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Ermittlungen gegen WoelkiWas es mit der Razzia beim Erzbistum Köln auf sich hat

Lesezeit 5 Minuten
Ein Klingelschild mit dem Namen Woelki und ein Schild mit der Aufschrift "erzbischöfliches Haus Pforte"

Plötzlich klingelt die Polizei: Am Dienstagmorgen durchsuchten Ermittler die Räumlichkeiten in Köln.

Ermittler durchsuchten am frühen Dienstagmorgen mehrere Objekte des Kölner Erzbistums, darunter den Wohnsitz von Rainer Maria Woelki. Hintergrund ist ein Verdacht wegen Meineids.

Die Fahnder hatten ihre Autos am frühen Dienstagmorgen ein Stück weit vom Erzbischöfliches Haus an der Kardinal-Frings-Straße geparkt und sondierten die Lage erst aus der Ferne. Um kurz vor acht Uhr fuhren dann zwei zivile Fahrzeuge am Dienstsitz vom Kardinal Rainer Maria Woelki vor. Ein schwarzes Auto fährt direkt vor das Tor, ein Mann steigt aus, schaut auf das Klingelschild und drückt. Dann vergehen zwei bis drei Minuten. Das zweite Auto mit der Staatsanwaltschaft und weiteren Beamten wartet derweil auf der gegenüberliegenden Seite. Nun kommt eine Bedienstete an den Eingang und der Ermittler stellt sich vor. Wieder vergehen zwei Minuten und dann kommt der Kardinal persönlich. Es kommt zum kurzen Gespräch mit den Einsatzkräften, und Woelki öffnet die Tür zum Vorhof seines Dienstsitzes.

Durchsuchung im Erzbistum Köln

Kardinal Woelki bekommt an seinem Dienstsitz in Köln Besuch von Ermittlern.

Direkt danach greift der Kardinal zum Handy und telefoniert. Als er bemerkt, dass er gefilmt und fotografiert wird, verschwindet er hinter einer Mauer. Erst Stunden später verlassen die Einsatzkräfte den Dienstsitz.

Razzia ohne Zwischenfälle

Mehrere Monate haben die Ermittlungsbehörden die Razzia vorbereitet, Zeugen vernommen und viele Akten studiert. Rund eine Stunde nach dem Beginn der Durchsuchung gingen die Behörden an die Öffentlichkeit und teilten mit, was sie am Dienstagmorgen machten. „Staatsanwaltschaft und Polizei haben am Dienstagmorgen mehrere Objekte des Erzbistums Köln und seines E-Mail-Dienstleisters durchsucht“, heißt es in eine Pressemitteilung. Hintergrund der Razzia seien Ermittlungen gegen den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki wegen des Vorwurfs des Meineids und möglicher falscher eidesstattlicher Versicherungen. Durchsucht wurde laut Staatsanwaltschaft seit 8 Uhr an sechs Orten: vier davon in Köln und je einer in Kassel und Lohfelden (Nordhessen). So wurden außer dem Erzbischöflichen Haus auch die Räume des Generalvikariats an der Marzellenstraße und des Kirchengerichts (Offizialat) auf dem Roncalliplatz untersucht. „Die Maßnahmen verliefen ohne Zwischenfälle und trafen an den jeweiligen Durchsuchungsorten weitgehend auf Kooperation“, teilte die Behörde mit. Rund 30 Polizistinnen und Polizisten seien beteiligt gewesen.

Das Erzbistum Köln wandte sich in einer Presseerklärung gegen Vorverurteilungen. Erfahrungsgemäß werde es eine geraume Zeit in Anspruch nehmen, bis das Ergebnis der Durchsuchungen vorliege: „Bis dahin bitten wir die Öffentlichkeit, eine ergebnisoffene Untersuchung nicht zum Anlass zu nehmen, Vorverurteilungen auszusprechen.“ Auch die Staatsanwaltschaft wies auf die Unschuldsvermutung hin. Die Maßnahmen dienten der Erhellung eines Anfangsverdachtes und richteten sich auf die Festellung be- wie entlastender Umstände.

