„Völkischer Nationalismus ist mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild unvereinbar“, hat die Deutsche Bischofskonferenz erklärt und explizit festgestellt, in der AfD dominiere eine völkisch-nationalistische Gesinnung. Welche Folgen kann diese Erklärung in der Praxis haben? Fragen an Kirchenrechtler Prof. Thomas Schüller.
Christen und RechtsextremismusBrauchen wir einen katholischen Radikalenerlass, Herr Schüller?
Die katholische Kirche grenzt sich von Rechtsextremisten ab. Aber wie groß ist das Problem, das sie mit solchen Leuten in ihren Reihen hat?
Es ist kein Massenphänomen, aber es gibt durchaus Katholikinnen und Katholiken, die AfD-Mitglieder sind oder mit der Partei sympathisieren, sie wählen und einzelne Positionen – natürlich nie das ganze Parteiprogramm – in kirchenamtlichen Kontexten verbalisieren. Es gibt aus zahlreichen Diözesen Hinweise auf Fälle bei Ehrenamtlichen in Pfarrgemeinderäten, Kirchenvorständen oder auf diözesaner Ebene. Ich bekomme auch Anfragen aus dem Bereich der katholischen Verbände, die ja in Deutschland immer noch ziemlich kräftig und stark sind. Und es gibt auch eine verschwindende Minderheit von Fällen bei Hauptamtlichen. Zum Beispiel ist der Leiter einer kirchlichen Schule in einem der östlichen Bundesländer auch Kreisvorsitzender der AfD. In der neuen Grundordnung für den kirchlichen Dienst steht ausdrücklich: Mitarbeitende, die sich rassistisch, fremdenfeindlich äußern, im privaten wie im dienstlichen Kontext, müssen mit arbeitsrechtlichen Sanktionen rechnen.
Sie sprachen Verbände an. Die Schützen haben ernst gemacht und einen Unvereinbarkeitsbeschluss gefasst: AfDler können nicht Mitglied werden.
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Die katholischen Schützenbrüder, aber auch katholische Studentenverbindungen sind als im guten Sinne wertkonservative katholische Verbände besonders gefährdet und gefordert, sich gegenüber allen Parteien, die extremistische und populistische Thesen vertreten, abzugrenzen. Das geschieht nun mit Verweis auf die Erklärung der deutschen Bischöfe in Form einer Unvereinbarkeitserklärung. Dieses Signal wird verstanden und hilft auch anderen katholischen Vereinigungen, es den Schützen nachzuahmen.
Dieser Text der Bischofskonferenz, was kann er wirklich bewirken? Nehmen weit rechts stehende Katholiken die Bischöfe überhaupt noch ernst?
Zunächst einmal betonen alle Bischöfe, mit denen ich auch sprechen konnte, dass es ihnen ein wirkliches Anliegen war, angesichts der Zunahme der Bedeutung zum Beispiel der AfD, aber auch anderer populistischer Parteien vor den Gefährdungen zu warnen: für die Demokratie an sich, für die Menschenrechte und für eine Verfassung, die von einem christlichen Menschenbild geprägt ist. Ich gebe offen zu: Ich war sehr überrascht, erstens darüber, dass sie das überhaupt getan haben, und zweitens: einstimmig. Ich kann mich an kein anderes einstimmiges Votum der Bischofskonferenz aus den letzten zehn Jahren erinnern. Die Sorge ist groß, und sie wird von der evangelischen Kirche ausdrücklich geteilt. Ob man damit überzeugten AfD-Anhängern imponieren kann, ist zwar zweifelhaft. Aber es ist ein Zeichen in die Gesellschaft hinein. Der Adressat ist die Gesamtgesellschaft und nicht die Gruppe der Katholikinnen und Katholiken.
Was macht man konkret mit Leuten, die etwa für die AfD kandidieren? Kann man da kirchenrechtlich Konsequenzen ziehen?
Das ist jetzt genau die entscheidende Frage, mit der ich in diesen Wochen viel zu tun habe. Die Bischöfe haben eine politische Erklärung abgegeben. Sie ist nicht normativ bindend. Dagegen haben das Erzbistum Berlin und das Bistum Würzburg in ihren bischöflichen Gesetzen zur Arbeit der Pfarrgemeinderäte einen Passus, dass der Bischof einem Mitglied das Mandat entziehen kann, wenn es sich rassistisch äußert. Es wird also am Verhalten festgemacht, nicht an der Parteizugehörigkeit – und das finde ich hier, wo es ja um den Zugang zu kirchlichen Ämtern und Gremien geht und nicht nur um eine Vereinsmitgliedschaft, richtig. Es gibt ja enttäuschte CDU-Anhänger, die zum Beispiel wegen des vermeintlich katholischen Familienbildes oder der Abtreibungsfrage zur AfD gewechselt sind, ohne die fremdenfeindlichen Inhalte zu teilen.
Diese Handhabe gibt es andernorts also nicht?
Es wäre sehr wünschenswert, dass das überall so geregelt wäre: Extremistische, fremdenfeindliche, antisemitische Positionen sind nicht mit der Lehre von der Gottesebenbildlichkeit aller Menschen vereinbar. Und zwar, das ist mir wichtig, von rechts wie von links. Wer sie vertritt, darf kein kirchliches Ehrenamt ausüben. Aber hier sehe ich ein großes Zaudern bei den Bischöfen. Zuletzt hat die Freisinger Bischofskonferenz, das sind im Wesentlichen die bayerischen Bischöfe, gesagt, gemach, gemach mit rechtlichen Regelungen. Die katholischen Verbände wiederum können solche Regeln durch Satzungsänderungen schaffen, und das passiert auch.
Sie haben eben gesagt, man sollte nach dem konkreten Verhalten schauen. Aber wenn festgestellt wird, dass eine Partei gesichert extremistisch ist – besteht dann nicht eine grundsätzliche Unvereinbarkeit?
So weit sind wir bei der AfD ja noch nicht, auch das aktuelle Verfahren in Münster wird noch keinen Abschluss bringen. Aber wenn es tatsächlich so weit kommen sollte, bundesweit, dann würde auch ich einem AfD-Mitglied sagen: Ihre Zugehörigkeit lässt schon den begründeten Verdacht zu, dass Sie das Programm dieser Partei mit all seinen inakzeptablen Auswüchsen auch mittragen. Relevant wird das in der Regel, wenn jemand ein Amt oder ein Mandat für eine Partei bekleidet, die reine Mitgliedschaft erfährt die Kirche ja in der Regel nicht. Wir müssten zu einer Art katholischem Radikalenerlass kommen.
Aber auch beim Radikalenerlass der Ära Willy Brandt reichte die Parteimitgliedschaft allein nicht für Konsequenzen.
Richtig, denken Sie nur an den heutigen Vorzeigekatholiken Winfried Kretschmann. Der hätte fast nicht Lehrer werden können, weil er als Student einer marxistischen Vereinigung angehört hat. Damals hat das Gericht gesagt, dass die reine Zugehörigkeit nicht zum Ausschluss aus dem Staatsdienst reicht. Es muss nachvollziehbares Verhalten vorliegen. Wie das auf kirchlicher Seite aussieht, ist noch nicht abschließend diskutiert. Wie gesagt, die Bischöfe müssen ihren Worten Taten folgen lassen, wie es sich Erzbischof Heiner Koch in Berlin und Bischof Franz-Josef Jung in Würzburg getraut haben.