Im Vergleich zu anderen Wahlen, vor allem der Bundestagswahl, stößt die Europawahl auf eher mäßiges Interesse. Dabei geht es um entscheidende Fragen. Und um die Zukunft einer Union, die viel mehr ist als ein Abkommen zum gegenseitigen wirtschaftlichen Vorteil.
EuropawahlWarum vermeintliche Denkzettelwahlen so gefährlich sind
Es ist gewiss ein zufälliges Zusammentreffen im Kalender – aber welch ein glückliches. Am Donnerstag, dem 80. Jahrestag der alliierten Landung in der Normandie, hatte mit der Abstimmung in den Niederlanden die Europawahl begonnen, eine der größten demokratischen Wahlen der Welt. 360 Millionen Menschen sind dazu aufgerufen, davon fast 65 Millionen heute, drei Tage nach dem Normandie-Jubiläum, in Deutschland.
Welch eine Entwicklung. 80 Jahre nach der Militäroperation, die den endgültigen Zusammenbruch von Adolf Hitlers Terrorherrschaft einleitete, leben die meisten Europäer in Frieden und Freiheit. Auch in vielen jener Länder, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges unter sowjetische Zwangsherrschaft geraten waren. Gut 60 Prozent aller Europäer wohnen in Staaten, die der EU angehören, und über Partnerschaften sichert diese Organisation Frieden und Wohlstand weit über den Bereich der eigenen Mitglieder hinaus.
Ein historisch beispielloses Friedensprojekt
Viel zu oft wird die EU nach den Maßstäben reiner Kosten-Nutzen-Rechnungen beurteilt. Natürlich kann man das tun und wird herausfinden, dass die EU-Mitgliedschaft auch für Nettozahler wie Deutschland ein grandioses Geschäft ist. Aber die EU ist eben viel mehr als ein völkerrechtlich kodifiziertes Geschäft zum gegenseitigen Vorteil. Sie ist ein historisch beispielloses Friedensprojekt.
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Deshalb ist es verfehlt, eine mögliche Erweiterung der EU um neue Mitglieder – etwa um die Westbalkanländer, Moldawien, die Ukraine – allein mit dem Blick auf den eigenen Staatshaushalt zu bewerten. Ja, die Sicherung des Friedens ist teuer. So wie auch der Widerstand gegen den Gewaltherren Wladimir Putin teuer ist. Unfassbar, dass AfD-Chef Tino Chrupalla im Bundestag statt der EU in ihrer heutigen Form eine Partnerschaft „von Wladiwostok bis Lissabon“ mit diesem Aggressor fordert.
Wer also glaubt, bei der Europawahl gehe es eigentlich um nichts, und deshalb könne man ruhig mal durch die Wahl von Populisten und Extremisten Denkzettel an vermeintlich Etablierte verteilen, der hat erstens die Rechtsordnung der EU nicht verstanden, in der dem Europaparlament eine zentrale Rolle zukommt. Und zweitens vergisst er – oder sie –, welche Gefahr von Blockflöten ausgeht, die nach russischen oder auch chinesischen Tonsätzen spielen. Entsprechend verantwortungsbewusst sollten wir alle heute mit unserer Stimme umgehen.