Ratgeber zum Schutz gegen CoronaBoostern oder nicht – und wenn ja, wann?
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Der Herbst steht vor der Tür, die Corona-Gefahr steigt langsam wieder an. Viele Menschen sind verunsichert, weil sie nicht wissen, wann sie sich erneut impfen lassen sollen. Wichtigster Rat: Den Arzt fragen.
Die neue Impfkampagne gegen das Coronavirus beginnt in NRW holprig: Ärzte müssen Termine absagen, weil der neue Impfstoff nicht in der angekündigten Menge in den Praxen ankommt. Zudem sind viele Bürgerinnen und Bürger verunsichert, ob, wann und mit welchem Impfstoff sie sich boostern lassen sollen. Was empfehlen die Experten?
Welche Impfstoffe stehen zur Verfügung?
In diesen Tagen liefert der Bund etwa 15 Millionen Dosen Impfstoffe der Hersteller Biontech/Pfizer und Moderna an die Länder. Es handelt sich um Impfstoffe, die im Vergleich zu den bisherigen in ihrer Wirksamkeit gegen die Omikron-Untervariante BA.1 verbessert wurden und zur Auffrischungsimpfung (Booster), nicht aber zur Grundimmunisierung dienen. NRW soll davon zwei Millionen (Biontech) beziehungsweise 800000 (Moderna) Dosen erhalten.
Allerdings funktioniert die Lieferung vielerorts nicht wie geplant. Manche Arztpraxen müssen Booster-Impftermine absagen oder verschieben, weil bisher nicht genügend Dosen geliefert wurden. „Hier gibt es eindeutig noch Luft nach oben“, sagte Dr. Frank Bergmann, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO), unserer Redaktion. Das Bundesgesundheitsministerium habe die Ärzte sehr spät über die Lieferprobleme informiert.
Voraussichtlich im Oktober dürften weitere Impfstoffe für die Auffrischungsimpfung zur Verfügung stehen. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hat ein Produkt von Biontech/Pfizer für Personen ab zwölf Jahren zugelassen, das an die Omikron-Virusvarianten BA.4/BA.5 angepasst wurde. Das sind die Omikron-Untertypen, die derzeit offenbar fast alle Corona-Erkrankungen in Deutschland verursachen.
Welche Empfehlungen gibt es für die Auffrischungsimpfung?
Die EU-Behörde EMA hat zwar die neuen Booster-Impfstoffe für die Varianten BA.1 sowie für BA.4/BA.5 für Menschen ab zwölf Jahren zugelassen, aber in Deutschland gibt es zum Boostern von Jüngeren noch keine allgemeine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko). Sie empfiehlt bisher die Auffrischungsimpfung für Menschen ab 60 Jahren und Personen ab fünf Jahren mit einem erhöhten Risiko für schwere Covid-19-Verläufe infolge einer Grunderkrankung. In den kommenden Tagen wird eine aktualisierte Einschätzung der Stiko erwartet, aber bis dahin dürften sich viele unter 60-Jährige fragen, ob sie sich jetzt erneut boostern lassen sollten.
Was raten Fachleute aus der Wissenschaft?
Sie sind sich nicht einig, und das macht es kompliziert. Der Bonner Virologe Prof. Hendrik Streeck hat gegenüber „Bild“ gesagt, er lasse sich in diesem Herbst nicht boostern, weil er zuvor schon dreimal geimpft worden sei und im Sommer mit Corona infiziert gewesen sei. Die überstandene Infektion wirke wie ein zweiter Booster. Auch ohne Infektion sei für ihn eine vierte Impfung derzeit nicht nötig, weil drei Impfungen gesunde Menschen unter 60 Jahren gut vor einem schweren Verlauf schützten.
Nach der Zulassung eines weiteren Omikron-Boosters in der EU rät der Dortmunder Immunologe Prof. Carsten Watzl Risikogruppen nach der Zulassung eines weiteren Omikron-Boosters in der EU dazu, nicht auf dessen Verfügbarkeit in Deutschland zu warten. „Wer unter die bisherige Empfehlung der Ständigen Impfkommission für eine zweite Auffrischimpfung fällt – also über 60-Jährige und Vorerkrankte – , der sollte jetzt besser den an die Omikron-Variante BA.1 angepassten Impfstoff nehmen, der in diesen Tagen bei den Hausärzten ankommt“, sagte er.
Wie verhält sich die Ärzteschaft in NRW zu dieser Lage?
In dieser komplizierten Situation mit neuen Impfstoffen, fehlenden Expertenempfehlungen, individuell unterschiedlichem Impfstatus und der offenen Frage, wie sich die Pandemie im Herbst entwickelt, rät KVNO-Chef Bergmann, „dass Impfinteressierte ihren Haus- oder Facharzt aufsuchen und mit ihm eine Auffrischimpfung sowie den geeigneten Zeitpunkt individuell besprechen“. Risikopatienten sollten die zweite Auffrischungsimpfung möglichst rasch durchführen lassen und nicht auf den an die BA.5 angepassten Impfstoff warten. Zudem sollte in der Regel zwischen dem ersten und dem zweiten Booster ein Abstand von sechs Monaten liegen. Die Empfehlung der Stiko sei nur eine Orientierungshilfe für die Ärzte. „Die eigentliche Impfentscheidung treffen sie dann individuell in eigenem ärztlichen Ermessen mit Blick auf den Gesundheitszustand ihrer Patientin oder ihres Patienten“, erklärt Bergmann.
Wo kann man sich impfen lassen?
Das NRW-Gesundheitsministerium hat die Kommunen aufgefordert, ihre Impfkapazitäten so hochzufahren, dass wöchentlich rund 90000 Menschen in NRW geimpft werden können. Die wichtigste Säule der Impfkampagne bleiben Haus- und Fachärzte, außerdem impfen manche Apotheken sowie Betriebsmediziner. Angesichts der unübersichtlichen Lage komme die Frage nach den kommunalen Impfzentren im Moment zu früh, sagt Gehle. Der Weg in die Praxen sei zu bevorzugen.