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25 Jahre Berlin/Bonn-GesetzDas sind die ehrgeizigen Pläne für Bonns neue Mitte

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Ein Hauch von Manhattan in Bonn? Die Pläne des Unternehmers Marc Asbeck sind ambitioniert.

  1. Der Bonner Unternehmer Marc Asbeck will mit seiner „Bonnvision“ hoch hinaus.
  2. Was plant der Unternehmer, wie reagiert die Stadt und überhaupt: Wie hat sich Bonn in den vergangenen 25 Jahren gewandelt?

Bonn – Der Bonner Unternehmer Marc Asbeck hat die Verwaltung seiner Heimatstadt vor ein gewaltiges Problem gestellt: Er will an der Franz-Josef-Strauß-Allee nahe der Museumsmeile zwei Bürotürme mit 14 beziehungsweise 17 Geschossen errichten, die beide auf einem dreigeschossigen Sockel stehen sollen. Auf dem dreieckigen Grundstück, 120 Meter lang und 15 bis 65 Meter breit, befand sich zu Bonner Hauptstadtzeiten die Fahrbereitschaft des Bundes.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite will Asbecks Firma MAG ebenfalls hoch hinaus: zwölf Etagen auf einem sechsgeschossigen Basisbau. Gut 55.000 Quadratmeter neue Bürofläche würden so im alten Bundesviertel geschaffen, in dem jetzt schon kein Mangel herrscht an Schreibtischen. 3,9 Millionen Quadratmeter Büroflächen wies Bonn 2018 nach einer städtischen Erhebung aus, davon 1,2 Millionen in jenem Areal, in dem nach 1949 zumeist auf Brachland erste Ministerien entstanden.

1999 wanderte der Bund nach Berlin

„Bonnvision“ nennt Asbeck sein neuestes Vorhaben. In einem Animationsfilm auf der Webseite seines Unternehmens sieht man, was er sich darunter vorstellt: Die Kamera schwenkt über Wolkenkratzer, die „Twisters“, „The Curve“ und „Greengate 2020“ heißen – als wäre Bonn Manhattan – und zeigt kleine Grünflächen und saubere Straßen, über die Menschen flanieren. Kein Vergleich mehr mit dem betulichen Regierungsviertel aus der Zeit vor 1999, dem Jahr, als der Bund nach Berlin wanderte.

Das städtische Planungsamt aber tut sich schwer, die Anträge des Unternehmers zu befürworten. Denn dafür müsste neues Baurecht in dem 481 Hektar umfassenden Bereich geschaffen werden, das zwischen der Bonner Innenstadt und Bad Godesberg liegt. Die Behörde aber will abwarten, bis der Stadtrat eine Rahmenplanung für das Bundesviertel verabschiedet hat. Ein Konzept, das einen Mix aus Wohnen, Arbeiten und Freiräumen und die verkehrliche Anbindung vorsieht, liegt nur im Entwurf vor. „Bundesviertel 4.0“ heißt er.

Links und rechts der B 9 boomt es

Asbeck hat im Schatten des Post-Towers seit 1994 nach eigenen Angaben 700 Millionen Euro investiert und 8.500 Arbeitsplätze geschaffen, vor allem für die Deutsche Post DHL, die im weitläufigen „Post-Campus“ untergekommen ist.

Aber nicht nur er steckt Geld in Bonns neue Mitte. Links und rechts der B 9 boomt es. Da haben sich die Nachfolger des Postministeriums, Post, Telekom und Postbank, breitgemacht. Organisationen der Entwicklungspolitik und der Vereinten Nationen nehmen von hier aus die Welt in den Blick. Neben der Bonner Zentrale der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) wird im Frühjahr ein Erweiterungsbau eingeweiht. Die GIZ, 2011 neu gegründet, beschäftigt hier rund 1.200 Mitarbeiter.

Für das UN-Klimasekretariat schiebt sich zwischen das Alte Wasserwerk, in dem der Bundestag am 20. Juni 1991 mit knapper Mehrheit den Umzug nach Berlin beschlossen hat, und das Kongresszentrum WCCB ein 17-stöckiges Hochhaus. Rund 1.000 Bedienstete der Vereinten Nationen sind in 20 Untergliederungen am Rhein tätig. Am Rande der Rheinaue fällt der wellenförmige Bau des Forschungszentrums Caesar auf. Im Tulpenfeld, in dem früher Abgeordnete ihre Zimmer und die Bundespressekonferenz ihren Sitz hatten, schauen 1.000 Beschäftigte der Bundesnetzagentur den Giganten des Energie- und Telekommunikationsmarktes auf die Finger.

Historie

1991 hatte die Bundesregierung nach dem Hauptstadtbeschluss des Bundestages versprochen, in Bonn „keine Ruinen“ zu hinterlassen. Da hat sie Wort gehalten.In zähen Verhandlungen und mit einer großen Portion rheinischer Quengelei gelang es Abgesandten der Region, dem Bund viel Geld abzutrotzen: Bereits im Jahr des Umzugsbeschlusses bekamen Bonn und sein Umland rund 100 Millionen Euro für die Wirtschaftsförderung, 1,4 Milliarden Euro wurden dann als Ausgleichsmaßnahmen ab dem 1. Januar 1995 gewährt.

