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Bundestagswahl 2025Die Tage von Olaf Scholz sind gezählt

Lesezeit 4 Minuten
23.02.2025, Berlin: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht mit seiner Frau Britta Ernst und Lars Klingbeil, Vorsitzender der SPD, auf der Bühne und spricht bei der SPD-Wahlparty im Willy-Brandt-Haus.

Ein bitterer Abend nicht nur für Olaf Scholz (r.), sondern auch für seine Frau Britta Ernst und Parteichef Lars Klingbeil: Die SPD hat die Bundestagswahl klar verloren.

Olaf Scholz übernimmt die Verantwortung für das schlechteste Wahlergebnis der SPD seit 138 Jahren und gratuliert Wahlsieger Merz.

Drei Jahre, zwei Monate, 15 Tage und acht Stunden: So lange ist Olaf Scholz Bundeskanzler, als er um 18.40 Uhr vor die Parteifreunde tritt, die trotz aussichtsloser Ausgangslage zur Wahlparty ins Berliner Willy-Brandt-Haus gekommen sind. Zu diesem Zeitpunkt ist schon klar: Es werden nur noch ein paar Wochen, maximal Monate hinzukommen. Dann wird die bislang kürzeste Amtszeit eines SPD-Kanzlers enden. Und sie endet mit einem Desaster. Für ihn persönlich, aber auch für die älteste Partei Deutschlands, die so stolz auf ihre Geschichte ist.

„Das ist ein bitteres Wahlergebnis für die sozialdemokratische Partei“, sagt Scholz. Er übernimmt Verantwortung für das Wahlergebnis, gratuliert Wahlsieger Friedrich Merz (CDU) und macht dann klar, dass er mit der Bildung einer neuen Regierung nichts mehr zu tun haben wird: „Jetzt ist es an anderen, den Weg zu suchen, wie eine Regierung gebildet werden kann.“

Schlechtestes Ergebnis seit 138 Jahren

Zwischen 16,1 und 16,4 Prozent steht die SPD in den Hochrechnungen, als Scholz diese Worte sagt. Es ist nicht nur der Tiefpunkt der SPD bei den Bundestagswahlen seit 1949, sondern das schlechteste Ergebnis bei einer nationalen Parlamentswahl seit 138 Jahren. Noch schlechter waren die Sozialdemokraten zuletzt im vorletzten Jahrhundert, bei der Reichstagswahl 1887 im Kaiserreich, als sie noch Sozialistische Arbeiterpartei hießen.

Es ist in erster Linie die Wahlniederlage von Olaf Scholz. Trotz des Scheiterns seiner Ampel-Regierung, trotz seiner konstant schlechten Sympathiewerte und obwohl es eine Alternative gegeben hätte, wollte er es noch einmal wissen. Nach der Neuwahl-Entscheidung im November wurde zwei quälende Wochen diskutiert, ob der Kanzler wieder als Kandidat antreten soll – oder der deutlich beliebtere Verteidigungsminister Boris Pistorius.

Scholz setzte sich durch, Pistorius zog zurück. Moderiert wurde die Diskussion von Parteichef Lars Klingbeil. Die Entscheidung für Scholz geht damit auch auf sein Konto, obwohl er sie sich vielleicht anders hätte vorstellen können. Welche Konsequenzen er nun zieht, ist unklar. Kann man SPD-Vorsitzender bleiben, wenn man das schlechteste Ergebnis seit Menschengedenken einfährt? Am Wahlabend macht Klingbeil jedenfalls nicht den Eindruck, sich zurückziehen zu wollen. Zugleich aber gesteht er ein: „Dieses Ergebnis wird Umbrüche erfordern in der SPD.“ Das meine er durchaus auch personell. „Ich sage hier mit absoluter Klarheit, der Generationswechsel in der SPD muss eingeleitet werden.“

Was das genau heißt, wird in den nächsten Tagen Thema bei der SPD sein. Zur jüngeren Generation zählt sich Klingbeil vermutlich erst einmal selbst. Er wurde am Wahltag 47. Neben ihm wird bisher eigentlich nur einer genannt, der als neuer starker Mann infrage kommt. Der ist aber schon 64: Boris Pistorius. Er hat sich nach seinem Verzicht auf die Kanzlerkandidatur von den ganz großen Wahlkampfbühnen ferngehalten und kann für sich in Anspruch nehmen, mit dem Wahldesaster wenig zu tun zu haben.

SPD: Esken vor einer fraglichen Zukunft

Als besonders fraglich gilt die politische Zukunft von Co-Parteichefin Saskia Esken (63). Es wird gemutmaßt, dass sie sich spätestens beim Parteitag im Dezember vom Parteivorsitz zurückziehen könnte. Als Nachfolgerinnen werden die im Saarland allein regierende Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (48) und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (56) gehandelt.

Es gibt neben der innerparteilichen aber noch eine andere Machtfrage für die SPD: Will man nach der Bruchlandung bei der Wahl als angeschlagener Juniorpartner in eine sogenannte Große Koalition unter Merz gehen, dem man seit seinem umstrittenen AfD-Manöver im Bundestag nicht mehr traut? Erinnerungen werden wach an 2017, als die Jusos mit ihrer NoGroKo-Kampagne Front gegen ein Bündnis mit der Union gemacht haben, das dann aber am Ende doch in einem Mitgliedervotum abgesegnet wurde. Klingbeil machte bereits klar: „Verantwortung kann man in einer Regierung, aber auch in einer Opposition übernehmen.“

Einer wird mit all dem nichts mehr zu tun haben. Olaf Scholz bleibt zwar Kanzler, bis es eine neue Regierung gibt. Der wird er dann jedoch wohl nicht mehr angehören. Ganz aus der Politik aussteigen will der 66-Jährige aber noch nicht. Sollte er seinen Wahlkreis in Potsdam gewinnen, will er bis zur nächsten Wahl im Bundestag bleiben. „Das steht schon ewig lange fest“, sagte er bei seinem Wahlkampfabschluss in Potsdam. So hat es Helmut Kohl 1998 nach seiner Abwahl auch gemacht: Die Hinterbank des Bundestags als „Abklingbecken“ nach einer langen politischen Karriere. (dpa)