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Interview

Nach der Wahlschlappe
Wie kommt die FDP wieder auf die Beine, Herr Dürr?

Lesezeit 6 Minuten
Christian Dürr, ehemaliger Fraktionsvorsitzender der FDP

Christian Dürr, ehemaliger Fraktionsvorsitzender der FDP

Bis vor wenigen Wochen war er Chef der liberalen Fraktion im Bundestag. Die gibt es nun nicht mehr. Ein Großteil des Führungspersonals der Partei hat sich nach der Wahlschlappe zurückgezogen. Doch der Niedersachse glaubt an den Neustart.

Lange war unklar, wer die FDP nach Christian Lindner wieder aufbauen würde. Doch nun scheint alles auf den Ex-Fraktionsvorsitzenden Christian Dürr hinauszulaufen. Sind die Liberalen überhaupt noch politik-, geschweige denn regierungsfähig? Dazu äußert sich der 47-Jährige im Interview mit Jonas E. Koch.

Herr Dürr, werden Sie jetzt der neue Christian Lindner?

Ich bin nicht Christian Lindner. Und ich bin auch nicht Guido Westerwelle, Wolfgang Gerhardt oder Theodor Heuss, sondern ich bin Christian Dürr aus Ganderkesee. Und ich will dabei helfen, die FDP wieder aufzubauen, das ist der FDP mit Christian Lindner schon einmal gelungen.

Hat er Ihnen schon Tipps gegeben?

Ich tausche mich mit ihm aus, wir kennen uns seit vielen Jahren. Aber gleichzeitig muss jeder seinen eigenen Weg finden.

Wo liegen die Unterschiede?

Ich will nicht den Fehler machen, mich darüber zu definieren, inwiefern ich mich von anderen unterscheide. Ich weiß, wer ich bin und ich weiß, was ich kann.

Was können Sie denn?

Ich kann Teamwork. Ich habe das als Fraktionsvorsitzender glaube ich gezeigt. Ich bin nicht der Typ, der sagt: Niemand darf neben mir im Scheinwerferlicht stehen oder mitentscheiden. Und gleichzeitig kann ich auch einen Laden zusammenhalten.

Als Fraktionschef im Bundestag waren Sie einer der prägenden Köpfe der Ampel und somit ja auch mitschuldig an deren Scheitern. Qualifiziert Sie das für den Parteivorsitz?

Deswegen habe ich mir auch die Zeit genommen und nicht sofort nach der Wahl gesagt, welchen Beitrag ich leisten kann. Der Parteivorsitz wäre für mich eine ganz andere Rolle als der Fraktionsvorsitz. Gleichzeitig ist mir wichtig, dass bei uns nicht nur eine Person relevant sein sollte. Die FDP hat mehr als 70.000 Mitglieder und spannenderweise treten seit der Bundestagswahl viele weitere Menschen der FDP bei.

Parteikollege Marco Buschmann hat seinen Rückzug aus der ersten Reihe damit begründet, es sei „Zeit für neue, frische Köpfe“. Das finden Sie offenbar nicht?

Da halte ich es mit denjenigen, die sagen: Wenn man hinfällt, muss man auch wieder aufstehen, weiterarbeiten und kämpfen. Das ist ja auch eine sehr liberale Einstellung. Und da bin ich auch mutig. Was mich antreibt, ist die tiefe Überzeugung, dass eine liberale Partei durchaus erfolgreich sein kann.

Warum war sie es bei der Wahl nicht?

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, aber vielleicht sogar schon früher, war es sicherlich ein Fehler, die Koalitionspartner nicht dazu zu bewegen, nachzudenken, ob das, was im Koalitionsvertrag steht, noch zeitgemäß ist. Wir müssen ganz nüchtern feststellen, dass SPD und Grüne, und das hätte man dann vielleicht schon früher feststellen müssen, nicht zu echten Veränderungen bereit waren. Deshalb sind wir nicht vorangekommen.

Lindner sagte, die FDP habe für das Koalitionsende „einen sehr hohen Preis bezahlt“. Zu hoch?

Nein. Es wäre falsch gewesen, einfach am Status quo festzuhalten und eine eigentlich gescheiterte Koalition noch künstlich zu verlängern.

Zweimal saß die FDP in diesem Jahrhundert in der Regierung, zweimal flog sie anschließend aus dem Parlament. Ist Ihre Partei regierungsfähig?

