- Seit dem 8. Dezember 2018 ist Paul Ziemiak Generalsekretär der CDU.
- Zuvor war er von September 2014 bis März 2019 Bundesvorsitzender der Jungen Union.
- Seit der Bundestagswahl 2017 gehört Ziemiak dem Bundestag an.
Für junge Menschen wäre ein solches Dienstpflichtjahr nach Ansicht des CDU-Generalsekretärs eine Bereicherung. Eine Kampfkandidatur um den Parteivorsitz muss seiner Ansicht nach nicht abgewendet werden. Was den weißrussischen Autokraten Lukaschenko betrifft, hielte er ein russisches Exil-Angebot für hilfreich.Herr Ziemiak, Sie haben als erster West-Politiker nach der umstrittenen Präsidentenwahl in Weißrussland die Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja in ihrem litauischen Exil getroffen und sagen, dass der langjährige Machthaber Alexander Lukaschenko mit dem Rücken zur Wand stehe. Glauben Sie, dass ein Autokrat wie Lukaschenko einfach abtritt? Paul Ziemiak: Wenn er keine Unterstützung von außen bekommt, wird die Lage für ihn zunehmend schwierig. Ihm bleiben zwei Möglichkeiten: zu weichen und damit faire und freie Wahlen zu ermöglichen oder Gewalt gegen die eigene Bevölkerung anzuwenden. Letzteres muss unbedingt verhindern werden.
Sie haben Russlands Präsidenten Wladimir Putin aufgefordert, sich nicht in Belarus einzumischen. Aber sollte er Lukaschenko vielleicht Exil anbieten?
Die Bevölkerung in Belarus hat das Recht selbst zu entscheiden, wie sie ihre Zukunft gestalten will. Dazu sind freie und faire Wahlen unerlässlich. Es darf auch keine Einmischung von anderen Staaten geben. Würde Russland Herrn Lukaschenko Exil anbieten, wäre das auch keine unangemessene Einmischung Russlands. Lukaschenko kann in der jetzigen Situation kein Teil eines Neuanfangs sein. Jeder, der es vermag, sollte Einfluss auf Lukaschenko nehmen, damit er den Willen der Bevölkerung respektiert und freie Wahlen ermöglicht.
Zur CDU. Elf von 16 CDU-Landesverbände sind für die Einführung einer Dienstpflicht für alle. Kommt das so in das neue Grundsatzprogramm?
Wir legen im September einen Zwischenbericht zum Grundsatzprogramm vor. Unser neues Grundsatzprogramm wird aber eben kein Forderungskatalog mit konkreten Maßnahmen werden, sondern ein Haltungs-Programm, das beschreibt was unsere Grundsätze in den 20er Jahren des 21. Jahrhunderts bedeuten. Unabhängig davon aber bin ich persönlich für ein solches Gesellschaftsjahr für Männer und Frauen.
Dann käme aber doch der Vorschlag zur Dienstpflicht in das Wahlprogramm der Union. Oder haben Sie da Zweifel?
Das Thema bleibt wichtig. Über unser Regierungsprogramm werden wir jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt beraten.
Wie wollen Sie die politische Konkurrenz nach der Wahl von dieser Idee überzeugen? Das Grundgesetz muss dafür geändert werden und zwar mit Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Denn es würde ja ein Grundrecht eingeschränkt.
Jetzt wollen Sie aber den zweiten Schritt vor dem ersten tun. Grundsätzlich geht es um die Frage, ob und wie ein solches Gesellschaftsjahr den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land stärken kann. Ich bin der festen Überzeugung, dass insbesondere junge Menschen eine große Bereicherung erfahren. Sie erhalten Einblicke in Bereiche, die sie sonst nicht kennenlernen würden, und sie wiederum würden der Gesellschaft einen Dienst erweisen, dem Land etwas geben. Sie würden mit anderen kollegial zusammenarbeiten ohne Ansehen der Herkunft, Bildung und des eigenen sozialen Hintergrundes. Das wird prägen.
Aber wie wollen Sie den Eingriff in die persönliche Freiheit begründen?
Es geht hier um eine Abwägung: Auf der einen Seiten wollen wir eine Gesellschaft sein, die zusammenhält, in der wir für einander da sind. Auf der anderen Seite wünschen sich viele Menschen größtmögliche Freiheit. Wir schaffen den Zusammenhalt aber nur, wenn alle dazu etwas beitragen.
Die Wehrpflicht wurde ausgesetzt, weil nur noch ein kleiner Teil der Männer eingezogen wurde und keine Gleichberechtigung mehr bestand. Auch bei einem Gesellschaftsjahr wird es Ausnahmen geben. Wird hier nicht dieselbe Gerechtigkeitsfrage aufkommen?
Ausnahmen wird es immer geben. Es darf aber nicht dazu führen, dass es unfair ist wie es bei der Wehrpflicht zuletzt war.
Ab wann und für welche Jahrgänge sollte die Dienstpflicht Ihrer Ansicht nach eingeführt werden?
Wie gesagt, wir wollen erst einmal die Grundsatzentscheidung für ein solches Jahr herbeiführen.
Zur Vorstandswahl der CDU: Gibt es noch Aussichten, dass eine Kampfkandidatur von Norbert Röttgen, Friedrich Merz und Armin Laschet verhindert werden kann?
