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Interview

Politikberater
Hat die CDU ihre Wahlversprechen gebrochen, Herr Nass?

Lesezeit 3 Minuten
Ein Schild zeigt am Eingang der CDU-Parteizentrale, dem Konrad-Adenauer-Haus, den Weg für die Fortsetzung der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD.

Schild an der CDU-Parteizentrale: Union und SPD haben sich auf die Aufnahme neuer Schulden für Verteidigung und Infrastruktur geeinigt.

In ihrer Programmatik bekennt sich die CDU zur Schuldenbremse, nach der Bundestagswahl einigte sich mit SPD und CSU auf die Aufnahme neuer Schulden. Ist die Kritik daran gerechtfertigt? Fragen an den Kölner Sozialethiker Elmar Nass, der die Partei bei ihrem Grundsatzprogramm beraten hat.

FDP-Generalsekretär Marco Buschmann ist nicht der einzige, der den Unionsparteien vorwirft, sie hätten Wahlversprechen gebrochen. Sie haben die CDU bei ihrem Grundsatzprogramm beraten. Können Sie den Vorwurf nachvollziehen?

Natürlich ist es so, dass die CDU vor der Wahl etwas anderes gesagt hat, als sie jetzt praktiziert. Das kann man moralisch hinterfragen. Allerdings hat sich zumindest bei der Verteidigung die Faktenlage verändert, und bei veränderter Faktenlage muss man auch andere Entscheidungen treffen. Es gibt ja viele Menschen, die es begrüßen, dass Deutschland jetzt einmal mutig vorangeht und Verantwortung übernimmt.

Aber haben sich die Fakten wirklich dermaßen verändert? Schon als die CDU – gestützt auch auf Ihren Rat - das Grundsatzprogramm aufstellte, war doch unklar, wie nach Auslaufen des Bundeswehr-Sondervermögens auch nur das Zwei-Prozent-Ziel der Nato eingehalten werden sollte. Und als das Wahlprogramm aufgestellt wurde, hatte Donald Trump die US-Präsidentschaftswahl längt gewonnen.

Das stimmt alles, allerdings hat es dann eine weitere Eskalation gegeben. Denken Sie an das Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Oval Office. Das zeigte endgültig, dass wir Europäer nun auf uns allein gestellt sind. Kritik haben alle politischen Kräfte, auch die CDU, verdient, weil sie das im Vorfeld nicht richtig eingeschätzt haben. Auch die Vorgängerregierung hat Deutschland nicht ausreichend auf so eine Situation aufgestellt – und jetzt hat es seltsamerweise alle überrascht, wie massiv Trump das umsetzt, was er angekündigt hat.

Sie sind Wirtschaftsethiker. Seit dem 18. Jahrhundert ist das Prinzip der Nachhaltigkeit bekannt: Keine Generation soll auf Kosten der Zukunft leben. Dürfen wir da in so einem Maße Schulden aufnehmen, wie jetzt geplant? Die Schuldenbremse wird ja zum Beispiel so umgebaut, dass schon für das ganz reguläre Zwei-Prozent-Ziel Kredite aufgenommen werden dürfen. Müsste der Staat das nicht aus laufenden Einnahmen finanzieren können?

Das ist prinzipiell richtig, allerdings ist in den vergangenen Jahren hier viel versäumt worden, nicht nur von der Ampelkoalition, sondern auch unter Kanzlerin Angela Merkel. Jetzt kommen entsprechend höhere Kosten auf uns zu. Nun sprechen Sie von Generationengerechtigkeit. Ja, es kommt eine höhere Zinslast auf künftige Generationen zu. Aber: Die Kosten für Sicherheit müssen jetzt umgehend gestemmt werden wegen der akuten Bedrohungslage. Dies ist eine notwendige Investition in die Freiheit unseres Landes, die wir zugunsten der kommenden Generationen sofort vornehmen und dann auch wieder abtragen müssen.

Prof. Elmar Nass lehrt Sozialethik an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie und hat die CDU beim Erstellen ihres Grundsatzprogramms beraten.

Prof. Elmar Nass lehrt Sozialethik an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie und hat die CDU beim Erstellen ihres Grundsatzprogramms beraten.

Dazu kommt aber ein gewaltiges Sondervermögen für Infrastrukturinvestitionen. Ist das zu verantworten?

Ehrlicherweise muss man sagen: Das sogenannte Vermögen besteht in Wirklichkeit aus Schulden. Und: Man hätte auch vor der Wahl erkennen können, welcher Bedarf da ist. Er ist ja vorhanden: Straßen, Bahn, vieles in der Infrastruktur ist marode. Das Ausland macht sich über uns lustig. Eine Stärkung der Infrastruktur ist eine Investition in unsere Wirtschaft und sorgt dann auch wieder für höhere Staatseinnahmen. Aber ja, das hätte man schon vor der Wahl erkennen können, und da wünsche ich mir manchmal mehr Demut von den politischen Akteuren.

Sollte man nicht zumindest einen Teil der zusätzlichen Ausgaben durch Steuern finanzieren? Dann würden die heute Lebenden ausgleichen, was in den letzten Jahren zu wenig aufgewendet wurde.

Steuererhöhungen haben aber auch ihre Schattenseite, denn sie können die Wirtschaft drosseln. Insofern sind auch sie wirtschaftsethisch nicht unproblematisch, sie entziehen Individuen und Unternehmen ja Geld, das sie sonst investieren könnten. Schuldenfinanzierte Investitionen in die Zukunft sind ethisch begründbar. Denn sie begründen einen Benefit für künftige Generationen. Gerade die immensen Summen, die wir aufgrund der akuten Bedrohungslage in die Sicherheit unseres Landen investieren müssen, können nicht jetzt durch ein einmaliges Steuerpaket gestemmt werden. Heutiger Konsum auf Kosten der Zukunft ist so aber nicht begründbar. Das wäre ein Leben auf Kosten künftiger Generationen.