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Entlastung der VerbraucherWie soll die Gaspreisbremse funktionieren?

Lesezeit 4 Minuten

Mit großen Schritten Richtung Entlastung? Kanzler Olaf Scholz (r.) mit den Kommissionsmitgliedern Michael Vassiliades, Siegfried Russwurm und Veronika Grimm.

Berlin – Eine von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission hat am Montag Vorschläge zur Entlastung der Bürger in der Energiekrise mit einem Volumen von rund 90 Milliarden Euro vorgelegt. Die Maßnahmen sollen ein zentraler Teil des von der Ampel-Koalition angekündigten „Abwehrschirms“ mit einem Volumen von bis zu 200 Milliarden Euro sein. Die Bundesregierung verspricht eine zügige Umsetzung.

Was sind die Kernpunkte des Vorschlags?

Vorgeschlagen wird von der Kommission mit Vertretern aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Wissenschaft angesichts der gestiegenen Gaspreise ein zweistufiges Modell. Um private Gaskunden und kleine Firmen schnell zu entlasten, sollen sie im Dezember eine Einmalzahlung erhalten. Von Januar an soll es eine Preisbremse für Industrieunternehmen geben – möglichst ab März, sonst ab April für private Haushalte und kleine Unternehmen. Zugleich aber sollen Sparanreize erhalten bleiben.

Wie soll die Einmalzahlung konkret funktionieren?

Um „extreme“ Belastungen von Gas- und Fernwärmekunden abzufangen, sollen private Haushalte und kleine Firmen als Gaskunden im Dezember eine Einmalzahlung bekommen – und zwar auf Basis des Verbrauchs, welcher der Abschlagszahlung vom September zugrunde gelegt wurde. Das soll diejenigen betreffen, die direkt Kunden bei einem Versorger sind.

Härtefall-Regelungen

Von Anfang Januar bis Ende Februar soll es Hilfsfonds zum Schutz von Mietern und Eigentümern geben, wie die Kommission schreibt. Zum einen soll es eine zinslosen Liquiditätshilfe für die Vermieter und Wohnungsunternehmen geben, die für Ihre Mieter bei extremen Preissteigerungen für Gas und Fernwärme in Vorleistung gehen wollen – sowie zum anderen für Mieter, die trotz der Entlastungen weiterhin finanziell stark überfordert sind. Diese Hilfen sollen so lange bestehen, bis die vom Bund geplante Ausweitung des Wohngelds wirkt.

Einen Hilfsfonds schlägt die Kommission auch für soziale Dienstleister wie Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen vor. Auch für die Industrie sind Härtefall-Regelungen vorgesehen, genannt werden Liquiditätshilfen, Bürgschaften, Zuschüsse und Kredite. (dpa)

Man habe bewusst einen Bezugspunkt in der Vergangenheit gewählt, damit Verbraucher ihren Konsum nun nicht hochtreiben, um mehr Unterstützung zu erhalten, erklärte dazu die „Wirtschaftsweise“ und Co-Vorsitzende der Kommission, Veronika Grimm. Der Staat soll die Abschläge übernehmen, die Versorger sollen das Geld erstattet bekommen. Bei zentral beheizten Mietshäusern soll die Gutschrift vom Vermieter auf die Mieter umgelegt werden, im Zuge der Nebenkostenabrechnung.

Wie soll die Preisbremse für private Verbraucher aussehen?

Eine Kilowattstunde Gas kostet im Mittel derzeit 28,3 Cent für Neukunden – vor einem Jahr waren es 6,8 Cent. Deswegen soll es nun staatliche Zuschüsse für private Haushalte und kleine Firmen geben – die kompletten Preissteigerungen werden aber nicht abgefedert, wie die Kommission klar machte. Es soll aber weiter Anreize zum Sparen geben, sprich: Wer weniger heizt, zahlt weniger.

Die Kommission hält es für erforderlich, dass in Deutschland mindestens 20 Prozent Gas eingespart wird. Konkret soll es ein Grundkontingent von 12 Cent pro Kilowattstunde geben – und zwar für 80 Prozent des Verbrauchs, der der Abschlagszahlung aus dem September zugrunde gelegt wurde. Oberhalb dieser Verbrauchsmenge soll der vertraglich vereinbarte Arbeitspreis gelten. Die Gas- und Wärmepreisbremse soll laut Kommission zum 1. März 2023 kommen, spätestens zum April, und sie soll frühestens Ende April 2024 enden.

Es soll eine Obergrenze für den subventionierten Grundverbrauch von Haushalten geben. Für Fernwärmekunden soll es einen fixen Preis von 9,5 Cent pro Kilowattstunde für ein Grundkontingent von 80 Prozent geben. Laut dem Vergleichsportal Verivox würden bei einer Deckelung des Basisverbrauchs auf 80 Prozent bei einer Familie mit einem Gasverbrauch von 20000 Kilowattstunden die Kosten um 33 Prozent sinken.

Sind die Vorschläge der Kommission gerecht?

Die Vorschläge stießen auf Kritik, vor allem weil sie nach dem „Prinzip Gießkanne“ funktionierten. Kommissionsmitglied und Verdi-Chef Frank Werneke kritisierte in einem Sondervotum, das Modell der Gaspreisbremse sei nicht ausreichend sozial ausbalanciert.

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„Durch das Modell wird eine Zwei-Zimmer-Wohnung genauso behandelt wie eine Villa mit Pool. Deshalb brauchen wir für ein gerechteres Modell zusätzliche soziale Haltelinien.“ Um Ungerechtigkeiten abzufedern, soll der Rabatt bei der Preisbremse in der Einkommenssteuererklärung als geldwerter Vorteil angeben werden. Dabei sollen möglichst hohe Freibeträge gelten. Eine Veranlagungspflicht entstehe durch den Rabatt aber nicht.

Und was ist für die Industrie geplant?

Die Gaspreisbremse für Industrieverbraucher soll zum 1. Januar in Kraft treten. Das subventionierte Kontingent solle 70 Prozent des Verbrauches des Jahres 2021 betragen – und zwar zu einem Beschaffungspreis von 7 Cent pro Kilowattstunde. Dazu kommen unter anderem noch Abgaben, Umlagen und Steuern, sodass am Ende wie bei den privaten Haushalten ein Endkundenpreis von 12 Cent erreicht werden soll. Eine Mengen-Obergrenze soll es nicht geben.

Wie geht es nun weiter mit den Vorschlägen?

Nun ist die Bundesregierung dran. Offen ist, ob sie den Vorschlag eins zu eins übernimmt. Grünen-Chef Omid Nouripour hat angedeutet, dass die Ampel-Koalition noch in dieser Woche Konsequenzen aus dem Vorschlag ziehen will. (mit dpa)