AboAbonnieren

KommentarWelche Konsequenzen das Attentat von Solingen haben muss

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
25.08.2024, Baden-Württemberg, Karlsruhe: Der mutmassliche Täter des Messerangriffs von Solingen wird zu einem Hubschrauber gebracht. Zuvor war der Verdächtige dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof (BGH) vorgeführt worden, der Haftbefehl erlassen hat. Foto: Uli Deck/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Der mutmassliche Täter des Messerangriffs von Solingen wird zu einem Hubschrauber gebracht.

Der Anschlag traf uns alle und muss Folgen haben. Aber jetzt kommen Forderungen von Politikern auf den Tisch, die am eigentlichen Problem vorbeizielen.

Es ist ein Albtraum. Und die Angst davor begleitet seit Jahren jede Großveranstaltung, jeden Festumzug, jeden Weihnachtsmarkt: Ein Attentäter könnte die Menschenansammlung stürmen und wahllos töten. Für diese Angst gibt es Gründe, konkrete Erkenntnisse über islamistische Gefährder, auch hier in NRW, und über massive Anwerbeaktionen von Terror-Gruppen im Netz. Es lagen Hinweise ausländischer Geheimdienste vor, durch die immer wieder schon sehr weit getriebene Mord-Pläne gestoppt werden konnten. Die Gefahr war sehr nah und wurde schockierende Realität. Der Attentäter von Solingen hat drei Menschen getötet, viele schwer verletzt – getroffen hat er uns alle.

Der Gedanke ist kaum auszuhalten. Aber vor Anschlägen wie der Bluttat auf einem gut besuchten Stadtfest wird ein vollständiger Schutz niemals möglich sein. Weder Messerverbot, noch verschärfte Grenzkontrollen oder erhöhte Polizeipräsenz werden einen extrem gewaltbereiten, von blinder Wut oder radikal-religiösem Wahn getriebenen Täter davon abhalten, zu morden. Und dennoch muss dieser grausam brutale Angriff Konsequenzen haben.

Die Gefahr ist allerdings groß, dass in einer Gemengelage aus Angst, Verunsicherung und Ratlosigkeit, Forderungen auf den Tisch kommen, die Resonanz finden, aber nicht unbedingt den Kern treffen.

Alles zum Thema Bundesgerichtshof

Es gibt definitiv keinen Grund, ein Messer mit Zehn-Zentimeter-Klinge in der Tasche zu haben, einfach so.

Zum Beispiel das Messerverbot. Dass diese Diskussion schnell wieder nach vorne rückt, war absehbar. Ein verschärftes Waffenrecht hätte die Tat in Solingen zwar kaum verhindert, zumal Messer auf Großveranstaltungen ohnehin schon untersagt sind. Die Forderung besteht trotzdem völlig zu Recht, da dadurch zumindest im Bereich der Alltagskriminalität der zunehmenden Gewaltbereitschaft Grenzen gesetzt werden. Denn definitiv gibt es keinen Grund, ein Messer mit zehn Zentimeter langer Klinge in der Tasche zu haben, einfach so. Peinlich für die FDP, jetzt erst auf die Verbotspläne der Innenministerin einzuschwenken. War ein Terror-Anschlag notwendig, den Liberalen diese Gefahr aufzuzeigen?

Das breite Spektrum an Reaktionen am Tag danach spiegelt auch wider, dass einzelne Politiker wohl mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen im Osten die rote Linie zum Populismus offenbar verschwommen sehen. Von Björn Höcke hätte man das nicht anders erwartet. Aber was hat etwa CDU-Chef Friedrich Merz veranlasst, einen Aufnahmestopp für Menschen aus Syrien und Afghanistan ins Spiel zu bringen? Das wäre mit dem Grundgesetz überhaupt nicht vereinbar.

Wichtiger als Augenwischerei wäre jetzt, sich mit den Hintergründen der Tat zu beschäftigen.

Wichtiger als diese Art der Augenwischerei wäre jetzt, sich mit den Hintergründen des Attentats und der Situation des mutmaßlichen Mörders zu beschäftigen. Es gibt offenbar zu wenig Eingriffsmöglichkeiten gegen die Aktivitäten islamistischer Gruppen, die auf perfide Weise in scheinbar harmlosen Chats junge Menschen für Terror-Aktionen gewinnen. Und: Die vielen Rufe nach konsequenter Abschiebung sind nicht erst am Wochenende laut geworden, aber jetzt zeigt sich, dass diese Forderungen weiter im Sande verlaufen, wenn es keine Lösung für die Umsetzung des europäischen Asylabkommens gibt.

Der Tatverdächtige von Solingen hätte nach der Ablehnung des Asylantrags längst schon nach Bulgarien zurückfahren müssen, stattdessen tauchte er unter, bis die Ausreise-Frist verstrichen war und eine Abschiebung nach Bulgarien nicht mehr möglich ist. Kein Einzelfall. Wenn sich der Politiker-Fokus mit Lösungsansätzen auf diese Lücke richten würde, wäre für eine verantwortungsvolle Asylpolitik viel getan.