In der Sache geht es darum, ab wann Woelki nähere Kenntnisse über zwei Missbrauchsfälle hatte. Zum einen betrifft es den Fall des Ex-Präsidenten des Kindermissionswerks „Die Sternsinger“, den 2019 verstorbenen Winfried Pilz. Der Geistliche verbrachte seinen Ruhestand im Bistum Dresden-Meißen, das schon von Woelkis Vorgänger, Kardinal Joachim Meisner, nicht über die Vorwürfe informiert worden war. Der Kardinal wehrt sich mit eidesstattlichen Versicherungen gegen die Darstellung der „Bild“-Zeitung, sich gegen ein Nachholen der Meldung entschieden zu haben. Von den Vorwürfen gegen Pilz habe er erst Ende Juni 2022 erfahren – also wenige Tage bevor das Erzbistum Köln den Fall öffentlich machte.

Der andere Fall bezieht sich auf einen von Woelki beförderten Priester. Woelki wehrt sich ebenfalls in Form einer eidesstattlichen Versicherung gegen die „Bild“-Darstellung, er habe bei der Beförderung im Jahr 2017 eine Polizeiwarnung vor einem Einsatz des Priesters in der Jugendarbeit sowie ein Gesprächsprotokoll mit Vorwürfen eines Mannes gekannt. Diese Aussage wiederholte er bei einer Verhandlung vor dem Landgericht Ende März und beeidete sie auf Drängen des Axel-Springer-Verlags.

Nach der Durchsuchung ließen teils scharfe Reaktionen nicht lange auf sich warten: SPD-Landtagsfraktionschef Jochen Ott forderte den Vatikan auf, den Kölner Kardinal endlich abzulösen. „Das ist ein weiterer Akt in dieser traurigen Geschichte“, sagte der Oppositionsführer im nordrhein-westfälischen Landtag. „Papst Franziskus muss sich im Klaren sein, was für einen Erdrutsch diese Vertrauenskrise in vielen Gemeinden gerade auslöst“, betonte Ott. „Es sind insbesondere auch viele konservative Christen, die schlicht die Schnauze voll haben.“ Die Kollateralschäden gingen über das Kölner Erzbistum und über die katholische Konfession hinaus.

Auswertung wird Monate andauern

Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn teilte am Dienstagnachmittag mit, dass bei der Razzia umfangreiche Schriftstücke und Dateien sichergestellt worden. Über die Größenordnung des sichergestellten Materials und des Datenvolumens könne er derzeit genauso wenig sagen wie über die Dauer der anstehenden Auswertung. Die Kartons seien noch nicht ansatzweise sortiert. Die Bearbeitung werde einen längeren Zeitraum andauern. „Ich will nicht sagen, dass es Jahre dauern wird. Aber mehrere Monate wird es schon dauern“. Auf die Frage nach dem Ausgang der Ermittlungen, sagte Willuhn: „Wir wissen noch nicht, wohin die Reise geht“.

Die Staatsanwaltschaft bezeichnete ihr Vorgehen als alternativlos. Um die in der Öffentlichkeit stark beachteten Vorwürfe gegen Kardinal Rainer Maria Woelki aufzuklären, habe es keine andere Möglichkeit zu den Durchsuchungen der Gebäude des Erzbistums und seiner E-Mail-Dienstleister gegeben, sagte Willuhn weiter. Es sei ein sehr komplexer Sachverhalt. Die zuvor zahlreich vernommenen Zeugen hätten „uns nicht wirklich viel weiter gebracht“. Dass die Vorwürfe rund um denn Kardinal in der Öffentlichkeit stark beachtet werden, war am Dienstagvormittag deutlich zu erleben. Viele Medienvertreter waren früh vor Ort. Auf einem Bürogebäude gegenüber dem Dienstsitz des Kardinals wurde die Polizeiaktion bei einem Kaffee auf der Terrasse verfolgt. Radfahrer hielten an und gaben ihre Kommentare ab, manche setzen sich auf das Mäuerchen vor dem Eingang. Ein Radfahrer fragte: „Tritt Woelki heute zurück“? Die Journalisten antworteten, dass davon nicht auszugehen sei.