AboAbonnieren

Information: Auswärtiges Amt verteidigt Linie des Bundestags

Lesezeit 3 Minuten

Karlsruhe – Das Bundesverfassungsgericht hat zu entscheiden, inwieweit die Bundesregierung den Bundestag zur europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik informieren muss.

Die klagenden Fraktionen von Grünen und Linken kritisierten am Dienstag in der Verhandlung in Karlsruhe, dass es in diesem Bereich bis heute Defizite gebe. Für das Auswärtige Amt betonte Staatssekretärin Susanne Baumann, man nehme die Unterrichtungspflichten in EU-Fragen sehr ernst. Für den sicherheitspolitischen Bereich würden nach dem Verständnis der Bundesregierung aber eigene Regeln gelten. Das Urteil wird voraussichtlich in einigen Monaten verkündet.

Im Grundgesetz steht in Artikel 23, dass Bundestag und Bundesrat in Angelegenheiten der Europäischen Union mitwirken. Und weiter: „Die Bundesregierung hat den Bundestag und den Bundesrat umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten.”

Wurde das Recht des Bundestags verletzt?

Grüne und Linke wollen jeweils feststellen lassen, dass der Bundestag 2015 vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise in diesem Recht verletzt wurde. Konkret geht es unter anderem um einen Konzeptentwurf für die inzwischen ausgelaufene EU-Operation „Sophia” gegen Schleuser im Mittelmeer. Er wurde den Parlamentariern damals erst nach dem Beschluss des Einsatzes im Rat der EU-Mitgliedstaaten zugänglich gemacht und konnte dann in der Geheimschutzstelle des Bundestags auch nur von Mitgliedern bestimmter Ausschüsse eingesehen werden.

Die Grünen-Fraktion hat zu den Unterrichtungsrechten in EU-Fragen schon zweimal erfolgreich in Karlsruhe geklagt. Erst im Frühjahr 2021 pochten die Verfassungsrichterinnen und -richter darauf, dass die Bundesregierung den Bundestag vor wichtigen Weichenstellungen rechtzeitig mit ins Boot holt. Damals ging es um die Verhandlungslinie vor entscheidenden Treffen mit den Euro-Partnern auf dem Höhepunkt der Griechenland-Krise 2015. Damit war die Verantwortung des Bundestags für den Haushalt betroffen.

Andere Maßstäbe bei Sicherheitspolitik?

Die Frage ist nun, ob für die Sicherheits- und Außenpolitik womöglich andere Maßstäbe gelten. Diese Haltung vertritt die Bundesregierung. Staatssekretärin Baumann sagte, die Europäische Union sei hier nicht mehr als die Summe ihrer Mitgliedstaaten, der Bereich sei nicht vergemeinschaftet. Die Bundesregierung beruft sich deshalb auf ein Gesetz zur Zusammenarbeit mit dem Bundestag, wonach „auf Anforderung Dokumente von grundsätzlicher Bedeutung” zuzuleiten sind.

Der juristische Vertreter der Grünen, Ulrich Hufeld, sprach von einem „Mitwirkungsverhinderungsgesetz” und einer „Dauerrechtsverletzung”. Der europapolitische Sprecher der Linksfraktion, Andrej Hunko, sagte, bis Anfang 2021 seien noch 87-mal Informationen angefordert worden. 59 Prozent dieser Anforderungen seien abgelehnt worden.

Der Mittelmeer-Einsatz richtete sich gegen Schleuserbanden, die Migranten von der libyschen Küste aus auf den gefährlichen Weg Richtung Europa schickten. Die Bundeswehr war bis Mitte 2019 beteiligt und hatte mehr als 22 000 Menschen aus Seenot gerettet. Benannt war die Operation Eunavfor Med nach einem somalischen Baby, das an Bord eines deutschen Marineschiffs zur Welt kam: Sophia.

Der Linksfraktion geht es außerdem um einen EU/Türkei-Gipfel Ende November 2015 wegen der unkontrollierten Einreise syrischer Flüchtlinge nach Europa. In diesem Zusammenhang sei ihr ein Schreiben des damaligen türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht zugänglich gemacht worden.

Inzwischen wird das Auswärtige Amt von der Grünen-Ministerin Annalena Baerbock geführt. Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Jürgen Trittin, nannte das vor Verhandlungsbeginn eine zufällige Konstellation. Es gehe um einen institutionellen Konflikt: „Ist die Außen- und Sicherheitspolitik in Europa exklusiv Sache der Bundesregierung - oder unterliegt sie der Kontrolle und der Mitgestaltung des Deutschen Bundestags?”

© dpa-infocom, dpa:220614-99-654137/6 (dpa)