Köln – Ein Rücktrittsangebot aus „innerer Freiheit“, zuvor eine Auszeit auf eigenen Wunsch – seine früheren Aussagen werden dem Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki vorgehalten, nachdem der Papst hat aus dem Nähkästchen geplaudert hat. „Als die Situation sehr turbulent war, bat ich den Erzbischof, für sechs Monate wegzugehen, damit sich die Dinge beruhigten und ich klarer sehen konnte“, hat Franziskus bekanntlich berichtet, und: „Als er zurückkam, bat ich ihn, ein Rücktrittsgesuch zu verfassen. Er tat dies und gab es mir.“
Nach Angaben des Erzbistums Köln hat Woelki die Dinge korrekt dargestellt, seine Aussagen und die des Papstes seien mit einander vereinbar. Was wurde vom wem wann mitgeteilt? Ein Faktencheck.
Die Auszeit
„Wie Kardinal Woelki bereits vor einiger Zeit ausgeführt hat, hatte er tatsächlich den Wunsch, angesichts der starken Belastung, die großen, 30-tägigen Exerzitien nach dem hl. Ignatius von Loyola zu machen“, hat das Erzbistum Köln am Dienstagabend erklärt: „Dass daraus aber eine viereinhalbmonatige Auszeit wurde, geht auf den Wunsch des Heiligen Vaters zurück.“
Vom Wunsch des Heiligen Vaters war aber nicht die Rede, als Woelki am 24. September 2021 über seine Auszeit sprach. Damals sagte er, er habe dem Papst „von einem länger in mir gereiften Gedanken berichtet“: „Nämlich, dass ich gerne eine längere Auszeit nehmen würde, um die Geschehnisse und die Ereignisse der vergangen Monate für mich einzuordnen, aufzuarbeiten, geistlich aufzuarbeiten, sie ins Gebet zu bringen, um auch Wege für mich zu finden, die in die Zukunft weisen können, wie wir hier miteinander im Erzbistum zukünftig als Kirche von Köln unterwegs sein können und unterwegs sein wollen.“
Der Papst habe das sehr gut gefunden und „und mir eine solche Zeit dann auch zugestanden - die ich etwa von Mitte Oktober bis zur Mitte der österlichen Bußzeit mir nehmen werde“. Er, Woelki, sei dem Papst dafür sehr dankbar.
„Realitätsfremde“ Bischofskongregation
Kardinal Woelki habe den Papst als alt und realitätsfremd bezeichnet, wurde ihm nach einer Sitzung des Diözesanpastoralrats im April vorgehalten. Woelki rückte das gerade – und machte damit öffentlich, dass die Bischofskongregation ihm mit „realitätsfremder“ Begründung seine Auszeit auferlegt hatte.
Die Behörde, so Woelki, habe ihm vorgeworfen, direkt nach der Vorstellung des Gercke-Gutachtens über den Umgang mit sexualisierter Gewalt zwei Mitarbeiter beurlaubt zu haben. Gemeint waren Weihbischof Dominikus Schwaderlapp und Offizial Günter Assenmacher. Woelki habe wie ein Politiker gehandelt, der Weg der Kirche sei aber der der Umkehr und Buße. Den müsse er jetzt selbst gehen und eine Auszeit nehmen.
Er, Woelki, habe der Kongregation (also nicht dem Papst selbst) geantwortet: „Wer soll das verstehen? Das ist doch völlig realitätsfremd!“ Zum Papst sagte er: „Ich wollte mich nicht hinter diesem alten Mann verstecken, der wahrscheinlich die aufgeheizte Stimmung nicht richtig einzuschätzen vermochte.“
Die Nuntiatur, die Vertretung des Heiligen Stuhls in Berlin, hatte zuvor erklärt, Erzbischof und Erzbistum bedürften „einer Zeit des Innehaltens, der Erneuerung und Versöhnung“: „Das hat Papst Franziskus dazu veranlasst, Kardinal Rainer Maria Woelki, auf dessen eigenen Wunsch, eine geistliche Auszeit zu gewähren, beginnend Mitte Oktober bis zum Beginn der Österlichen Bußzeit des kommenden Jahres.“
In beiden Texten ist also von einer Zeit auf eigenen Wunsch die Rede – Papst Franziskus korrigiert nun auch die eigene offizielle Mitteilung. Woelki selbst hat übrigens schon im April wissen lassen, dass die Auszeit nicht ganz freiwillig war (siehe Infokasten). Die Auszeit-Idee sei nicht von ihm ausgegangen, er habe sie aber von Anfang an mitgetragen.
Das Rücktrittsangebot
„Der Papst hat die Bitte geäußert, Kardinal Woelki möge das Amt als Erzbischof von Köln zur Verfügung zu stellen, der Kardinal hat diese Bitte mit in sein Gebet genommen und dann in der Haltung innerer Freiheit den Amtsverzicht angeboten“, erklärt das Erzbistum. So sei es auch kommuniziert worden – ein Satz, der sich aber nur auf den letzten Teil der Ausführungen beziehen kann. Denn von einer Bitte des Papstes war in der Pressemitteilung zu Woelkis Rückkehr am Aschermittwoch keine Rede.
Der Erzbischof habe dem Papst seinen Amtsverzicht angeboten, hieß es dort nur. „Der Papst wird darüber zu gegebener Zeit entscheiden.“ In einem Hirtenbrief ging Woelki allerdings weiter, berichtete vom geistlichen Ertrag seiner Exerzitien und fuhr fort: „Als Ausdruck dieser Haltung innerer Freiheit habe ich dem Heiligen Vater meinen Dienst und mein Amt als Erzbischof von Köln zur Verfügung gestellt, so dass auch er frei ist, zu entscheiden, was dem Wohl der Kirche von Köln am meisten dient.“ Auch hier keine Rede von einer Bitte des Papstes.
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Zur allgemeinen Praxis in der katholischen Kirche gehört es, dass Mitteilungen zu so zentralen Personalien vom betroffenen Bistum mit dem Heiligen Stuhl abgestimmt werden. Auch begleitende Texte wie das Hirtenwort werden vorab vorgelegt. Nach Einschätzung informierter Kreise war dies auch hier der Fall: Rom hat die Kölner Kommunikationslinie samt den Ausführungen über die innere Freiheit offenbar nicht beanstandet.