Volker Wissing (FDP) will kein Tempolimit und im Gegenteil den Straßenbau intensivieren. Die Grünen sind sauer.
Tempolimit, Autobahnen, 49-Euro-Ticket„Albern“ – Verkehrsminister Wissings Streit mit Grünen verschärft sich
Das Umweltbundesamt (UBA) hat eine Studie veröffentlicht, die sich mit den Auswirkungen eines möglichen Tempolimits auf deutschen Straßen auf den Klimaschutz auswirkt. Wissenschaftler der Universitäten Stuttgart und Graz sowie Experten einer Consulting-Firma beschäftigen sich mit den Auswirkungen von Geschwindigkeitsbegrenzungen auf die CO2-Emissionen in Deutschland.
Das Ergebnis: Während man bislang von Ersparnissen von 2,6 Millionen Tonnen ausgegangen war, könnte man bei Tempo 120 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen nach neuesten Berechnungen 6,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente einsparen.
Hintergrund: Laut Auskunft des Umweltbundesamts wurden diesmal Faktoren wie der genauere Verbrauch der Fahrzeuge sowie eine „veränderte Routenwahl und Verkehrsnachfrage berücksichtigt“. Viele Autofahrer würden voraussichtlich bei Beschränkungen beispielsweise nicht mehr die längeren Wege über Autobahnen nutzen, sondern kürzere über Bundesstraßen. Würde auch dort die Höchstgeschwindigkeit begrenzt, wäre die CO2-Ersparnis sogar noch deutlich höher.
Alles zum Thema Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
- Mahnwache Mucher Windkraftgegner protestieren in Engelskirchen
- Klage gegen Weiterbau Die Entscheidung zur Eifel-Autobahn A1 fällt in Leipzig
- TV-Teams in Rheidt Großes Medieninteresse an seltenem Vogel in Niederkassel
- Nationalpark In der Eifel fühlt sich die Wildkatze wohl
- Bebauung Butterberg Deswegen sind Umweltschützer gegen Amphibienzaun in Sankt Augustin
- Eilantrag eingereicht BUND will geplante Bebauung auf Sankt Augustiner Butterberg stoppen
- „Völlig unsinnig und unnötig“ Türkei fliegt nach Hamburg zu EM-Spiel – Deutliche Kritik
Tempolimit: FDP ist dagegegen
Zu dieser Studie, von der der „Spiegel“ bereits einige Tage zuvor berichtet hatte, gibt es bislang wenig bis gar keine Reaktionen aus der Politik. Dabei wurde das Thema Tempolimit bereits vor den neuesten Erkenntnissen kontrovers diskutiert. Es wurde von vielen als ein Mittel, der Energiekrise zu begegnen, gewertet. Die Grünen würden es lieber früher als später einführen, und auch aus der SPD mehren sich die Stimmen der Befürworter. Zuletzt bekräftigte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil seine Forderung nach einem Tempolimit.
Für die in der Ampel mitregierende FDP ist dies jedoch ein rotes Tuch. Die Partei hatte dies als Ziel im Koalitionsvertrag auch verhindert. Im November hatte Parteichef Christian Lindner den Grünen noch den Deal angeboten, für ein solches Vorhaben zu stimmen – im Gegenzug müssten sie aber längeren AKW-Laufzeiten zustimmen. Dies war natürlich komplett unrealistisch. Lindner hatte die Tempolimit-Forderung als „total ideologisch“ und „Steckenpferd“ abgetan. Verkehrsminister Volker Wissing betont stets die „Eigenverantwortung der Bürger“. „Autofahren bedeutet Freiheit“, bekräftigte er in einem Interview.
E-Fuels: Christian Lindner bekam Abfuhr von Autoindustrie
Stattdessen setzt die FDP auf neue Technologien wie E-Fuels oder einheimisches Erdgas. Erst am Montag fasste das Parteipräsidium dazu einen Beschluss. Allerdings war Lindner mit einem Vorstoß zu E-Fuels bei der Autoindustrie kürzlich auf Ablehnung gestoßen. Diese setzt auf Elektromobiltät.
