Die Grünen haben Robert Habeck zu ihrem Kanzlerkandidaten nominiert. 96,5 Prozent der Delegierten stimmten für den entsprechenden Antrag.
„Im Sturm das Ruder rumreißen“Robert Habeck zum Kanzlerkandidat der Grünen gewählt
Die Grünen ziehen mit Robert Habeck als Kanzlerkandidat in die vorgezogenen Bundestagswahl. Der Bundeswirtschaftsminister wurde am Sonntag auf einem Parteitag in Wiesbaden gekürt, für den entsprechenden Antrag stimmten 96,5 Prozent der Delegierten. „Robert Habeck hat das Zeug zu einem guten Bundeskanzler“, heißt es darin.
Das Wort „Kanzlerkandidat“ kommt in dem Antrag nicht vor, stattdessen wird Habeck als „Kandidat für die Menschen in Deutschland“ bezeichnet. Zugleich soll er in der Zeit bis zur vorgezogenen Bundestagswahl Ende Februar ein „Spitzenduo“ mit Außenministerin Annalena Baerbock bilden.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte die Grünen zuvor auf dem Grünen-Parteitag gebeten, sie im Wahlkampf anführen zu dürfen. Er werbe um das Vertrauen, diese Partei und die Verantwortung weiter tragen zu dürfen, sagte er beim Parteitag in Wiesbaden. „Und wenn es uns ganz weit trägt, dann auch ins Kanzleramt“, fügt er hinzu. Ausdrücklich dankte er Außenministerin Annalena Baerbock, mit der er sich einst den Parteivorsitz geteilt hatte. An ihre Adresse sagt er: „Es ist ein großes Privileg, dich vor mir, neben mir und hinter mir zu wissen.“
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Zuvor würdigte Baerbock Habeck als „superpragmatisch“. Als Wirtschaftsminister habe er in Krisenzeiten Kurs gehalten und Deutschland aus der Abhängigkeit vom Energielieferanten Russland befreit. „Ich will genau das: dich als Kanzler“, sagt Baerbock an Habeck gewandt. „Keiner kann im Sturm das Ruder so rumreißen wie Robert Habeck und zugleich bei Rückenwind die Segel richtig setzen.“ Für den Wahlkampf sagt sie ihm ihre Unterstützung zu.
Grüne: Robert Habeck will kein Besserwisser sein
Er wolle kein Besserwisser sein, der anderen sage, was sie zu denken hätten, sagt Habeck. Er warnt vor einer Neuauflage der sogenannten großen Koalition. „Sie ist der Grund für die Liebesaffäre mit dem Status quo, sie ist der Grund für den Stillstand“, sagt er. Die Koalition von Union und SPD habe Deutschland einst in eine Energie-Abhängigkeit von Russland geführt und lange nicht gesehen oder nicht sehen wollen, was sich in den Jahren vor dem Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine im Februar 2022 angebahnt habe. Eine Gasmangellage zu verhindern, sei für die 2021 gebildete Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP nicht einfach gewesen.
Debatten über Migration würden oft falsch geführt, beklagt Habeck. Der russische Präsident Wladimir Putin löse Fluchtbewegungen aus, ob in Syrien oder in der Ukraine. „Flüchtlinge werden als Teil von Destabilisierung, als Angriff auf die Freiheit bewusst geschaffen.“ Debatten dürften nicht auf Kosten der Menschen geführt werden, die ins Land kämen. Zugleich müsse klar sein, dass Schwerverbrecher oder Antisemiten das Land wieder verlassen müssten.
Zu den Problemen, die er mit den Grünen in den Mittelpunkt stellen wolle, gehörten die niedrige Erwerbsquote von Müttern und die immer noch zu restriktiven Regeln für ein Bleiberecht arbeitswilliger abgelehnter Asylbewerber. Der Bund müsse künftig mehr Möglichkeiten bekommen, um die Länder in der Bildungspolitik finanziell zu unterstützen. Die von den Grünen schon länger geforderte Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse sollte nach Ansicht von Habeck bereits vor der für den 23. Februar geplanten Neuwahl des Bundestages in die Wege geleitet werden.
Robert Habeck: Ich wollte jetzt nicht kneifen
Er verspricht günstige Strompreise und kündigt für den Fall einer erneuten Regierungsbeteiligung der Grünen die Aufnahme von Krediten für dringende Infrastrukturprojekte an. Er sagt: „Ich bin kein großer Fan davon, Schulden zu machen - ich will nur, dass der Job gemacht wird.“ Die mehr als 800 Delegierten quittieren seine rund einstündige Rede mit donnerndem Applaus, vor allem als er über eine stärkere Besteuerung von „Superreichen“ und die Schließung von Steuerschlupflöchern spricht.
Für ihn sei die Kandidatur an der Spitze kein Selbstläufer gewesen, sagt Habeck. Am Ende habe er sich dann aber nach Gesprächen mit Parteifreunden in diesem Sommer entschieden, „jetzt nicht zu kneifen“.(dpa)