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Ermittlungen gegen Kölns KardinalWie Rechtsexperten Woelkis Lage einschätzen

Lesezeit 4 Minuten
05.10.2022, Vatikan, Vatikanstadt: Kardinal Rainer Maria Woelki nimmt an der wöchentlichen Generalaudienz mit dem Papst auf dem Petersplatz im Vatikan teil.

Kardinal Rainer Maria Woelki

Führenden Kirchenrechtlern zufolge spitzt sich die Lage für Rainer Maria Kardinal Woelki derzeit erheblich zu. Ermittelt wird gegen ihn wegen des Verdachts der Falschaussage. Was steckt dahinter?

Nachdem eine frühere Mitarbeiterin von ihm den Geistlichen stark belastet hat, ermittelt nun die Staatsanwaltschaft. Woelki soll sich der Falschaussage schuldig gemacht haben.

Der Vorsitzende der Unabhängigen Aufarbeitungskommission für das Erzbistum Köln, Professor Stephan Rixen, hält die Frau, die sich erstmals öffentlich geäußert hat, für „eine Top-Zeugin, deren Aussage Gewicht hat.“ Er hoffe, dass die Staatsanwaltschaft in der Sache schnell ermittele. Für viele Betroffene sexueller Gewalt könne sich nun der Eindruck verstärken, „dass Verantwortungsträger in der Kirche möglicherweise sehr flexibel mit der Wirklichkeit umgehen“, sagt der Direktor des Instituts für Staatsrecht der Universität zu Köln der Rundschau. „Das wird, wie ich vermute, für viele ein weiterer Anlass für Wut und Enttäuschung sein – und es wird wahrscheinlich auch viele geben, die es gar nicht überrascht.“

Papst Franziskus äußert sich nicht zu den Kölner Vorgängen

Rixen hält es jedoch für unwahrscheinlich, dass Papst Franziskus seine Meinung über Woelkis Rücktrittsgesuch ändern werde: „Der Papst macht leider nicht den Eindruck, als würde es ihn interessieren, was hier in Köln passiert.“

Der Münsteraner Theologe und Kirchenrechtler Thomas Schüller sieht das anders. „Das ist jetzt der absolute Supergau für Herrn Woelki und das Erzbistum Köln – selbst wenn das Verfahren eingestellt würde. Der Kardinal hat jegliche Glaubwürdigkeit und jegliches Ansehen verspielt und ist völlig gescheitert. Die Leute wollen nun wissen, ob er in seiner eidesstattlichen Erklärung zum Fall Pilz nachweislich gelogen hat. Wenn der Kardinal vor Gericht verurteilt werden sollte, dann ist er nicht mehr zu halten. Spätestens dann muss der Vatikan reagieren“, erklärte er auf Anfrage der Rundschau.

Anzeige gegen Woelki von drei Priestern

Dem früheren „Sternsinger“-Chef Pilz wird sexuelle Gewalt gegen junge Männer vorgeworfen. Nachdem Woelki die eidesstattliche Versicherung in dem Fall abgegeben hatte, zeigten ihn drei Priester wegen Falschaussage an. Allerdings lehnte die Kölner Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen zu geringen Anfangsverdachts gegen den Kardinal bislang ab.

Das hat sich nun geändert, die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen. Hintergrund der aktuellen Entwicklung ist, dass in einem Interview dem Kardinal erneut vorgeworfen wurde, in einem presserechtlichen Verfahren gegen die „Bild“-Zeitung nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte die ehemalige Assistentin des früheren Personalchefs im Erzbistum, es sei „nicht wahr“, dass Woelki erst ab der vierten Juni-Woche 2022 mit dem Fall des früheren „Sternsinger“-Chefs Winfried Pilz befasst gewesen sei. 2015 habe sie eine Liste mit den Namen von 14 Priestern erstellt, denen Missbrauch angelastet wird, darunter auch der Name Pilz . Ihr Vorgesetzter habe die Liste zu einem Termin mit Woelki mitgenommen. Nach der Sitzung mit Woelki habe sie von ihrem Chef wissen wollen, wie dieser auf die Liste reagiert habe. „Das hat den Kardinal überhaupt nicht interessiert“, habe er geantwortet.

Offizielle Ermittlungen gegen Kardinal Woelki eingeleitet

Die Kölner Staatsanwaltschaft hat nun offiziell ein Ermittlungsverfahren gegen den Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Woelki, eingeleitet. Dies bestätigte Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn der Kölnischen Rundschau am Mittwochnachmittag. Es gehe um den Anfangsverdacht einer falschen eidesstattlichen Versicherung. Am Mittwochnachmittag fuhr Willuhn ins Kölner Polizeipräsidium, um dort mit den zuständigen Ermittlern die weitere Vorgehensweise zu besprechen. Die Staatsanwaltschaft sagte noch am Mittwochvormittag, dass sie die neuen Vorwürfe gegen Kardinal Rainer Maria Woelki prüfe. Man sei von Amts wegen aktuell mit der Prüfung befasst, ob man nunmehr in förmliche Ermittlungen eintrete, teilte Oberstaatsanwalt Willuhn zunächst mit. Mehrere Stunden später dann die Wende: Die Anklagebehörde ermittelt offiziell gegen den Erzbischof. Das Erzbistum Köln weist die Vorwürfe zurück. „Auch dieser erneute Versuch, Kardinal Rainer Maria Woelki eine falsche Eidesstattliche Versicherung zu unterstellen, ist unbegründet.“ (kna/ta/crb/dhi)


MARIA 2.0 ruft zu Firm-Streik auf

Die innerkirchliche Reformbewegung Maria 2.0 ruft die Gemeinden im Erzbistum Köln dazu auf, Firmtermine mit Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki und den amtierenden Weihbischöfen bis auf weiteres abzusagen. „Bei den neuesten Enthüllungen der Verwaltungsleiterin Hildegard Dahm wird deutlich, wie viel seit Jahren über die Täter sexueller Gewalt in den höchsten Leitungskreisen bekannt war. Kein Erzbischof, kein Weihbischof, kein Generalvikar und kein Personalchef kann jetzt noch sagen, er habe von nichts gewusst“, sagt dazu Bernadette Rüggberg, Sprecherin von Maria 2.0.

Laut Maria-2.0-Mitglied Marianne Arndt komme es schon jetzt in vielen Gemeinden dazu, dass Jugendliche für sich eine Firmung nicht mehr in Betracht zögen mit Verweis auf die Krise im Bistum.

Zudem erklärt Arndt, dass sich die Reformbewegung Maria 2.0 mit der er ehemaligen Assistentin des Personalchefs in der Bistumsleitung, Hildegard Dahm, solidarisch erklärt für den Fall, dass der heutigen Verwaltungsleiterin wegen ihrer Aussagen über Interna aus ihrem damaligen Zuständigkeitsbereich in der Bistumsverwaltung personalrechtliche Konsequenzen angedroht würden.