Der 99-jährige Leon Weintraub hat Auschwitz überlebt. Nun wendet er sich in einem offenen Brief an Friedrich Merz.
MigrationsdebatteAuschwitz-Überlebender Weintraub: „Bleiben Sie Mensch, Herr Merz“
Leon Weintraub (99), einer der letzten Überlebenden des Holocaust, hat das Vorgehen des CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz in der Migrationspolitik kritisiert. „Dringende Korrekturen in der Migrationspolitik sind sicherlich notwendig. Aber doch bitte nicht in der von Ihnen durchgeführten, verfassungswidrigen und rechtsradikalen Form“, schreibt Weintraub in einem in der „taz“ (Mittwoch) veröffentlichten offenen Brief an Merz mit Blick auf das im Bundestag letztlich gescheiterte „Zustrombegrenzungsgesetz“.
Weintraub, der einer jüdischen Familie im polnischen Lodz entstammt und der Ermordung im NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau entging, appellierte an Merz: „Bitte hören Sie nicht auf die Lockrufe der Rechten und vor allen Dingen, nehmen Sie ernst, was diese von sich geben, sie meinen, was sie propagieren!“ Weiter schreibt Weintraub: „Unser Grundgesetz deklariert: ‚Asylrecht ist Menschenrecht‘. Wir sind als Menschen geboren, bleiben Sie Mensch, Herr Merz.“
Der Bundestag hatte am Freitag das von der Union zur Verschärfung der Migrationspolitik eingebrachte „Zustrombegrenzungsgesetz“ durchfallen lassen. Zuvor war befürchtet worden, dass erstmals ein Gesetzentwurf mit Hilfe der in Teilen rechtsextremen AfD beschlossen werden könnte. Bereits am vergangenen Mittwoch hatte der Bundestag erstmals einen Unions-Antrag zur Migrationspolitik mit Hilfe der AfD-Stimmen verabschiedet.
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Weintraub: Unions-Gesetz menschenfeindlich
Das beabsichtigte Zustrombegrenzungsgesetz sei „menschenfeindlich“, betonte der Mediziner Weintraub, der heute mit seiner Frau in Stockholm lebt. Es sorge für Fremdenfeindlichkeit und eine Polarisierung der Gesellschaft. Weintraub appellierte an den CDU-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten: „Wenden Sie sich ab von rechtsradikalen Parteien in Deutschland und tragen Sie nicht zu eventuellen Triumphen im rechtsradikalen Lager bei.“ Weintraub fügte hinzu: „Arbeiten Sie mit demokratischen Parteien und Menschen guten Willens.“
Weintraub hatte nach dem Krieg Medizin in Göttingen studiert, war 1950 nach Polen zurückgekehrt und hatte als Gynäkologe in einer Frauenklinik in Warschau gearbeitet. Seit vielen Jahren hält er als Zeitzeuge der NS-Zeit Vorträge vor Schulklassen. Das in Freiburg ansässige Maximilian-Kolbe-Werk organisiert die Begegnungen. (kna)