahmen, die bis 2030 noch einigermaßen sprudeln werden, die Summen zu stemmen. Wir müssen zwischen faktischer und rechtlicher Insolvenz unterscheiden. Bei der faktischen Insolvenz, der Zahlungsunfähigkeit, weisen Betroffene wie kirchenkritische Fachleute darauf hin, dass es ja jährliche Kirchensteuereinnahmen gebe, aus denen dann die Zahlungen zu leisten wären. Allerdings wäre zivilrechtlich zu prüfen, inwiefern dies zulässig wäre, denn die Bistümer/Landeskirchen sind ja zum Beispiel durch ihre vielen Beschäftigungsverhältnisse ebenfalls vertragliche Bindungen eingegangen. Die Antwort auf diese auch rechtlich komplexen Fragen hängt sehr stark von der jeweils politischen Positionierung der Gefragten ab.

Wäre die sich andeutende Neufestlegung der Anerkennungsleistungen ein gangbarer Weg, um eine sonst zu erwartende gewaltige Zahl von Prozessen zu umgehen?

Die ersten Rückmeldungen aus der Unabhängigen Kommission in Bonn deuten darauf hin, dass man die beginnende Rechtsprechung in diesem Feld sorgfältig beobachten wird, und entsprechende Anpassungen in der Höhe der freiwilligen Leistungen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht prüfen und eventuell umsetzen wird. Dies wäre für viele Fälle sicher ein guter Weg. Allerdings ist das Verfahren dieser Kommission aus rechtlicher Perspektive völlig unbefriedigend, da intransparent und im Blick auf die Möglichkeit der Beschwerde gegen eine Bescheid inakzeptabel, weil die Betroffenen nicht die Gründe für die Entscheidungen dieser Kommission erfahren. Dies ist ein zum Himmel schreiender Skandal, der allerdings den Bischöfen und nicht der Kommission anzulasten ist.

Wie ist das Verhalten von Kardinal Höffner im Fall Ue. kirchenrechtlich zu bewerten? Trifft das Erzbistum hier nicht in der Tat eine noch größere Verantwortung als bei Menne?

Ich sehe eine klare Verantwortung bei Kardinal Höffner und seinen leitenden Klerikern. Inwiefern sie bewiesen werden kann, wird der Prozess zeigen. Da vertraue ich auf die unabhängige deutsche Justiz, die hier Klarheit ins Dunkel bringen wird.