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Interview

Leiter des Deutschen Sport & Olympiamuseums
„Olympia wäre eine Chance für das ganze Land“

Lesezeit 7 Minuten
Hüter sportlicher Geschichte und Geschichten: Dr. Andreas Höfer, Leiter des Deutschen Sport & Olympiamuseums.

Hüter sportlicher Geschichte und Geschichten: Dr. Andreas Höfer, Leiter des Deutschen Sport & Olympiamuseums.

Dr. Andreas Höfer (64) leitet seit 2013 das Museum im Kölner Rheinauhafen. Im Interview spricht er über begehrte Exponate, einzigartige Bilder, olympische Momente und eine deutsche Bewerbung.

Sie haben die Rückkehr der deutschen Olympiamannschaft aus Paris beobachtet und auch Gespräche mit Sportlerinnen und Sportlern geführt. Ein Pflichttermin, weil Sie direkt nach Hockeyschlägern und Medaillen als Leihgabe für die Ausstellung fragen können?

Wenn die deutsche Olympiamannschaft nach solch großartigen Spielen in Köln aufläuft, will man doch dabei sein. Egal, ob beruflich oder privat. Wie viel Freude haben uns die Athletinnen und Athleten in den vergangenen 14 Tagen gemacht da nutzt man die Gelegenheit gerne, um Hallo und Danke zu sagen. Zumal die Spiele seit 1928, da waren sie in Amsterdam zu Gast, von Köln aus betrachtet nicht mehr so nah gewesen sind wie dieses Mal. Im Übrigen stehen die Olympischen Spiele für eine zentrale Thematik und Intention unseres Hauses. Schon von daher freuen wir uns über vielfältige Begegnungen mit den Hauptdarstellern, den Aktiven. Und wenn wir dabei das eine oder andere Exponat für unsere Sammlung akquirieren können, dann folgt das einem natürlichen musealen Impuls.

Welche Exponate hätten Sie denn gerne?

Die Sammlung von relevanten Objekten zur Geschichte des Sports zählt zu den satzungsgemäßen Aufgaben unseres Hauses. Von besonderem Interesse sind für uns solche Gegenstände, die eine Geschichte dokumentieren. Zeigen wir eine Medaille, wollen wir erzählen, wer sie wann und wo und wie gewonnen hat. So gesehen sind auch Kleidungsstücke oder persönliche Glücksbringer oder ähnliches von musealem Wert.

Spielt die Nähe zum Olympiastützpunkt Rheinland in Müngersdorf eine Rolle?

Na klar. Die Nähe zum Stützpunkt bedeutet eine Nähe zu den Aktiven. Zum Beispiel zu den Mitgliedern der beiden Hockeyteams. So freuen wir uns, immer wieder auch Athletinnen und Athleten bei Veranstaltungen bei uns im Haus begrüßen zu können.

Bei Olympischen Spielen richtet sich der Blick der Sportwelt reflexartig auf den Medaillenspiegel. Worauf achten Sie als Museumsleiter bei Olympia?

Es waren grandiose Spiele, bei denen grandiose Bilder in die Welt gesendet wurden. Eine Stadt wie Paris ist mit ihrer Geschichte, ihrem Charme und ihrer Kultur prädestiniert, ein solches Weltereignis in Szene zu setzen. Für mich verbindet sich damit ganz elementar auch Emotion. Wenn man die vielen jungen Menschen sieht, die aus aller Welt zusammenkommen, um sich im Wettkampf auf faire Weise miteinander zu messen, ist das grandios. Es ist wie eine Utopie einer friedlichen, freundlichen Welt. In Zeiten, wie diesen, ist das eine Vision, die ans Herz gehen kann. Und natürlich sind auch Medaillen von Belang. Sie sind so etwas wie das Salz in der olympischen Suppe.

Bachvolleyball wurde bei den Olympischen SPielen in Paris in unmittelbarer Nähe des Eiffelturms gespielt.++

Bachvolleyball wurde bei den Olympischen SPielen in Paris in unmittelbarer Nähe des Eiffelturms gespielt.

Und, hat Deutschland genug Medaillen gewonnen?

Das ist wie beim Metzger: Darf es etwas mehr sein? Freilich sollten wir uns nicht auf die bloße Zahl der Medaillen fokussieren. Auch Platzierungen knapp neben dem Treppchen stehen für großartige Leistungen. Im Übrigen sollten wir uns fragen, welche Kosten und Nutzen sich mit einer Medaille verbinden. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat gerade ausgerechnet, dass jede „deutsche Medaille“ von Paris den Steuerzahler etwa 3,7 Millionen Euro gekostet hat. Ist das viel oder wenig? Und welcher gesellschaftliche Mehrwert verbindet sich mit Medaillen? Im Übrigen sollte man den Wert der Olympischen Spiele, deren Kosten natürlich immens sind, nicht nur am Erfolg der „eigene“ Mannschaft festmachen. Wie gesagt: Die Spiele setzen ein Zeichen und stehen für elementare Werte einer humanen Weltgemeinsacht. An dieser Stelle relativiert sich die Bedeutung einer Medaille.

Beachvolleyball am Eiffelturm, Fechten im Grand Palais, Reiten am Schloss Versailles – hat Paris neue Maßstäbe gesetzt?

