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Finanzminister im InterviewWie wollen Sie 60 Milliarden sparen, Herr Lindner?

Lesezeit 5 Minuten
01.07.2022, Berlin: Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, stellt den Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2023 und den Finanzplan bis 2026 in der Bundespressekonferenz vor. Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen. Foto: Kay Nietfeld/dpa

So denkt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) über neue Sozialabgaben, das Heizungsgesetz und die Stimmung in der Koalition.

Zur Halbzeit ist die Zustimmung für die Ampel-Koalition im Sinkflug. Teilen Sie die Einschätzung von Kanzler Olaf Scholz in Meseberg, dass die Menschen nur noch nicht erkannt haben, was Sie alles Gutes tun?

So habe ich Olaf Scholz nicht verstanden. Richtig ist aber, dass wir vieles auf den Weg bringen. Der Energieschock des vergangenen Jahres hat nicht zu Existenzverlusten geführt. Wir bringen mehr Kontrolle in die Einwanderungspolitik. Wir geben der Wirtschaft Impulse.

Ist das Schlecht-Übereinander-Reden dann die Ursache für die Unzufriedenheit mit dieser Regierung?

Wir reden nicht schlecht übereinander. Aber wir haben eben teilweise andere Vorstellungen. Die FDP will den einzelnen Menschen stark machen, weil wir auf Freiheit und Eigenverantwortung vertrauen. Unsere Koalitionspartner setzen oft eher auf Gleichheit und Staat. Wenn die einen also jeden Tag Steuererhöhungen, neue Schulden, Umverteilung oder Verbote vorschlagen, werden die anderen daran erinnern, dass sie Steuern senken, die Kernkraft als Reserve erhalten und eher in Bildung investieren wollen. So ist Demokratie.

Halten Sie die Kindergrundsicherung wie Ihr Fraktionskollege Frank Scheffler auch für „Sozialklimbim“?

Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen Kinderarmut und der Einwanderung seit 2015

Ich habe viel Zeit investiert, die Kindergrundsicherung gut zu verhandeln. Meine Sorge war, dass wir durch hohe Geldzahlungen an Eltern die Arbeitsanreize reduzieren, ohne wirklich etwas für die Kinder zu erreichen. Es gibt ja einen klaren Zusammenhang zwischen Kinderarmut und der Einwanderung seit 2015. Im Ergebnis gibt es keine pauschale Leistungserhöhung, Arbeit lohnt sich weiter, Sachleistungen zum Beispiel für Schulausflüge bleiben erhalten. Aber wir erleichtern den Zugang zu Unterstützung, auf die Menschen ein Recht haben.

Die Union kritisiert, dass mit der Anhebung des Bürgergeldes und der Kindergrundsicherung der Anreiz wegfallen könnte zu arbeiten...

Die Union hat diesen Mechanismen selbst zugestimmt. Die Sorge ist zwar berechtigt, aber weniger als vor einigen Jahren. Denn wir haben Erwerbsanreize verbessert. Dennoch müssen wir die Gesamtwirkung unseres Sozialstaats ansehen. Existenznot muss er verhindern, aber die Inanspruchnahme seiner Leistungen darf kein Dauerzustand sein. Deshalb haben wir verabredet, dass der Lohnabstand und der Arbeitsanreiz wissenschaftlich untersucht werden. Wenn der Arbeitsminister diese Untersuchung bald vorlegt, werden wir schauen, ob sich daraus Konsequenzen ergeben. Jedenfalls muss derjenige, der arbeitet, immer spürbar mehr haben, als diejenigen, die nicht arbeiten.

Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer ist überzeugt, dass es der falsche Weg ist, alte Arbeitsplätze über einen Industriestrompreis zu subventionieren. Das würde den nötigen Strukturwandel aufhalten. Ist das auch Ihre Position?

