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Das Wort zum SonntagÜber die Ethik der Nützlichkeit und ihre Gefahren

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Ethik der Nützlichkeit WzS

Alte und Kranke finden im System der „Nützlichkeit“ nur schwer noch Platz. 

Des einen Not ist des andern Brot, sagt der Volksmund. Militärgenie Napoleon passte diese Erkenntnis seiner Erfahrungswelt an: „Bei Revolutionen begegnen wir zwei Arten von Menschen: denen, die sie machen, und denen, die sie für ihre eigenen Zwecke nutzen“.

Wie aktuell-modern in diesen Tagen der nicht einzudämmenden Konflikte. Gegensätzliche Begriffspaare bestimmen auf verschiedene Art und Weise das tägliche Leben. Ihre Grundpfeiler heißen gut und böse, arm und reich, jung und alt, gesund und krank, satt und hungrig, Gewinner und Verlierer.

Eine Erfahrung, die selbst in bestimmten religiösen Überzeugungen Eingang gefunden hast, nach der etwa Gott ein für alle Mal vorherbestimmt habe, ob ein Mensch den Weg zur ewigen Seligkeit oder den zur ewigen Verdammnis gehen müsse. Da der Mensch nicht imstande sei, seine Erlösung (oder Verdammung) zu beeinflussen, müsse er sein Leben so gestalten, als sei er von Gott „auserwählt“. Das Gefühl, zu den Gewinnern zu gehören, könne der unablässig arbeitende Mensch mit Hilfe individueller und wirtschaftlicher Erfolge zusätzlich untermauern. Was in der Folge zu der Überzeugung führte, nur eine Totalhingabe an die Arbeit sei der Gott wohlgefällige Selbstzweck des Lebens. Alte und Kranke, körperlich und geistig Behinderte, gesellschaftliche Ausgestoßene finden in diesem „System“ nur schwer ihren Platz, wenn ihnen nicht sogar die Daseinsberechtigung abgesprochen wird.

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Diese „Ethik der Nützlichkeit“ war für die Ausformung des Kapitalismus nicht unerheblich. Ist sie auch Maßstab für die aktuelle Schieflage der Kirche? Die Ethik der Nützlichkeit hat hier unbestritten an Einfluss gewonnen, obwohl die Evangelien und Briefzeugnisse der christlichen Bibel eine völlig andere Verhaltensweise einfordern: „Geht! Ich sende Euch wie Schafe unter die Wölfe“ (Lk 10,3). Diese Sichtweise konterkariert die (trotz der Erfahrungen mit dem Missbrauch) nicht enden wollenden Auseinandersetzungen um Einfluss, Macht und Richtungsvorgabe in der Kirche. Bereits Napoleon erkannte: „Politik hat kein Herz, nur einen Kopf.“