Das denke ich schon. Auch andere Städte, sagen wir Rom oder Athen oder London, bieten ein grandioses Ambiente für das Großfest des Sports. Aber diese Kulisse in Paris mit dem überragenden Eiffelturm war schon besonders. Auch die Idee, die Spiele in die Mitte der Stadt zu bringen. Die Paralympics werden übrigens auf den Champs-Élysées eröffnet. Auch dort können viele Zaungäste dabei sein, ohne teure Tickets fürs Stadion erwerben zu müssen. Das nächste Mal, in vier Jahren in Los Angeles, werden wir andere Spiele mit einem anderen Geist erleben. Das mögen manche bedauern, aber dies entspricht der Idee olympischer Wanderspiele. Das immer Gleiche in immer anderem Gewand. Ich finde das gut.

Beim Ringen hat die Teilnahme von Trans-Athletinnen für Diskussionen gesorgt. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) wirkte überrascht von der Thematik. Aber Diversität und Gender-Debatte gehören in die Zeit. War das eine Pariser Besonderheit?

Wenn man sich die Geschichte der Olympischen Spiele betrachtet, dann erkennt man, dass sich diese wie ein Spiegel allgemeiner politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen ausnehmen. Bisweilen auch als ein Katalysator. Dies gilt etwa auch für die Frage von Diversität. Der Sport, auch der olympische, ist kein Allheilmittel für alle Widrigkeiten unserer Zeit. Aber ein medial überragendes Ereignis wie die Olympischen Spiele können und dürfen durchaus Zeichen setzen. Diesbezüglich besteht meines Erachtens auch eine Verantwortung, die das IOC sowie die nationalen Verbände, in gewisser Weise vielleicht auch die Aktiven wahrnehmen sollten.

Sehr verlässlich wird auch eine deutsche Olympiabewerbung diskutiert. Was meinen Sie?

Natürlich wäre das für unser Haus eine wunderbare Sache, wenn wir uns in eine Bewerbung um Olympische Spiele einbringen könnten. Es gehört zu unserem Auftrag, die Geschichte und Relevanz des Sports in seiner Vielfalt und Breite einem interessierten Publikum zu vermitteln. Das ist im Kontext einer Olympiabewerbung zu tun, wäre eine Aufgabe, der wir uns sehr gerne stellen würden.

Versuche gab es schon mehrfach.

Das stimmt. Und diese sind seit den Spielen von 1972 in München immer schmerzlich gescheitert. Aus meiner Sicht wäre es hilfreich, die Gründe für die Vergeblichkeit des Bemühens intensiv ins Auge zu fassen und daraus Rückschlüsse für einen neuen Anlauf zu ziehen. Im Übrigen hat die Vergangenheit gezeigt, dass es selten im ersten Anlauf gelingt. Von daher ist neben manch anderem auch ein langer Atem vonnöten. Aber auch die Überzeugung, dass es sich lohnt, das vermeintlich Unmögliche möglich zu machen. In einem Land mit einem wirtschaftlichen Potential wie Deutschland sollte man sich zudem die Frage stellen, ob man sich auch in Zukunft immer wieder einladen lassen möchte, ohne sich selbst auch einmal als Gastgeber ins Zeug legen zu wollen.

Berlin oder Rhein-Ruhr?

Da möchte ich mich jetzt nicht festlegen. Grundsätzlich traue ich jeder Stadt und Region in Deutschland zu, großartige Gastgeber für großartige Spiele zu sein. Freilich müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Zum Beispiel eine entsprechende Infrastruktur, damit nicht umfänglich gebaut werden muss. Wichtig für die Wahl des besten Ortes ist es aber auch und nicht zuletzt, die Menschen vor Ort mitzunehmen, aber auch deutlich zu machen, dass ein olympisches Großprojekt auch eine Chance für das ganze Land darstellt. Auch wenn man für diese tief in die Tasche greifen muss.

Welcher Eindruck bleibt von Olympia in Paris?

Für mich sind es die grandiosen Bilder. Die vielen Menschen an der Strecke, die sich von den Leistungen der Aktiven mitnehmen lassen und auch die „anderen“ bejubeln. Ein Bild, das mich am Schlusstag beeindruckt hat. Nach ihrer deutlichen Niederlage im Finale standen die amerikanischen Volleyballerinnen in Reihe am Netz, um ihren italienischen Kontrahentinnen zu applaudieren.


Große Pläne zum Jubiläum des Museums

25 Jahre wird das Deutsche Sport & Olympiamuseum in diesem Jahr alt. Gefeiert werden soll Ende November. Das Museum im Rheinauhafen wird privat betrieben, Geldgeber ist die Stiftung Deutsches Sport & Olympiamuseum. Etwa 100 000 Gäste besuchen jedes Jahr das Haus, in diesem Jahr gab es anlässlich der Handball-EM im Januar, der Fußball-EM im Sommer und der Olympischen Spiele in Paris zahlreiche Zusatzveranstaltungen. Vor dem Abflug nach Paris hatte die deutsche Handball-Nationalmannschaft im Rahmen eines Trainingslagers das Museum besucht.

Am 1.Dezember wird der Museums-Geburtstag mit einem Tag der Offenen Tür gefeiert. Das gesamte Programm soll in Kürze vorgestellt werden. Noch bis zum 8. September hat das Museum täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Deutlich digitaler soll die neue Ausstellung werden, für die Konzeption waren bereits vor drei Jahren rund 3,5 Millionen Euro veranschlagt worden. Fördergelder sollen von Land und Bund kommen. Es sind Gesamtinvestitionen in zweistelliger Millionenhöhe geplant, die Verwaltung soll in ein Staffelgeschoss auf dem Dach ziehen.