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Interview mit Armin LaschetAnspruch: Nummer eins werden

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Armin Laschet CDU-Vorsitzender und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.

Armin Laschet will ins Kanzleramt – doch die Kandidatur des CDU-Vorsitzenden und NRW-Ministerpräsidenten kommt eher schleppend in Gang. Im Interview mit Norbert Tiemann erklärt Laschet seine Pläne und bezieht Stellung zur AfD.

Herr Laschet, Sie sind seit einigen Jahren Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Sie sind seit einigen Monaten CDU-Bundesvorsitzender und seit einigen Wochen Kanzlerkandidat. Wie viel Schlaf bleibt Ihnen da noch angesichts dieser Ämtervielfalt?

Armin Laschet: Zurzeit ist mehr Präsenz in Berlin erforderlich. Und ich habe auch weiterhin viele Termine im Land. Aber Vieles an Arbeit und Aufgaben ergänzt sich ja. Und viele Themen, allen voran die bestmögliche Bewältigung der Corona-Pandemie, beschäftigen mich ja sowohl als Parteivorsitzender wie als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Ich komme mit wenig Schlaf aus, fünf bis sechs Stunden reichen mir in der Regel.

Herr Laschet, der Machtkampf um die Kanzlerkandidatur liegt ein paar Wochen zurück. Was würden Sie mit etwas Distanz sagen – haben das Ob und das Wie der Union geschadet?

Es war ein intensiver Wettbewerb, den wir als Union geführt haben. Wenn beide Parteivorsitzenden zweier Schwesterparteien für ein solches Amt kandidieren wollen, dann gibt es keine Alternative, als miteinander alles abzuwägen, wessen Erfahrungen, wessen Programm und wessen Politikstil am besten geeignet sind, damit wir als Union den nächsten Kanzler stellen. Es waren acht Tage, gefolgt von einer demokratischen Entscheidung. Und jetzt gehen wir gemeinsam in den Wahlkampf.

Haben Sie schon einmal Vergleichbares erlebt, das war nicht Ihre erste Kampfkandidatur...

Es ist ein Unterschied, ob man auf einem Parteitag mit mehreren Kandidaten antritt: Jeder hält eine Rede, es wird abgestimmt, dann ist es entschieden. Oder eine Kandidaten-Suche zweier Schwesterparteien ansteht, für die es kein festes Verfahren gibt. Bei den vergangenen Bundestagswahlen war jeweils klar, dass Angela Merkel als Amtsinhaberin auch wieder unsere Kandidatin ist. Genauso war in der Ära von Helmut Kohl klar, dass er der Kandidat ist. Die Situation, dass sich die zwei Unionsparteien einigen müssen, kommt nicht so oft vor. Insofern habe ich das in dieser Form noch nicht erlebt.

Frank-Walter Steinmeier hat vor ein paar Tagen seine Wieder-Kandidatur als Bundespräsident damit begründet, dass er helfen will, das Land und seine Menschen aus der Pandemie herauszuführen. Ist das ein zentrales Thema, das auch Sie angetrieben hat, zu sagen, ich will das jetzt?

Wir müssen die Krise nutzen, um aus ihr als gestärktes, geeintes und erneuertes Land herauszukommen. Durch die Pandemie haben wir wirtschaftliche Schäden. Wir haben große Haushaltsaufgaben. Wir haben soziale, kulturelle Schäden, in der Bildung und in vielen anderen Bereichen. Daher brauchen wir die Zwanziger Jahre als Modernisierungsjahrzehnt – dieses selbst zu gestalten, ist für mich der eine große Antrieb.

Der zweite: Es geht auch um die Zukunft der CDU als Volkspartei, und mein Bestreben war immer, die unterschiedlichen Strömungen – Sozialflügel, Wirtschaftsflügel, Junge Union – zusammenzuhalten und ihre Stärken auch in ein Kabinett zu integrieren. Ein dritter Antrieb: Für den Strukturwandel, der in Deutschland ansteht, hin zu einem klimaneutralen Industrieland, will ich aus Nordrhein-Westfalen eine Menge an Erfahrung einbringen. Wir kennen Strukturwandel seit vielen Jahrzehnten. Diesen auch bundesweit erfolgreich und sozialverträglich zu gestalten, ist ein weiterer großer Antrieb meiner Kandidatur.