Nein, es ist nicht weise, ganze Branchen und Industrien aufzugeben. Aber die Instrumente müssen stimmen. Milliarden Subventionen für wenige große Konzerne, die der Mittelstand und die Menschen bezahlen müssen, wären eine Wettbewerbsverzerrung. Das Grundproblem würde verschärft, da die subventionierte Nachfrage das Angebot für alle anderen verknappt. Wir beschleunigen also besser den Bau von neuen Kraftwerken und setzen auf Effizienz.

Was wir tun, muss ökonomisch vernünftig sein.

Wäre ein Signal in Sachen Strompreis trotzdem notwendig?

Zunächst halte ich fest, dass jetzt diejenigen hohe Strompreise beklagen, die vor kurzem noch gegen unseren Rat drei sichere und saubere Kernkraftwerke vom Netz genommen haben. Ich bin aber offen für Maßnahmen, auch bei der Stromsteuer. Es gibt nur die drei Bedingungen, dass wir bei allem die Schuldenbremse achten, Wettbewerbsverzerrungen vermeiden und keine Fehlanreize setzen, nicht weiter die Effizienz zu verbessern. Kurz gesagt, was wir tun, muss ökonomisch vernünftig sein.

Insgesamt gibt es so viel Staatsgeld für die Wirtschaft wie nie zuvor. Ist das auf Dauer der richtige Weg?

Das kann nur übergangsweise sein. Der Vorwurf, ich als Finanzminister würde zu wenig Investitionen erlauben, trifft aber offensichtlich nicht zu. Die Finanzhilfen konzentrieren sich zu knapp 90 Prozent auf Bereiche, die für Klimaschutz und Energieeffizienz entscheidend sind. Das ist erforderlich, damit unser Land gut durch die Modernisierung kommt. Mir ist wichtig, dass Finanzhilfen befristet sind und es dabei nicht zu einer Vorfestlegung auf bestimmte Technologien kommt, sondern dass es weiter einen marktwirtschaftlichen Wettbewerb um die besten Lösungen gibt.

Nächste Woche berät der Bundestag über den Haushalt. Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft zufolge müssten Sie bis 2027 rund 60 Milliarden Euro einsparen, um die Schuldenbremse einzuhalten. Wie wollen Sie das schaffen?

Die Zahlen des Instituts kann ich so nicht bestätigen. Eines habe ich allerdings bereits mehrfach gesagt: Das Jahrzehnt der Verteilungspolitik ist beendet, es muss ein Jahrzehnt des Erwirtschaftens folgen. In jedem der kommenden Jahre haben wir einen Handlungsbedarf von fünf Milliarden Euro zusätzlicher Einsparungen ausgewiesen. Mehrausgaben kann es also nur geben, wenn es Gegenfinanzierungen gibt.

Die FDP hat in dieser Koalition vieles mitgetragen, was ihr im Grundsatz widerstrebt.

Kindergrundsicherung, höheres Bürgergeld und das Wachstumschancengesetz von Ihnen verursachen jährliche Mehrkosten in Milliardenhöhe. Muss dafür dann an anderer Stelle der Rotstift angesetzt werden?

Dafür haben wir schon eine Vorsorge im Haushaltsentwurf getroffen, die das Meiste abdeckt.

Das Heizungsgesetz soll nach langer Diskussion nun nächsten Freitag im Bundestag verabschiedet werden. Wird es dazu kommen, oder gibt es Ihrerseits noch Bedenken?

Das Heizungsgesetz ist jetzt praxistauglich. Wir haben es grundlegend verändert, indem es mit der kommunalen Wärmeplanung verzahnt wird. Man kann die Menschen nicht zu etwas verpflichten, bevor nicht der Staat alle seine Aufgaben erledigt hat. Es ist außerdem technologieoffen, denn nicht jedes Gebäude ist für eine Wärmepumpe geeignet.

Ist es jetzt ein gutes Gesetz, hinter dem Sie auch persönlich stehen können?

Ja. Es ist kein Gesetz mehr, vor dem Menschen Angst haben müssten, weil der Staat in ihren Heizungskeller steigt. Die FDP hat in dieser Koalition vieles mitgetragen, was ihr im Grundsatz widerstrebt.