Ich glaube, dass von einer FDP-Regierungsbeteiligung erwartet wird, dass sie bei den wesentlichen Themen nicht nur Akzente setzt, sondern auch etwas im Land voranbringt. Und man kann lange darüber streiten, wer nun mehr oder weniger Schuld am Scheitern der Koalition trägt. Aber am Ende waren randseitige Themen groß, die mit den Sorgen und Ängsten der Menschen wenig zu tun hatten. Meine Lernkurve ist: Wir müssen uns auf die wesentlichen Probleme konzentrieren. Wenn Menschen mehr und mehr den Eindruck haben, dass etablierte Parteien diese nicht lösen können, dann glaube ich, muss die FDP den Mut haben, zu sagen: Wir sind bereit, auch mehr zu ändern. Wir müssen eine Lösungspartei werden.

Und wie setzen Sie das um?

Mein Anspruch ist es, die FDP zur modernsten Partei in Deutschland zu machen. Das ist ein hochgestecktes Ziel, das gebe ich zu. Aber die Menschen spüren intuitiv, wie sich die geopolitische und die wirtschaftliche Lage darstellt. Da helfen Antworten der Vergangenheit nicht mehr. Die Frage ist: Sind die Menschen überzeugt, dass die FDP in der Lage ist, Deutschland zu erneuern? So wollen wir wahrgenommen werden. Das ist uns schon mal gelungen. Und mein fester Wille ist, dass das wieder gelingt.

Viele Wähler nehmen die Partei aktuell vor allem sehr alt und männlich war.

Der Eindruck trügt.

Und wie kann man ihn korrigieren?

Wir haben viele gute, großartige, talentierte Menschen in der FDP. Und diejenigen, die Lust haben mitzuarbeiten, müssen nun auch die Chancen dazu bekommen.

Ihr Parteikollege Konstantin Kuhle sagt, er habe mit Blick auf die Schuldenbremse „das Gefühl, dass sich die FDP zu stark auf bestimmte Themen verengen könnte“. Teilen Sie diesen Eindruck?

Wir haben in der letzten Debatte im Bundestag bewiesen, dass wir nicht starrköpfig sind, wenn es um Investitionen in unsere Sicherheit geht. Ich habe aber den Eindruck, dass wir deutlich machen müssen, dass die FDP natürlich für viel mehr als nur dieses Thema steht.

Aber warum ist es bei der FDP so präsent?

Bei vielen Menschen da draußen ist am Ende vielleicht nur unsere Haltung zur Schuldenbremse angekommen, aber gar nicht mehr unsere Begründung. Dahinter steht die Frage, wie groß der Staat sein soll und welche Chancen er den nächsten Generationen bietet. Die Schuldenbremse ist ein Instrument, damit der Staat sich nicht einfach in alles Mögliche einmischt. Und da ist nun ohne die FDP etwas aus der Balance geraten.

Sie meinen das Schuldenpaket der absehbaren neuen Koalition?

Genau. Bei den Plänen der neuen Koalition wird eine linke Wirtschaftspolitik herauskommen. Mit einem dicken Staat, der mit Billionen Euro Schulden und Milliarden Euro Subventionen die Wirtschaft lenkt, aber sich kein bisschen selbst reformiert. Die Antwort auf die notwendigen Reformen in Deutschland kann nicht ernsthaft mehr Geld sein. Das ist aber genau das, was die neue Koalition praktisch tut.

Kann man den Deutschen denn nichts mehr zumuten?

Ich mag diesen Begriff nicht. Das klingt immer so, als müsste man den Menschen etwas wegnehmen, damit der Staat funktioniert. Das ist Quatsch. Wir wollen ja, dass der Staat sich selbst reformiert, um den Steuerzahlern, Selbstständigen und Unternehmen das Leben zu erleichtern. Es gibt sicherlich Wähler, die mehr Staat gut finden, aber ich glaube, es gibt auch sehr viele, die das ablehnen. Denn damit geht ja auch einher, dass sich der Staat in alles einmischt, alles kontrolliert, alles nachfragt. Wer glaubt, dass der Staat einen durchs ganze Leben führt, aber sich dabei nicht einmischt, der ist schief gewickelt. Und ich glaube, dass die Mehrheit der Menschen das auch weiß. Denen muss die FDP das Angebot machen, dass man gewisse Risiken selbst trägt, aber der Staat auch nicht vorschreibt, wie man zu leben hat.