Zwei Stichworte sind gefallen: Steinmeier. Was sagen Sie zu seiner Ankündigung einer erneuten Kandidatur für das Präsidentenamt?

Ich zolle der Entscheidung des Bundespräsidenten meinen Respekt. Durch seine frühe Ankündigung wird dieses Thema aus dem Bundestagswahlkampf herausgehalten. Die Zusammensetzung der nächsten Bundesversammlung steht allerdings noch nicht fest, da sie ganz wesentlich von der Bundestagswahl abhängt. Deshalb wird die Entscheidung darüber, wen CDU/CSU vorschlagen werden, erst nach der Bundestagswahl fallen.

Sie gelten als Integrator, wollen die Dinge zusammenführen. Die CDU/CSU-nahe Werteunion hat einen neuen Vorsitzenden, der der AfD sehr nahe steht. Sie bezeichnen die Gruppierung als suspekt – reicht das zur Abgrenzung?

Ich halte die Werteunion schlicht für überflüssig. Das habe ich immer gesagt. Und die Werteunion ist kein Teil der Partei: Sie ist weder organisatorisch noch strukturell noch inhaltlich in irgendeiner Form an die CDU gebunden. Das werden wir deutlich machen. Und es ist klar: Wer sich der AfD annähert, kann die CDU verlassen.

Es gibt hier in Berlin Statistiker, die haben ein Analysetool entwickelt. Demzufolge heißt der neue Bundeskanzler zu 68 Prozent Armin Laschet. Das tut doch gut in diesen Zeiten, oder?

(lacht) So? Wir sollten die Wahl trotzdem noch abwarten, da Wahlen nicht durch Analysetools entschieden werden. Im Ernst: Ich bin fest davon überzeugt, dass viele Menschen der CDU zutrauen, das Land auch weiterhin zu regieren und die Zeit nach der Pandemie erfolgreich zu gestalten.

Die Union gilt vielen in Fragen von Finanz- und Wirtschaftspolitik als Stabilitätsfaktor, als ordnungspolitisch klar. Sie haben die Baustellen der nahen Zukunft genannt. Ist das ein Grund, warum sich die Umfragen für die Union in diesen Tagen deutlich verbessern?

Es geht in der Tat um fundamentale Fragen. Ein Industrieland wie Deutschland umzugestalten, ist eine Jahrhundert-Aufgabe. Je mehr es auf die Wahl zugeht, desto mehr Menschen werden unsicher, ob Frau Baerbock wirklich eine geeignete Kanzlerin wäre; und desto mehr Menschen gelangen zur Überzeugung, dass politische Erfahrung im Regieren eines großen Landes eine Rolle spielt. Das ist der eine Teil.

Der andere Teil ist die Richtung: Will man Industrieland bleiben? Will man, dass mittelständische Betriebe, die gerade ja auch im Münsterland stark sind, in Zukunft auch noch da sind? Will man eine starke Chemieindustrie, eine starke Stahlindustrie haben? Wir als Union wollen das, ich will das – mit diesen Zielen, die den Menschen wichtig sind, treten wir in den Wettbewerb.

Wie finden Sie eine Lösung beim Thema Klimawandel? Der Klimaschutz, die Wirtschaft, die Kosten – ist das miteinander versöhnbar?

Ökologie und Ökonomie sind versöhnbar – diese Herausforderung ist, wie alle großen Aufgaben in der Nachkriegszeit, mit marktwirtschaftlichen Mitteln lösbar. Wenn der Anreiz da ist, etwas zu bewegen, stellt man fest, wie viel Kreativität, wie viel Ideenreichtum die Menschen entwickeln. Wenn man alles staatlich vorgibt, wird es nicht gelingen. Klima- und Naturschutz lassen sich nicht durch Verbote, sondern nur durch Innovation und technologischen Fortschritt meistern.

Technologische Neuerungen zu entwickeln ist ein ganz wesentlicher, eminent wichtiger Beitrag zur Energiewende. In Münster beispielsweise wird die bundesweit einmalige Forschungsfertigung Batteriezelle die grüne Batterie der Zukunft entwickeln und die Industrie bei deren effizienter Produktion unterstützen. Das Rheinische Revier wird zu einer Modellregion für die Energiewende, für Klimaschutz, neue Mobilität und nachhaltiges Wirtschaften und Bauen. Es könnte zum Vorbild für erfolgreiche wirtschaftliche Transformation werden. Hier können wir der Welt zeigen, wie ein Industrieland die Energiewende schafft.

