Rundschau-Debatte des TagesIst ein Homeoffice-Rechtsanspruch sinnvoll?
Berlin – Kollegengespräch per Zoom und kein Verkehrsstress am Morgen: Das pandemiebedingte Homeoffice hat den Arbeitsalltag von Millionen Menschen im Land gehörig umgekrempelt. Eine „neue Freiheit“, die es zu bewahren gilt, sagt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der das Arbeiten von zu Hause aus dauerhaft etablieren will.
Was plant Arbeitsminister Hubertus Heil?
„Ich bin dafür, dass wir aus dem coronabedingten ungeplanten Großversuch zum Homeoffice grundlegende Konsequenzen für die Arbeitswelt ziehen“, sagte Heil am Mittwoch. Einen Rechtsanspruch auf Homeoffice wolle er schaffen – ganz unabhängig davon, ob ein Virus wütet oder nicht, sagt der Minister. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP sei sich zu den neuen Regeln einig: „Ein moderner Ordnungsrahmen für mobiles Arbeiten kommt.“
Heils Pläne sehen vor, dass Arbeitgeber ihren Beschäftigten künftig das Arbeiten von zu Hause aus ermöglichen müssen. „Wenn diese das ablehnen wollen, müssen betriebliche Gründe dagegen stehen – etwa weil man im Stahlwerk am Hochofen arbeitet und natürlich nicht von zu Hause aus arbeiten kann“, erklärte Heil. Beschäftigte müssten dies aber in jedem Fall künftig mit den jeweiligen Vorgesetzten „erörtern“ können. „Wenn der Arbeitgeber keine betrieblichen Gründe nennen kann, dann gilt der Rechtsanspruch, Homeoffice in Anspruch nehmen zu können.“ Das werde auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, hofft der Minister.
Was spricht bisher gegen das Homeoffice?
Doch noch bleiben ungeklärte Fragen und Sorgen, die seit Längerem mit dem Homeoffice verbunden sind. Psychologen warnen schon seit Beginn der Homeoffice-Umstellung vor Vereinsamung in den eigenen vier Wänden. Andere Probleme gibt es mit Geräten und Ausstattung: Wie eine Forsa-Umfrage der Techniker Krankenkasse aus dem vergangenen Jahr ergeben hat, sagen gut vier von zehn Beschäftigten im Homeoffice (38 Prozent), dass sie sich durch einen schlecht ausgestatteten Homeoffice-Arbeitsplatz belastet fühlen, davon jeder Fünfte sogar häufig (22 Prozent).
Was tun also, wenn nur der unbequeme Küchentisch als Arbeitsplatz in Frage kommt? Und wofür muss der Arbeitgeber eigentlich finanziell aufkommen? Wichtige Fragen der Ausgestaltung bleiben noch offen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund mahnt klare Regeln an – auch zum Gesundheitsschutz der Beschäftigten. Arbeitsminister Heil verspricht, „die Schattenseiten im Homeoffice“ einzugrenzen. „Arbeit darf nicht krank machen“, sagt er. Auch jene, die nur gelegentlich im Homeoffice arbeiten wollten, müssten diese Flexibilität in Anspruch nehmen können.
Wie reagieren Gewerkschaften und die Arbeitgeber?
Der DGB und die Gewerkschaft IG Metall begrüßen diese Pläne ausdrücklich. Viele Arbeitnehmer wollten auch nach der Pandemie nicht auf das Homeoffice verzichten, argumentiert der DGB. Die IG Metall weist noch einmal speziell auf jene Arbeitnehmer hin, die wegen der Natur ihrer Tätigkeit kein Arbeiten von zu Hause geltend machen könnten. „Ein Auto kann man nicht am Küchentisch bauen“, schreibt die Gewerkschaft. Kollegen in den Fabriken dürften nicht schlechter gestellt sein als Menschen im mobilen Office, fordert die IG Metall mit Blick auf den geplanten Ordnungsrahmen der Ampel-Parteien.
Das könnte Sie auch interessieren:
Die Arbeitgeber lehnen dagegen einen Rechtsanspruch auf Homeoffice ab. „In Teilen der Koalition gibt es offensichtlich ein Durcheinander zwischen Parteiprogramm und Koalitionsvertrag“, erklärte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Der Koalitionsvertrag der Ampelparteien sehe „nicht die Schaffung eines Rechtsanspruchs, sondern einen Erörterungsanspruch bei Homeoffice vor“. Homeoffice sei in vielen Unternehmen „Standard“ und werde das auch so nach der Pandemie bleiben, erklärte er. „Dazu bedarf es keines Rechtsanspruches, sondern eines vertrauensvollen Miteinanders im Betrieb.“ Auch der Digitalverband Bitkom hält einen Rechtsanspruch für „den falschen Weg“. Die Regierung müsse „die Entscheidung darüber, wie gearbeitet wird“, bei den Unternehmen lassen, fordert der Verband. (dpa)