Zu Gast bei Lit.Cologne in KölnWas Joschka Fischer über den Ukraine-Krieg denkt
Köln – Ex-Außenminister Joschka Fischer unterstützt im Ukraine-Krieg die Position der Nato. Der Westen müsse auf die brutale Aggression des russischen Präsidenten mit Entschlossenheit und Vorsicht reagieren. Diese Vorsicht habe nichts mit Feigheit zu tun, sondern angesichts des enormen Eskalationspotenzials mit Klugheit und Umsicht. „Ich finde die Haltung der Nato richtig: Kein Zentimeter Nato-Territorium, aber keine direkte militärische Konfrontation auf dem Boden der Ukraine.“
Fischer: Putin befindet sich im Rückwärtsgang
Der 73-jährige Grüne stellte auf dem internationalen Literaturfestival „lit.COLOGNE“ sein neues Buch „Zeitenbruch“ vor. Putin habe, so Fischer, den Rückwärtsgang eingelegt, orientiere sich an militärischer und territorialer Größe. „Das waren die entscheidenden Kategorien der Definition von Macht im 19. Jahrhundert. Im 21. Jahrhundert zählt an erster Stelle Technologie.“ Im technologischen Wettbewerb könne Russland aber weder mit China noch mit den USA oder der EU mithalten.
Putins Ziel: Europas Ordnung verändern
Russland sei eine revisionistische Macht, die die bestehende Ordnung in Europa unter Einsatz von militärischer Gewalt zu ihren Gunsten verändern möchte. Putin wolle die ganze Ukraine, weil das die Voraussetzung für die Wiedergewinnung der russischen Hegemonie in Osteuropa sei. Und das wiederum sei die Voraussetzung für weitere Ambitionen. „Wir müssen die Angst der Menschen im Baltikum schon aufgrund ihrer historischen Erfahrung mit Russland sehr ernst nehmen.“ Für Putin sei die Demütigung durch die Auflösung der Sowjetunion die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts. „Das ist der Kern seines Weltbildes. Dieses zu revidieren, ist die Aufgabe, die er sich gestellt hat.“ Der Angriff auf die Ukraine sei auch ein Angriff auf Europa. Für die EU sei der Krieg eine Zäsur. Man sehe nun, dass es ohne militärische Stärke nicht geht.
Hoffen, dass ein Atomkrieg vermieden wird
Fischer findet es richtig, dass die Bundesregierung einen sofortigen Importstopp von russischem Gas und Öl ablehnt. Dies könne eine große Wirtschaftskrise mit Hunderttausenden Arbeitslosen auslösen. Auf die Frage, ob der russische Präsident wenigstens vor einem Atomkrieg zurückschrecken würde, sagte der ehemalige Außenminister: „Ich hoffe, dass es noch einen Rest von Rationalität in Wladimir Putin gibt.“ Der russische Präsident sei dabei, auch sein eigenes Land zu zerstören.
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Joschka Fischer war von 1998 bis 2005 Außenminister und Vizekanzler. 1999 musste er den ersten Kriegseinsatz der Bundeswehr im Kosovo verantworten.