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Gespräch auf AugenhöheSo lief das Gespräch der Betroffenen mit den Visitatoren

Lesezeit 4 Minuten
Visitatoren in Köln costa

Das Gespräch fand im Kölner Maternushaus statt.

Karl Haucke kann sich nicht erinnern, wann er das letzte mal nach einem Gespräch mit Geistlichen so gelöst war. „Das Treffen fand in Köln statt – und ich wurde trotzdem gehört“, sagt er lachend. Haucke war einer von fünf ehemaligen Mitgliedern des Betroffenenbeirates im Erzbistum Köln, die am Dienstag von den beiden Visitatoren zu einem Gespräch ins Maternushaus gebeten wurden. Der Stockholmer Kardinal Anders Arborelius und der Rotterdamer Bischof Hans van den Hende wollten von ihnen wissen, wie sie die Aufarbeitung sexueller Gewalt durch Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki erlebt haben und was dazu führte, dass sie den Betroffenenbeirat verlassen haben.

Es sei für ihn eine ganz neue Erfahrung gewesen: „Die beiden Visitatoren haben Empathie gezeigt. Sie führen einen Dialogstil, den ich so bei Woelki nie erlebt habe: offen und zugewandt“, berichtet Haucke von dem rund einstündigen Gespräch. Woelki hingegen habe sich immer in eine Verteidigungsstellung begeben. „Er hat unsere sachlichen Argumente nie angenommen, und vor allem hat er immer sehr stark emotionalisiert.“

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Gegipfelt ist das für Haucke in einer eiligst einberufenen Sitzung des Betroffenenbeirates im Herbst 2020. „Es hieß, der Kardinal brauche uns. Später ließ er sich dann von den Betroffenen eine Entscheidung absegnen, die er schon längst getroffen hatte: Das erste Missbrauchsgutachten nicht zu veröffentlichen. Da fühlte ich mich das zweite Mal missbraucht.“ Haucke trat als Sprecher des Betroffenenbeirates zurück und aus dem Gremium aus. Weitere Austritte folgten.

Haucke

War einer der fünf ausgewählten Betroffenen, die mit den päpstlichen Visitatoren im Maternushaus gesprochen haben: Karl Haucke.

Nicht zuletzt um diese Ereignisse ging es auch in dem Gespräch mit den vom Papst entsandten Visitatoren. Doch es sei nicht so gewesen, dass die Unterhaltung einem bereits im Vorfeld festgelegten Fragenkatalog gefolgt wäre. „Bitte erzählen Sie, was Ihnen wichtig ist“, habe die Aufforderung nach der Begrüßung gelautet. Kardinal Arborelius und Bischof Hans van den Hende saß demnach ein Notar zur Seite, der das Gespräch protokollierte. Nicht selten sei von den Visitatoren an ihn die Aufforderung ergangen: „Aufschreiben, aufschreiben.“ Beispielsweise als berichtet worden sei, wie es dem Betroffenenbeirat schwer gemacht wurde, eine Pressemitteilung über die Pressestelle des Bistums abzusetzen.

Leidensgeschichten fanden Platz

Auch die Leidensgeschichten der Betroffenen fanden Platz in den Gespräch. Haucke war Schüler des Bonner Collegium Josephinum und dort über Jahre einem pädophilen Gewalttäter ausgesetzt. „Ich habe versucht zu verdeutlichen, dass ich mein ganzes Leben darunter zu leiden habe, dass ich kein Vertrauen mehr zu Menschen aufbauen konnte – nicht zu meiner Frau und auch nicht zu meinen Kindern.“ Bei diesen Berichten hätten die Visitatoren sich dem jeweiligen Erzähler zugewandt. „Dieses aktive Zuhören, das habe ich bei Woelki immer vermisst“, sagt Haucke. Offen und zugewandt, so habe das Gespräch dann auch geendet. Es sei nochmals zwei Fragen an jeden Einzelnen gestellt worden: „Was ist aus Ihrer Sicht das Wichtigste? Was ist ihre Botschaft an den Vatikan.“

Wie geht es jetzt weiter?

Nach dem Gespräch mit den päpstlichen Visitatoren erhoffen sich die Missbrauchsopfer und deren Angehörige, dass ihre Aussagen und Forderungen an die Kirche auch Folgen haben werden. Aber wie geht es nun weiter? Laut Aussage der Teilnehmer an dem Treffen am Dienstagvormittag im Maternushaus in Köln soll die Mitschrift des mit anwesenden Juristen als Gesprächsprotokoll an den Papst übergeben werden. Einsicht in das Protokoll werden die Betroffenen, Stand jetzt, nicht haben. Das haben ihnen die Kardinäle auf Nachfrage am Dienstag mitgeteilt.

Wann im Vatikan über das Gespräch der Visitatoren mit den Betroffenen gesprochen wird, konnten die Teilnehmer nicht beantworten. „Uns wurde keine Perspektive aufgetan“, sagt Karl Haucke. Eine Erklärung aus Rom zu möglichen Entscheidungen werden sie persönlich nicht erhalten, das teilten sie nach dem Gespräch am Dienstag mit. (dhi)

Und was war die Botschaft der fünf ehemaligen Mitglieder des Betroffenenbeirates? Die Forderung, Kardinal Woelki müsse zurücktreten? Laut Haucke habe das keiner der Teilnehmer gefordert. Er selbst habe gesagt: „Ich wünsche mir vom Papst, dass er den Kardinal dazu auffordert, den Saustall wieder sauber zu machen, den er selbst mit verursacht hat.“ Das sei für ihn die Art der „Verantwortungsübernahme“ die er sich erwarte.

Zudem habe er gefordert, die Ausbildung der Priester müsse massiv verändert werden. Sie müssten auf Leitungsaufgaben, so sie für solche ernannte würden, auch vorbereitet werden. Für Haucke ist das eine wesentliche Lehre aus dem veröffentlichten Missbrauchsgutachten der Kölner Kanzlei Gercke. Habe es doch gezeigt: „Ob Generalvikar oder Bischof, sie kommen in diese Positionen, weil sie Priester sind. Vorbereitet auf die Aufgaben und Verantwortung werden sie nicht. Das wäre in jedem Unternehmen undenkbar.“