Berlin – Berliner Jusos fordern feministische Pornografie im Angebot des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Deutschland, das geht aus einem Antrag an die Kreisdelegiertenversammlung vom Wochenende hervor. Unter dem Titel „Auf in die neue Pornozeit“ setzt sich die SPD-Jugend im Bezirk Berlin-Mitte für eine Aufnahme von feministischen Pornos in das Programm von ARD und ZDF ein. Der „Tagesspiegel“ hatte zuerst über den Antrag berichtet.
Hintergrund der Forderung: Herkömmliche pornografische Filme, wie sie im Internet bei dutzenden Portalen ohne große Hürden zu finden sind, würden häufig sexistische und rassistische Stereotype verbreiten. Auch die Arbeitsbedingungen der Darstellerinnen und Darsteller seien „meist undurchsichtig“, heißt es im Antrag der SPD-Jugend.
Porno-Portale gehören zu den meistaufgerufenen Webseiten in Deutschland
Zudem zeigten Berichte wie „The Children of Pornhub“ (eine ausführliche Recherche der New York Times zum Thema), dass gegen systematischen Missbrauch von Minderjährigen in der Porno-Branche „nichts unternommen“ werde – und so „Missbrauch und Ausbeutung“ gefördert werde.
In ihrem Antrag gehen die Jusos von rund 100 Millionen täglichen Nutzern von Porno-Webseiten weltweit aus. Die Online-Marketing-Firma Semrush gibt in ihrer Analyse der Webseiten-Nutzung gleich sieben Porno-Webseiten in den Top 100 der Berechnungen der Firma zufolge am meisten aufgerufenen Webseiten in Deutschland im Jahr 2021 an – zusammen kommen sie demnach auf mehr als 225 Mio. Seitenaufrufe im Jahr.
Feministische Pornos sollen gebührenfrei verfügbar sein
Dieser Masse an herkömmlichen Pornos wollen die Jusos nun etwas entgegensetzen. „Da vor allem im Internet kostenlose Pornografie konsumiert wird, muss auch feministischer Porno gebührenfrei, dauerhaft und niedrigschwellig verfügbar sein“, heißt es im Antrag.
Denkbar sei dafür eine Filmförderung nach schwedischem Vorbild auch in Deutschland zu entwickeln. Dort wurde im Jahr 2009 erstmals ein solcher Porno vom Schwedischen Filminstitut produziert. Derartige antirassistische und feministische Pornografien sollten dann von den öffentlich-rechtlichen Sendern angekauft und in den Online-Mediatheken verfügbar gemacht werden, schlagen die Jusos vor.
Feministische Pornos sollen „realistische Darstellung von Lust“ gewährleisten
Für die Produktion der Filme sollten demnach bestimmte Regeln gelten: So solle eine Vielfalt von Körperformen, Geschlechtern und ethnischen Herkünften dargestellt werden. Zudem solle bei solchen Produktionen stets verhütet werden (und wenn nicht, soll der Konsens darüber dargestellt werden). Konsens und Kommunikation zwischen den Sexpartnern soll ebenfalls explizit dargestellt werden und gute und gerechte Arbeitsbedingungen ebenso sichergestellt werden wie eine faire Bezahlung. Auch die „realistische Darstellung von Lust“ der Beteiligten werde angestrebt.
In Sachen Pornografie ist das jedoch nicht der einzige Vorschlag der Berliner Jusos: Auch „Pornografiebildung“ soll Bestandteil im Sexualkundeunterricht werden. Pornografiesucht soll zudem als Sucht anerkannt werden, sodass Krankenkassen die Therapiekosten übernehmen müssen.
Forderung an die WHO: Pornografiesucht als Sucht anerkennen
Außerdem solle der Bund eine Stelle für Pornografie schaffen, die zur Aufgabe habe, „Information, Beratung und auf Wunsch Unterstützung für Darstellerinnen und Darsteller zu gewährleisten, wissenschaftliche Untersuchungen durchzuführen, eine funktionierende Beschwerdestruktur aufzubauen und Vorgehensweisen zur besseren Kontrolle von Plattformen zu entwerfen und voranzubringen.“
Auch die Mainstream-Pornoanbieter sollen, wenn es nach den Berliner Jusos geht, weiter reglementiert werden. Die jungen Sozialdemokraten wünschen sich, dass Anbieter wie Pornhub, Xhamster und Co. verpflichtet werden, „feministische, aufklärende und suchtpräventive Clips vor den pornografischen Inhalten“ vorschalten zu müssen. Mit ihrem Antrag fordern die Jusos nun die SPD-Mitglieder im Bundestag und in den Landtagen dazu auf, sich für derartige Änderungen einzusetzen.
Experten: Suchtpotential für Pornos vergleichbar mit Heroin
Warnungen vor Problemen, die die wenig reglementierten Internet-Pornos mit sich bringen können, sind nicht neu. Gerade während der Corona-Pandemie sei Pornografie-Sucht zu einem gesellschaftlichen Problem geworden, heißt es von Experten. Von „grauenhaften Auswüchsen“ sprach der Präsident des österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie, Peter Stippl, bereits im März 2021.
Suchtexperte Michael Musalek erklärte zudem bei einer Veranstaltung des österreichischen Vereins „Safersurfing“, das Suchtpotential für Pornos sei eher vergleichbar mit Heroin als mit Alkohol. Auch die Experten sprachen sich schon damals für die Anerkennung als Sucht durch die WHO aus.