Mit der jüngsten Studie dürften die Liberalen jedoch Schwierigkeiten haben, ihre Argumentation aufrechtzuerhalten, ein Tempolimit sei im Sinne des Klimaschutzes sinnlos. In den sozialen Medien mehren sich die Rufe an Volker Wissing, endlich von seiner Position abzurücken. Denn insbesondere die Sektoren Gebäude und Verkehr sind die Hauptgründe, warum Deutschland seine Klimaziele verfehlt. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat deswegen auch Klage gegen die Bundesregierung eingelegt.
Probleme bei der Einführung des 49-Euro-Tickets
Hinzu kommen Verzögerungen bei der Einführung des 49-Euro-Tickets, das ursprünglich als schneller Nachfolger des 9-Euro-Tickets geplant war, um die Verkehrswende voranzubringen. Die Verkehrsbranche hält einen Start zum 1. Mai für realistisch. Doch es gibt Zweifel, dass selbst dieser späte Termin zu schaffen ist. Zum einen muss die EU-Kommission noch zustimmen. Zum anderen ist die Struktur des Öffentlichen Personennahverkehrs in Deutschland zerklüftet und kompliziert.
Wissing will eine rein digitale Lösung, was in der Praxis zunächst schwierig wird. Weitere Probleme könnte es bei der regionalen Genehmigung der Tarife geben, die in Deutschland notwendig ist. Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums wollte sich zuletzt nicht auf einen Einführungstermin festlegen, wie die „Tagesschau“ berichtet. Er äußerte lediglich die Erwartung, „dass wir hier schnell vorankommen“.
Templimit-Verhinderer: Appelle und Spott in Richung FDP
Verkehrsminister Volker Wissing steht also unter besonderem Druck bei verschiedenen Themen, was sich auch in den sozialen Medien bemerkbar macht. Die ZDF „heute-show“ zieht die von Wissing beschworene Freiheit durchs Autofahren durch den Kakao:
Auch ernste politische Kommentare zum gibt es, zumindest von der Grünen Jugend:
Der Berliner Radverkehrsexperte Ingwar Perowanowitsch ruft Wissing zur Vernunft auf:
Dieser User bringt die beiden Themen scherzhaft zusammen:
Volker Wissing: Streit mit Grünen über Autobahn-Ausbau
Die Meinungsverschiedenheiten in der Verkehrspolitik mit den Grünen bekommen unterdessen neue Nahrung: Wissing möchte, dass der Neu- und Ausbau von Straßen künftig in einem überragenden öffentlichen Interesse liegt, um Planungsverfahren zu beschleunigen. Das lehnt der Koalitionspartner ab. Vor dem Treffen der Ampel-Spitzen am Donnerstag ist die Stimmung daher getrübt.
In der Sendung „Frühstart“ von RTL und ntv legte Wissing nach. „Wer also keine Straßen mehr möchte, der möchte Rückbau unserer Industriegesellschaft.“ Sollte der Neu- und Ausbau von Straßen zum „überragenden öffentlichen Interesse“ erklärt werden, führe das nicht zu mehr Straßenbau, sondern nur zu schnellerem, argumentierte Wissing. „Und es ist für die Umwelt ja egal, ob eine Straße langsam gebaut wird oder ob sie zügig gebaut wird.“ Es sei „albern“, zu denken, man könnte einfach das Straßennetz einfrieren und auf ewig so belassen.
Grünen-Chefin Ricarda Lang forderte Wissing in der „Süddeutschen Zeitung“ auf, deutlich mehr für den Klimaschutz im Verkehrssektor zu tun. „Statt über weitere klimaschädliche Maßnahmen, etwa die Beschleunigung von Autobahnneubauten zu spekulieren, braucht es jetzt dringend einen Plan, wie der Verkehr seine Klimaziele erreicht“, sagte sie der Zeitung. (cme, mit dpa)