Im Berlin/Bonn-Gesetz vom 26. April 1994 hatte das der Bundestag entschieden. Er lehnte damals einen fraktionsübergreifenden Antrag ab, den Berlin-Umzug auf das Jahr 2010 zu verschieben. PDS/Die Linke hatten darüber eine Volksabstimmung gefordert. Noch im November 1993 war im Bundestag eine Massenpetition eingegangen, den Umzug „angesichts der desolaten Lage der Staatsfinanzen“ für längere Zeit auszusetzen. (dbr)

Und Bonn rüstet sich zum deutschen Cyber-Zentrum auf. Die Telekom hat ihre Hacker-Abwehr im alten Fernmeldeamt am Bonner Talweg untergebracht. In einem jetzt schon zu kleinen Schlichtbau in der Gronau hat sich vor knapp einem Jahr das Kommando Cyber- und Informationsraum, in dem die strategischen Aufklärer der Bundeswehr zusammengefasst sind, niedergelassen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik versucht mit 940 Informatikern, Mathematikern und Physikern, Computersabotage und andere Unbilden des digitalen Zeitalters zu bekämpfen. Die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg will in einem Cyber-Campus für den Nachwuchs an Fachkräften sorgen.

„Die Bundesstadt Bonn blüht und prosperiert“, stellte Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) im Plenum fest, als er Ende November 2018 den Bonner SPD-Abgeordneten Ulrich Kelber verabschiedete, der neuer Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit wurde und deshalb sein Mandat abgeben musste.

Bonn wächst

Solch einen Satz mögen Bonner Stadtrepräsentanten nicht gerne sagen, wenn sie sich mit Kollegen aus dem Ruhrgebiet oder aus dem strukturschwachen Ostdeutschland treffen; da wird schnell Neid geäußert. Aber nüchterne Zahlen beweisen, dass Oppermanns Beschreibung stimmt: 1994 hatte Bonn 308.044 Einwohner, 2018 sind es 330.224, 1994 waren hier 140.020 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, 2018 sind es 176.689.

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Die Stadt am Rhein aber will kein Freilichtmuseum längst vergangener Geschichte sein.

Hinter diesem Aufschwung steht die schlichte Buchstaben- und Ziffernkombination Z 5702 A; sie kennzeichnet das Bundesgesetzblatt, in dem das am 26. April 1994 beschlossene Berlin/Bonn-Gesetz veröffentlicht wurde. Es listet auf, wie der Bund Bonn und die Region für den Verlust des Parlaments- und Regierungssitzes entschädigt. Nämlich mit 1,437 Milliarden Euro, mit denen 90 Ausgleichprojekte und weitere 210 Einzelmaßnahmen bezahlt wurden.

Berlin gilt als attraktiverer Lebensort

So wurden 20 Behörden und Einrichtungen des Bundes wie das Bundeskartellamt, das Bundesversicherungsamt, der Bundesrechnungshof und die Zentrale des Eisenbahn-Bundesamtes nach Bonn verlagert, die Generalzolldirektion wurde in Bonn neu gegründet. Sechs von 14 Ministerien haben offiziell ihren ersten Sitz in der alten Hauptstadt, auch mehr als die Hälfte der ministeriellen Arbeitsplätze soll bleiben – zumindest auf dem Papier. In Wahrheit aber ist die Quote zulasten Bonns auf ein Drittel gesunken, auf 6.300 Posten in Bonn und 12.600 in Berlin, sagt die Bundestagsabgeordnete Katja Dörner von den Grünen.

Es wird offenbar zunehmend schwieriger, Ministeriale in Bonn zu halten. Der Präsident einer Bundesoberbehörde sprach im kleinen Kreis mal von „Hinterhofministerien“, in denen niemand, der Karriere machen wolle, gerne arbeite. Berlin gilt auch für Bundesbeamte als attraktiverer Lebensort.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) sagte im Gespräch mit der Rundschau, es gebe keine Bonn-Nostalgie im heutigen Bundestag. Die Stadt am Rhein aber will kein Freilichtmuseum längst vergangener Geschichte sein.

Die Region strebt einen neuen Vertrag mit dem Bund an, um die Rutschbahn an die Spree zu stoppen. Bonn arbeitet an seiner Zukunft als „Kompetenzzentrum für Deutschland“, gönnt sich aber trotzdem ein Stückchen Heimweh: Für eine halbe Million Euro wird in der Nähe des früheren Plenarsaals das „Bundesbüdchen“ wieder aufgestellt, ein Kiosk, in dem bis 1998 Joschka Fischer seine Comics und Norbert Blüm seine Zeitungen kauften. Demnächst gibt es dort Brötchen.