Greta Thunberg startete vor fünf Jahren eine Klimabewegung, die sich weltweit ausbreitete. Das kommt nicht überall gut an. Die nächste große Aktion ist aber schon geplant.
Start von „Fridays for future“Vor fünf Jahren startete Greta Thunberg eine Weltbewegung
Es war einekleine Aktion, die riesengroß wurde: Am 20. August 2018 setzte sich ein Mädchen vor den Reichstag in Stockholm, um von den Politikern ihres Landes mehr Klimaschutz einzufordern. Die damals 15-jährige Greta Thunberg traf damit international einen Nerv: Die Idee zum Klimaprotest schwappte in kürzester Zeit nach Deutschland und in alle Welt über, wo fortan Millionen Menschen für stärkeren Klimaschutz auf die Straße gingen. Die Klimabewegung Fridays for Future war geboren.
Fünf Jahre ist der Anfang dieser Proteste – Thunbergs weltberühmt gewordener „Schulstreik fürs Klima“ – an diesem Sonntag her. „So viel Aufmerksamkeit habe ich nicht erwartet. Das ist ganz schön groß geworden“, befand Thunberg bereits wenige Monate nach Streikbeginn. Doch es wurde noch viel größer – und die junge Schwedin wurde zum Klimagewissen der Welt, sie traf Obama, Merkel, Schwarzenegger.
Besonders gut zündete die Idee in Deutschland. „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“, riefen Abertausende vor allem junge Demonstranten bei Klimagroßprotesten in Berlin, Hamburg und Dutzenden weiteren Städten. Mit Folgen: Viele Fortschritte im Klimaschutz sind hierzulande erst dank des von Fridays for Future erzeugten Drucks möglich geworden.
Aus der Nische in die Mitte der Gesellschaft
Der auf 2030 vorgezogene Kohleausstieg zum Beispiel oder das Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2021, das der Bundesregierung aufgab, das Klimaschutzgesetz nachzubessern. Generell erfährt der Klimaschutz heute in der deutschen wie internationalen Politik viel mehr Aufmerksamkeit als noch 2018. Und kaum ein Unternehmen kommt noch daran vorbei, sich in irgendeiner Form zu Klima und Nachhaltigkeit zu bekennen – auch wenn manchen dabei Greenwashing vorgeworfen wird.
„Fridays for Future hat die Klimakrise von einem Nischenproblem zu einem Gesellschaftsproblem gemacht und in einem historischen Maße Mehrheiten für echte Lösungen gewonnen“, sagt die deutsche Aktivistin Luisa Neubauer. Auch habe sich gezeigt, „dass junge Menschen gemeinsam ungeahnte Macht entfalten können“, sagte die 27-Jährige.
Wie dringend Klimaschutz ist, zeigt sich gerade wieder in Form von etlichen Extremwetterereignissen. Sie reichen von Überschwemmungen in Norwegen, Slowenien und Österreich bis zu Hitzewellen in Südeuropa. „Dieses Jahr und besonders dieser Sommer, der Sommer 2023, muss ein Wendepunkt für das europäische Handeln gegen die Klimakatastrophe werden“, forderte Neubauer in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana. „Wir verlangen, dass die europäischen Führungspersönlichkeiten aufwachen angesichts dieser Krise.“
Diese Forderung haben Neubauer, Thunberg und Co. immer und immer wieder vorgebracht – dass die Klimakrise von Politik, Wirtschaft und Medien endlich wie eine Krise behandelt werden müsse. Dabei geht es nicht so schnell voran, wie es sie und auch viele Wissenschaftler einfordern.
Manche Klimaschützer hat das zu drastischeren Aktionen bewegt: Aktivisten der Gruppe Letzte Generation blockieren in Deutschland immer wieder Straßen und kleben sich an bekannten Kunstwerken fest, in anderen Ländern stören Aktivisten auch Großveranstaltungen. Sie halten solche Protestformen für notwendig, um der Gesellschaft die Dringlichkeit der Klimakrise klarzumachen – doch ob sie ihrer Sache damit helfen oder eher schaden, ist fraglich.
Unterstützung hat sich binnen zwei Jahren halbiert
Laut einer aktuellen Befragung der gemeinnützigen Organisation „More in Common“ hat sich das gesellschaftliche Bild zuletzt spürbar verändert. Die grundsätzliche Unterstützung für die Klima- und Umweltbewegung in Deutschland halbierte sich demnach von 2021 bis heute von 68 auf 34 Prozent.
Vor allem die Straßenblockaden werden weitgehend kritisch gesehen – trotz der Tatsache, dass viele Menschen die grundsätzliche Notwendigkeit von starkem Klimaschutz anerkennen. „Es ist vielen Menschen möglich, die konkreten Proteste in ihrer Machart abzulehnen und dennoch um die Bedeutung von Klimaengagement zu wissen“, betonte die Organisation.
Hat die Gesellschaft die Aktionen also über? Zumindest weckt der Begriff „Klimaschutz“ längst nicht mehr nur positive Assoziationen. „Das Wort Klimaschutz ist verbrannt“, sagte der Klimaforscher Mojib Latif dazu jüngst unserer Redaktion. Die Proteste der Letzten Generation seien ebenso „kontraproduktiv“ wie die Diskussion um das Heizungsgesetz. „Wenn die Leute das Wort Klimaschutz hören, gehen gleich die Alarmglocken an“, stellte Latif fest.
Das deutsche Klimaschutzgesetz sieht vor, schädliche Emissionen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Bis 2040 sollen sie um 88 Prozent sinken, 2045 soll Treibhausgasneutralität erreicht werden. Fridays for Future will weiter daran arbeiten, dass die Bundesregierung eigenständig ihre Klimaversprechen einhält – und „dass es uns nicht mehr braucht“, wie Neubauer sagt.
Und Thunberg? Aus dem jungen Mädchen mit den Pippi-Langstrumpf-Zöpfen ist längst eine erwachsene Frau geworden. Vor knapp vier Wochen wurde die 20-Jährige in Schweden selbst zu einer Geldstrafe verdonnert, weil sie bei einem Klimaprotest im Ölhafen von Malmö die Anweisungen der Polizei nicht befolgt hatte.
Darüber hinaus hat sie in diesem Sommer erfolgreich die Schule beendet – ihr „Schulstreik“ ist damit technisch betrachtet vorbei, ihr freitäglicher Klimaprotest aber ganz und gar nicht. Am 15. September wird sie dabei wieder Unterstützung aus aller Welt erhalten: Dann plant Fridays for Future die nächsten globalen Klimaproteste – natürlich an einem Freitag. Und dabei wird es auch darum gehen, die Massen wieder vom Klimaschutz zu begeistern. (dpa)