Seit Monaten sind fiebersenkende Präparate für Kinder knapp in Oberberg. Ibuprofenhaltige Fiebersäfte oder Paracetamol-Zäpfchen sind kaum zu bekommen.
MedikamentenengpassAuch in Oberberg fehlen Fiebersaft und Zäpfchen
Allerdings sind diese Artikel nicht die einzigen Präparate, die in den Apotheken vielfach auf der Warteliste stehen. Bereits im vergangenen Jahr, so der Gummersbacher Allgemeinmediziner Dr. Jochen Viebahn, seien zwischen 250 und 300 Medikamente nicht zuverlässig erhältlich gewesen. Das bestätigt auch der Gummersbacher Apotheker Sven Schliwa. Hier einige Fragen und Antworten rund um die Medikamentenknappheit und wie man sich unter Umständen mit bewährten Hausmitteln behelfen kann.
Seit wann sind bestimmte Präparate nicht verfügbar?
Im Vergleich zu den Zeiten vor Corona hat sich die Zahl der nicht verfügbaren Präparate verdoppelt. Das berichtet Dr. Jochen Viebahn. Darunter sind gängige und teils lebenswichtige Medikamente wie Blutdrucksenker, Antibiotika oder Insulin. Sogar Präparate für die Behandlung von Krebspatienten sind nicht ohne weiteres zu bekommen, wie Viebahn berichtet. „Das aktuelle Problem ist schon sehr bedeutend“, sagt er. Den Grund für die Knappheit sieht er vor allem darin, dass die Hersteller ihre Produktion ausgelagert haben.
Das beklagt auch Schliwa. Vor allem in China und Indien werde produziert. Trotz bestehender Rabattverträge mit den Krankenkassen in Deutschland gebe es aber keine Lieferpflicht, so dass es immer wieder zu Engpässen komme.
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Gibt es eine Erklärung dafür, dass Fiebersäfte oder Fieberzäpfchen so knapp geworden sind?
Früher gab es mehrere Hersteller wie Hexal, Stada oder Ratiopharm. Heute nur noch einen, berichtet Viebahn. Der Grund für diese Entwicklung sei, dass sich die Herstellung nicht mehr lohne. Die Krankenkassen würden den Herstellern nicht genug bezahlen. Also scheitert eine zuverlässige Lieferung mal wieder am Geld? „Es ist paradox“, sagt Viebahn.
Viele Hersteller würden ihre Präparate ins Ausland liefern, weil sie dort mehr Geld dafür bekommen als in Deutschland. Das bestätigt auch Schliwa. Er berichtet, dass viele Deutsche, die an der Grenze zu den Niederlanden lebten, dorthin fahren würden, weil dort die Präparate, die in Deutschland Mangelware seine, ohne Probleme zu bekommen seien.
Und wie reagieren die Interessenvertreter der Ärzte auf diese Entwicklung?
Alle Fachgesellschaften von Kinderheilkunde bis zur Intensivmedizin, so sagt Viebahn, hätten die Politik aufgefordert, dass wieder in Europa produziert wird, so dass es nicht zu den Engpässen kommt, die wir im Augenblick erleben.
Was rät Viebahn den Eltern kleiner Patienten, wenn sie keine Fiebersäfte oder Zäpfchen bekommen?
Bei leicht erhöhter Temperatur, und die gehe bis zu 38,5 Grad Körpertemperatur, habe man früher Wadenwickel gemacht, den Patienten viel trinken lassen. Auch Naturheilmittel wie Holunder- oder Lindenblütentee seien eine Option. An der Wirkweise alter Hausmittel habe sich ja nichts geändert, wie der Allgemeinmediziner sagt. Und man müsse auch erkennen, dass Fieber eine Reaktion des Körpers ist, die ja auch zeige, dass der Körper auf einen Infekt anspreche und sich wehre.
Und was ist, wenn das Fieber mit den Hausmitteln nicht sinkt?
Natürlich dürfe man Fieber auch nicht verharmlosen, betont der Arzt. Ein bis zwei Tage könne man warten. Wenn dann aber das Fieber Richtung 39 Grad steige und oder andere Symptome hinzukämen, sei es geboten, zum Arzt zu gehen und dann auch Ibuprofen zu verabreichen.
Kommt das Problem für die Apotheker überraschend?
Ein klares „Nein“ kann da nur Sven Schliwa sagen. Die Apotheker in Deutschland hätten bereits im Jahr 2012 vor einer Situation, wie man sie jetzt erlebe, sehr eindringlich gewarnt. Und jetzt seien die Apotheken im Land gefordert, ständig Notlösungen zu entwerfen.
Gibt es eine Erklärung dafür, dass gerade die Fiebersäfte für Kleinkinder derart im Fokus stehen?
Für die ganz Kleinen im Alter von 6 bis 24 Monaten gebe es keine Alternative, sagt der Apotheker, betont aber auch wie Viebahn, dass Hausmittel durchaus ein probates Mittel sein könnten. Allerdings: „Wer kann denn heute noch Wadenwickel?“, sagt Schliwa. Wenn aber dann doch Fiebersäfte benötigt würden, könne es nicht sein, dass beispielsweise eine alleinerziehende Mutter mit ihrem kranken Kind im Auto von Apotheke zu Apotheke fahren müsse und am Ende doch nichts bekomme.
Wie könnte man der Situation noch begegnen?
Schliwa würde gerne mehr Präparate selbst herstellen, doch auch hier seien den Apothekern Grenzen gesetzt worden. Seit dem Jahr 2012 dürfen Apotheker keine kleinen Serien mehr herstellen. Sogenannte Defekturen, also auf Vorrat hergestellte Rezepturen, sind seitdem untersagt.
„Früher hätte man auch mal 30 Packungen Paracetamol-Zäpfchen herstellen und auf Vorrat hinlegen können, heute müsste man für jeden Kunden eine neue Gießprozedur starten“, sagt der Gummersbacher Apotheker, was bei den Preisen, die die Krankenkassen zahlten, nicht darstellbar sei.