Das Wort zum SonntagWarum man besser mal einen Gang runterschalten sollte
Bonn – Nach einem Tag stößt der Bergführer zu uns und halbiert das Tempo. Wir sind im Hochgebirge unterwegs. Mehr oder weniger gut trainiert für so eine Wanderung über den Gletscher. Auf die alpine Höhe waren wir aber nicht wirklich vorbereitet. Der erste Tag aus dem Tal zur Hütte hinauf haben wir die Grenzen schon deutlich gespürt. Doch den Aufstieg in anvisierten vier Stunden geschafft. Puuuh!
Ab sofort heißt es: Halbe Geschwindigkeit! Schritt für Schritt. Alle kommen mit. Und auch meinen Knien tut das spürbar gut. Entschleunigung ist die Lehre am Berg. Langsamer ist besser. Und je steiler der Weg, umso kleiner die Schritte.
Langsamer heißt auch bewusster
Wir Menschen sind immer wieder getrieben: von gnadenlosen Erwartungen an das eigene Leistungsvermögen wie von angeblichen Vorgaben, die es zwingend zu erreichen gilt. „4 Stunden bis zur nächsten Hütte“ steht auf dem Schild. Warum muss das sein? Was will ich mir eigentlich beweisen, wenn ich mit dem letzten Atemzug abends nur noch wie tot ins Bett falle?
Langsamer gehen heißt bewusster gehen. Auf einmal fange ich, die Aussicht zu genießen. Und der Atem geht mit, wird gleichmäßiger, ruhiger. „Meine Zeit steht in Gottes Händen“ heißt es so weise, so demütig in der Bibel (Psalm 31, Vers 16). Am Berg spüre ich, was das bedeutet: Ich verlängere meine Lebenszeit nicht dadurch, dass ich sie selbst dauernd verkürze.
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Wir rasen dem Leben all zu oft davon. Langsam gehen übt das Leben und die Umwelt neu wahrzunehmen. Und das gilt nicht nur oben im Gebirge, sondern auch unten im Tal: im Beruf, im Miteinander von Familie und Freunden. Langsamer sein heißt achtsamer sein für mich und meine Mitmenschen. Ich wünsche uns allen einen Bergführer, der uns immer wieder mal daran erinnert.