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Holpriger Start in NRWKinderärzte warnen vor neuen Schulschließungen

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Zwei Corona-Tests pro Woche sollten eigentlich für jeden Schüler in NRW ab sofort bereitstehen.

Düsseldorf/Berlin – Mit Ungewissheiten und Sorgen starteten die NRW-Schüler am Montag nach den Osterferien in den Unterricht. NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) wagte keine Prognose, ob der Distanzunterricht, der in dieser Woche für die meisten Jahrgänge gilt, in der kommenden Woche fortgesetzt wird. Man benötigte eine „Glaskugel“ für eine solche Vorhersage, meinte sie im WDR. Das Infektionsgeschehen sei schwer zu beurteilen und habe sich in den vergangenen Tagen dramatisch verändert.

Nicht alle haben Tests

In NRW gilt jetzt eine Corona-Testpflicht für jene Schüler, die im Moment in Präsenz unterrichtet werden – also die Schüler in den Abschlussklassen und die Kinder bis zur 6. Klasse in der Notbetreuung. Zum Unterrichtsbeginn am Montag hatten noch nicht alle Schulen lückenlos die zugesagten Selbsttest-Lieferungen erhalten. Es gebe einzelne Ausnahmen, „bei denen eine Erreichbarkeit vor Ort nicht sichergestellt werden konnte“, ansonsten seien alle Schulen versorgt, hieß es aus dem Schulministerium in Düsseldorf. Es könne deshalb dennoch im Laufe dieser Woche jeder Schüler wie geplant zwei Mal auf das Virus getestet werden.

Wissenschaftler: Gefahr lauert drinnen

Aerosolforscher fordern einen Kurswechsel in der Corona-Politik. „Wenn wir die Pandemie in den Griff bekommen wollen, müssen wir die Menschen sensibilisieren, dass drinnen die Gefahr lauert“, heißt es in einem Brief an die Bundesregierung und die Landesregierungen. Das Coronavirus verbreite sich vor allem über die Luft. In Wohnungen, Büros, Klassenräumen, Wohnanlagen und Betreuungseinrichtungen müssten Maßnahmen ergriffen werden. In Innenräumen finde auch dann eine Ansteckung statt, wenn sich ein Infektiöser vorher in einem schlecht belüfteten Raum aufgehalten habe. (dpa)

Die Wirren rund um die Testpflicht und die Lieferprobleme stoßen bei Lehrer- und Elternverbänden auf Kritik. „Ich habe selten etwas so Unprofessionelles gesehen“, sagte die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Maike Finnern, unserer Redaktion. Die Tests seien zudem für Grundschüler und manche Förderschüler ungeeignet.

Einige Abiturienten melden sich ab

Laut Philologenverband NRW meldeten sich einige Abiturienten vom Präsenzunterricht ab, weil sie nicht riskieren wollten, sich anzustecken oder während der Prüfungen in Quarantäne gehen zu müssen. Der Verband unterstützt eine Online-Petition an die Regierung, die Selbsttests nicht in die Hände von Lehrern, sondern in die von Eltern oder medizinisch geschultem Personal zu legen.

„Die Lehrkräfte haben während der Beaufsichtigung der Tests ein sehr ungutes Gefühl, fühlen sich im Rahmen des Gesundheitsschutzes nicht sicher“, sagte Verbandschefin Sabine Mistler. Das treffe auch auf viele Schüler zu. Es sei ärgerlich, dass die Tests noch von der wertvollen Unterrichtszeit abgeknapst würden. Aus Gewerkschaftskreisen heißt es, dass unter Lehrern immer mehr „Remonstrationsschreiben“ gegen die Pflicht, Schüler zu testen, kursieren. Das sind Protestformulare, mit denen Lehrer Entscheidungen ihrer Vorgesetzten ablehnen und sich juristisch absichern.

Landesschülervertretung verlangt „Freiversuch“

Die Landesschülervertretung verlangte angesichts enormer auch psychischer Belastungen einen „Freiversuch“ bei allen Abschlüssen. „Das bedeutet konkret, dass die Schüler und Schülerinnen die Möglichkeit haben, die Prüfung noch einmal abzulegen.“ Die Landeselternschaft der integrierten Schulen (Leis) mahnte eine „klare Planungsperspektive“ für die Schulen bis zu den Sommerferien an. Die würde „ständige Kurs- und Planwechsel“ überflüssig machen. Laut GEW-Chefin Finnern wäre eine langfristige Planung bis zum Sommer möglich. „Dafür müsste die Landesregierung aber über ihren Schatten springen und einsehen, dass dies ein komplettes Schuljahr unter Pandemiebedingungen ist.“

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Derweil schlagen Deutschlands Pädiater Alarm angesichts der neuen Einschränkungen des Schulbetriebs, den der Bundestag heute mit der bundesweiten Corona-Notbremse beschließen soll. „Alle Schulen ab einer Inzidenz von 200 pauschal dichtzumachen wäre für das Kindswohl fatal“, sagte Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Datenlage zeige, dass Schulen nicht der Haupttreiber der Pandemie seien. „Belegt sind aber längst die sozio-emotionalen Schäden der Schüler durch dauerhaft geschlossene Einrichtungen.“

„Kinder sind die großen Verlierer der Pandemie, und die Notbremse würde den Schaden noch weiter vergrößern“, sagte Fischbach. Seine Position: „Anstelle den Präsenzunterricht wegen willkürlich gegriffener Inzidenzwerte zu verbieten, müssen die Schulen endlich mit ausreichenden Tests für Schüler und Lehrer versorgt und das Personal geimpft werden, dann kann auch bei hoher Inzidenz sicher unterrichtet werden.“ (mit dpa)