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„Wir sind im Kern des Reaktors gewesen“Union will schnelle Laufzeitverlängerung

Lesezeit 4 Minuten
Merz Söder AKW

CDU-Chef Friedrich Merz (l.) und CSU-Chef Markus Söder am Atomkraftwerk Isar 2.

Essenbach – Meterhoch steigt der Wasserdampf aus dem Kühlturm des Kernkraftwerks Isar 2 in Essenbach bei Landshut. Seit Jahrzehnten ein prägendes Bild in der Region. In wenigen Monaten soll damit Schluss sein - eigentlich. Nachdem jedoch Deutschland, wie ganz Europa, wegen nur noch spärlicher Gaslieferungen aus Russland auf eine Energiekrise zusteuert, sind Isar 2 und die beiden anderen verbliebenen deutschen Atommeiler längst wieder in aller Munde - und stehen damit auch bei einigen Politikern wieder hoch im Kurs.

„Wir sind im Kern des Reaktors gewesen“

„Wir sind im Kern des Reaktors gewesen“, sagt CDU-Chef Friedrich Merz, als er am Donnerstagmittag nach dem Besuch des AKW Isar 2 vor die Mikrofone tritt, gemeinsam mit CSU-Chef Markus Söder, Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und Landesumweltminister Thorsten Glauber (beide Freie Wähler). Alle vier Politiker eint die Forderung, die drei deutschen Atomkraftwerke Isar 2, Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg auch über das Jahresende weiterlaufen zu lassen. Genau das sagen sie nacheinander den wartenden Journalisten - die waren im Kraftwerk nicht zugelassen.

Der Weiterbetrieb der AKW sei möglich, sagte Söder. Es sei an der Zeit zu handeln, um gut über den Winter zu kommen. „Jeder Tag zählt.“ Aus Sicht der Union müssten die notwendigen Gesetzesänderungen für längere Laufzeiten von Atomkraftwerken noch im August vom Bundestag beschlossen werden. Berücksichtige man die Dauer für die Bestellung neuer Brennstäbe von bis zu 15 Monaten, sei klar, weshalb es so wichtig sei, noch im August die Entscheidungen zu treffen, sagt Merz. „Wenn wir im September sind, wird es kritisch, wenn wir an Weihnachten sind, ist es unmöglich.“

Merz fordert mehr Bewegung von Bundesregierung

Merz betont, dass die Union jederzeit bereit wäre, für die wichtigen Entscheidungen auch in der parlamentarischen Sommerpause im Bundestag zusammenzukommen. „Der Atomkraftwerkbetrieb ist technisch, personell und rechtlich möglich.“ Jetzt müsse entschieden werden, ob das auch politisch möglich sei. Ansonsten stehe erst in fünf Wochen wieder eine Sitzung des Bundestags an.

„Wir könnten jetzt zu diesem Zeitpunkt Entscheidungen treffen“, die einen Weiterbetrieb auch über den Jahreswechsel 2023/2024 hinaus möglich machen. „Ich fordere die Bundesregierung auf, alle Möglichkeiten auszuschöpfen“, sagt Merz. Es gehe aber nicht darum, die alte Kernenergie zurückzuwollen.

Doch so sehr sich die Union - und auch die FDP - längere Laufzeiten und damit mindestens eine Verschiebung des 2011 beschlossenen Atomausstiegs in Deutschland wünschen, ganz so einfach ist das nicht. Eine Änderung des Atomrechts muss im Bundestag beschlossen werden, und bisher machen die Bundesregierung und die sie tragenenden Parteien keine Anstalten zu allzu großer Eile. Zwar sagte jüngst auch Kanzler Olaf Scholz (SPD), es könne Sinn haben, die Meiler nicht am 31. Dezember abzuschalten, zunächst müsse aber der laufende erneute Stresstest abgewartet werden. Damit soll herausgefunden werden, welche Risiken längere Laufzeiten bei welchem Nutzen hätten. Die Ergebnisse sollen erst in einigen Wochen vorliegen.

„Vernünftige und gute Lösung“

Für die Union ist die Frage längst beantwortet. Merz spricht bei Isar 2 von „einem der modernsten Atomkraftwerke der Welt“, Söder von einer Energienotlage in Deutschland mit einem existenziellen Gasproblem bis Mitte 2024. Seiner Ansicht nach wäre es eine „vernünftige und gute Lösung“, die Atommeiler weiter zu betreiben. Dabei brauche es eine langfristige Perspektive und nicht nur eine Verlängerung um drei Monate.

Doch in der Debatte melden sich auch immer mehr Kritiker der längeren Laufzeiten zu Wort: Umweltverbände wie Greenpeace und der Bund Naturschutz zweifeln an der Sicherheit der Reaktoren mit Blick auf Terrorangriffe und Hochwasser.

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Ex-Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) nennt den AKW-Besuch der Politiker gar „Propaganda“. „Wenn der TÜV Süd feststellen sollte, dass Isar 2 gegen den Absturz von Merz' Kleinflugzeug gesichert ist, dann würde ich dem nicht widersprechen. Aber für große Verkehrsflugzeuge gilt das schon nicht mehr – wie bei allen Atomkraftwerken“, sagt er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Bei Isar 2 fehle seit drei Jahren eine Sicherheitsüberprüfung.

Apropos Sicherheitsüberprüfung: Einige Stunden nachdem Söder, Merz und Co längst wieder abgereist sind und nur noch wenige Journalisten vor Ort sind, ertönt plötzlich aus den Lautsprechern eine Warnung: Im Maschinenhaus des Kraftwerks gebe es eine starke Rauchentwicklung, es müsse sofort geräumt werden. (dpa)