Ich habe keine Anzeichen dafür, dass sich daran etwas ändert. Im Übrigen ist Wettbewerb in der Demokratie etwas völlig Selbstverständliches.
Aprospros Corona, allein für den CDU-Parteitag haben Sie sicher ein Interesse, dass die Beschränkungen für solche Großveranstaltungen bis dahin nicht mehr gelten, oder?
Erstmal ist völlig klar, der Umgang mit Großveranstaltungen hängt nicht von unserem Parteitag ab, sondern von dem, was zur Bekämpfung der Corona-Pandemie nötig ist. Zweitens geht es bei dem Parteitag auch um Versammlungsfreiheit und politische Willensbildung. Das sind noch einmal andere Kriterien. Und klar ist auch: „ir werden für den Parteitag ein sehr umfangreiches Hygienekonzept vorlegen. Insgesamt glaube ich jedoch, die steigenden Infektionszahlen bieten keine Grundlage für weitere Lockerungen der Maßnahmen.
Das bedeutet, auch keine Fußballspiele vor Publikum oder Konzerte mit einigen Tausend Zuschauern?
Mit diesen Zahlen, wie wir sie jetzt haben, sehe ich nicht, dass wir grundlegende Lockerungen vertreten können.
Aber der CDU-Parteitag mit mehr als 1000 Teilnehmern geht?
Über die Frage, ob der Parteitag durchgeführt werden kann, entscheiden abschließend die zuständigen Behörden in Baden-Württemberg. Nach Rücksprache mit dem dortigen Landesverband kann der Parteitag unter entsprechenden Corona-Auflagen grundsätzlich nach heutiger Rechtslage durchgeführt werden. Da geht es uns wie allen anderen Veranstaltern auch.
Zur Person
Geboren wurde Paul (Pawel) Ziemiak am 6. September 1985 in Stettin. Drei Jahre später zogen seine Eltern als Aussiedler nach Deutschland.
1999 trat er in die Junge Union ein. 2014 wurde er deren Vorsitzender. 2017 kam er in den Bundestag, 2018 wurde er CDU-Generalsekretär.
Aber: Ein Parteitag ist keine Party! Freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit sind wichtige Güter. Die politische Willensbildung einer Partei ist ein hohes Gut in unserer Demokratie. Wenn das Parteiengesetz es zuließe, könnten wir den Wahl-Parteitag auch digital durchführen. Das geht aber leider zurzeit nicht.
Die Kanzlerin hat auf die Frage, ob CSU-Chef Markus Söder ein guter Kanzlerkandidat wäre, gesagt, er sei ein guter Ministerpräsident. Auf die ähnliche Frage in Bezug auf Ministerpräsident Armin Laschet, sagte sie, er führe geräuschlos eine Regierung in Nordrhein-Westfalen, das habe Gewicht. Sie kennen Frau Merkel, für wen ist sie aufgrund dieser beiden Aussagen Ihrer Meinung nach?
Die Bundeskanzlerin hat auch gesagt, sie mischt sich bei dieser Frage nicht ein.
Kein Punkt für Laschet?
Alle Ministerpräsidenten der Union machen sehr gute Arbeit in dieser unglaublich herausfordernden Zeit und punkten, um bei dem Begriff zu bleiben.
Sie präsentieren die CDU in einem zweitminütigen Videoclip modern und peppig. Wird am Ende doch Jens Spahn für den Vorsitz kandidieren, weil er besser zum Zeitgeist des CDU-Videos passt?
Nach meiner Kenntnis steht er nicht zur Wahl…
Noch nicht…
Und es geht uns nicht um Zeitgeist, sondern darum, sich um die Sorgen und Wünsche der Menschen zu kümmern. Ich habe keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass es bei dem Tandem Armin Laschet als Kandidat für den Vorsitz und Jens Spahn als Kandidat für dessen Stellvertreter bleibt. Derzeit beschäftigen mich aber mehr die Fragen, was aus unserer Wirtschaft in Corona-Zeiten wird und wie wir dafür sorgen, dass unsere Kinder trotz Corona verlässlich in die Kita und die Schule gehen können.
Was wird aus der Wirtschaft?
Das kann für dieses Jahr noch niemand abschließend beantworten. Branchen sind ganz unterschiedlich stark von der Krise betroffen. Was wir aber wissen: Das zweite Halbjahr wird uns in dieser Hinsicht vor enorme Herausforderungen stellen. Wir werden deshalb auch über weitere Maßnahmen sprechen müssen.
Beim Koalitionsausschuss am Dienstagabend?
Genau. Auch da.
Um welche Maßnahmen geht es da?
Wir müssen Impulse setzen, damit Unternehmen durch diese Krise kommen. Sicher werden wir über das Kurzarbeitergeld sprechen. Es ist ein ganz wichtiges Instrument bei der Bewältigung der Pandemie und muss verlängert werden. Wie und in welchem Umfang werden wir jetzt beraten. Wir hatten bereits verabredet, dass es zu weiteren Reformen bei der Unternehmensbesteuerung kommen muss.
Diesen Weg müssen wir jetzt weitergehen. Und auch beim Bürokratieabbau müssen wir vorankommen. Das kostet kein Geld und macht uns leistungsstärker. Mittelfristig dürfen wir aber auch wieder zu einem Kurs finanzieller Solidität kommen. Wir müssen vernünftig mit unseren Finanzen umgehen. Das ist auch eine Frage der Generationengerechtigkeit.