CSU-Chef Markus Söder hat gesagt: Bundeskanzleramt oder Opposition, kein Mitregieren unter einem anderen Kanzler. Sehen Sie das genauso?

Wir tun alles, damit wir diese Wahl gewinnen. Die Union hat den Anspruch, Nummer eins zu sein und das Land zu regieren. Welche Koalitionen möglich sind, entscheiden die Wählerinnen und Wähler.

Wie seltsam finden Sie die Diskussion darüber, dass Sie ohne einen eigenen Wahlkreis in die Bundestagswahl gehen?

Es ist eine eigenartige Diskussion. Viele Kanzlerkandidaten und auch manch Kanzler haben ohne einen Wahlkreis kandidiert. Es gibt unterschiedliche Wege, für den Deutschen Bundestag zu kandidieren. Die CDU Nordrhein-Westfalen hat sich dazu entschieden, mich auf Platz eins der Liste zu setzen.

Das hat also nichts mit irgendwelchen Hintertürchen zu tun?

Noch einmal: Man kann auch ohne einen Wahlkreis Bundeskanzler werden – dieses Ziel will ich erreichten und werde mit aller Kraft dafür kämpfen.

Warum haben Sie sich für diesen Weg entschieden?

Wir haben für die CDU mit Rudolf Henke in Aachen einen sehr engagierten Abgeordneten, der seine Arbeit gut macht, der für uns im Gesundheitsausschuss wertvoll ist, und der auch in der Ärzteschaft sehr verankert ist. Im Übrigen fände ich die Haltung, „Der muss jetzt Platz machen, weil ich komme“, auch im menschlichen Umgang nicht fair.

Allensbach hat erhoben, dass 60 Prozent der Deutschen einen Wechsel in der Regierung wollen. Wie verstehen Sie das? Wechsel nach der Devise „16 Jahre Angela Merkel sind genug“, ähnlich wie seinerzeit bei Helmut Kohl?

Die Menschen haben ein Gespür dafür, worauf es jetzt ankommt. Es gibt nun definitiv einen Wechsel im Bundeskanzleramt und in der Regierung, wie die Menschen ihn erwarten.

Wo sehen Sie die Haupt-Streitpunkte mit den Grünen? Sie haben angesprochen, Marktwirtschaft sollte das Thema Klima lösen...

Die Grünen haben ein Wahlprogramm mit tollen Überschriften – was fehlt, sind die konkreten Lösungsvorschläge. Bei der Lösung der Jahrhundertaufgabe des Klimawandels sind wir uns beim Ziel einig: Spätestens bei zur Mitte des Jahrhunderts muss unser Land klimaneutral sein. Die Frage ist, wie der Weg dahin aussieht: Wird er planwirtschaftlich oder marktwirtschaftlich organisiert? Will man noch Industrieland bleiben? Wie federt man das Ganze sozial ab? Da höre ich von den Grünen so gut wie gar nichts.

Das ist aber genau das, was uns in NRW beim Steinkohleausstieg, beim Braunkohleausstieg, bei der Umstrukturierung der Stahlindustrie immer bewegt, und was wir immer mitgedacht haben: Jede Entscheidung hat auch Auswirkungen auf Arbeitsplätze, Wohnkosten oder Benzinpreise – auf den Lebensalltag der Menschen. Das ist ein fundamentaler Unterschied zu den Grünen, die das Ganze sehr theoretisch erörtern. Auch in der Außenpolitik gibt es bei den Grünen eine Menge Unklarheiten.

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Wir erleben in der Pandemie aktuell den massiven Abrechnungsbetrug einiger Testzentrums-Betreiber; Sie bzw. Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart haben in NRW ganz früh Betrügereien im Kontext der ersten Wirtschaftshilfen erlebt. Welche Lehren gilt es da zu ziehen?

Diesen Teil der Betrügereien wird es wohl leider immer geben. Sobald ein Bundesgesetz oder eine Verordnung beschlossen wird, gibt es trickreiche Leute, die sich mit krimineller Energie überlegen, wo es eine Lücke gibt. Wenn das der Fall ist, gilt es schnell zu handeln – so, wie wir es bei den Wirtschaftshilfen haben und wie es Jens Spahn nun beim Betrug in Testzentren macht. Und man muss vor allem die, die betrügen, strafrechtlich belangen.