Wie denken die Deutschen in der Panzerdebatte – und warum sind die Anhänger der Grünen so entschieden für derartige Lieferungen? Raimund Neuß fragte Forsa-Chef Manfred Güllner.
Forsa-Chef über Panzer-Debatte„Die Grünen sind Opportunisten“
In Ihrer letzten Erhebung haben sich 54 Prozent von 1000 Befragten dafür ausgesprochen, die Lieferung von Leopard-Panzern durch andere Staaten an die Ukraine zu genehmigen. Gibt es da jetzt Bewegung?
Ja, es gibt eine gewisse Entwicklung in Richtung Ja zu Panzerlieferungen. Das verläuft bei den Bürgern so ähnlich wie beim Kanzler, nämlich sehr zögerlich. Vor allem wegen der Angst, dass der Krieg sich ausweitet. Deshalb war man zunächst gegen die Lieferung von schweren Waffen, das hat sich dann abgemildert, dann war man für die Lieferung von Schützenpanzern. Jetzt geht es darum, dass andere liefern und nicht man selbst, damit tut man sich etwas leichter. Das alles aber zeigt die große Unsicherheit bei den Menschen.
Und wenn man fragen würde, ob wir selbst liefern sollten? Andere Institute sehen ja auch dann eine leichte Mehrheit dafür.
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Die Meinung ist immer noch gespalten. Es mag allenfalls mal einen kleinen Vorsprung für die Lieferung geben, aber keine Riesenmehrheit. Außer bei den Anhängern der Grünen, der einstigen Friedenspartei, jetzt eher Kriegspartei.
Hauptziel der Grünen: Beteiligung an der Staatsmacht
Und warum ticken die Grünen-Anhänger da so komplett anders?
Die Grünen sind Opportunisten; denn ihr Hauptziel war und ist die Beteiligung an der Staatsmacht. Seinerzeit haben sie Helmut Schmidt und seinen Doppelbeschluss intensiv bekämpft, heute argumentieren sie wie damals Schmidt und geben vor, mit Waffen Frieden schaffen zu können.
Aber was ist daran opportunistisch? Die Grünen argumentieren da ja nicht gerade wie die große Mehrheit.
Sie haben ja nie Mehrheitsmeinungen vertreten. Mehrheitlich waren die Deutschen zum Beispiel nie gegen Atomkraft. Die Grünen haben nur immer versucht, ihre Minderheitsmeinung zur Mehrheitsmeinung zu machen. Und jetzt folgen sie dem Kurs von Außenministerin Annalena Baerbock.
Koalitionsstreit trifft auf Unverständnis
Sie sagten eben, die Deutschen machen es eigentlich so wie ihr Kanzler. Wie kommt der denn bei den Leuten an?
Scholz findet mit seinem Verhalten in der Ukraine-Krise große Zustimmung: mit seinem Zögern, seiner Besonnenheit, der Abstimmung mit den Alliierten. Kritisch gesehen wird das Agieren der Regierung in der Energiekrise.
Und der Streit über die Ukraine-Politik in der Koalition?
Es trifft auf Unverständnis, dass die Politiker sich in einer die Menschen so beunruhigenden Frage derart verhalten. Das drückt auch auf die Vertrauenswerte für die Ampel. An die Energiekrise hat man sich gewöhnt, aber der Ukraine-Krieg rangiert in unserem Themenradar unverändert weit oben.
Wie kommt es eigentlich, dass Kampfpanzer das Meinungsbild so spalten? Wir haben doch schon Haubitzen und Raketenwerfer geliefert.
Die wenigsten Befragten sind Panzerexperten und können etwa genau sagen, was Kampf- und Schützenpanzer unterscheidet. Deshalb gibt es kein stabiles Meinungsbild, sondern es herrscht eher Ratlosigkeit.
Angst vor Eskalation, Mitleid mit den Ukrainern
Nur 16 Prozent sagen, die Ukraine müsse den Krieg gewinnen. Warum dann überhaupt Waffenlieferungen?
Zum einen ist da die große Angst vor einer Eskalation bis zum hin zum Dritten Weltkrieg. Andererseits hat man Mitleid mit den Ukrainern, deshalb dann doch Waffenlieferungen. Aber eigentlich hofft man, dass der Krieg letztlich durch Verhandlungen beendet wird und so die Angst genommen wird, die über dem ganzen Kriegsgeschehen schwebt.
In Nord- und Osteuropa, auch bei den Briten sind Waffenlieferungen populärer als bei uns. Was ist bei uns anders?
Nach dem Zweiten Weltkrieg sind die Deutschen nicht nur zu Demokraten geworden, sondern auch zu Pazifisten. Deshalb haben sie auch Auslandseinsätze der Bundeswehr nur zögernd befürwortet. Und das Russland-Bild war immer positiv - das haben wir regelmäßig untersucht. Die Mehrheit hielt auch die Pipelines Nord Stream 1 und auch 2 für richtig. Und Präsident Wladimir Putin hatte ein recht gutes Ansehen, weil er Russland Stabilität gebracht hatte. Um diese positive Bild zu revidieren, brauchen die Deutschen eine Weile.