Mysteriöse VerbrechenKölner Kriminalbiologe Mark Benecke rollt alte Mordfälle auf
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Köln – Für mysteriöse Mordfälle und grausame Verbrechen braucht es keine Fiktion – das reale Leben schreibt Horrorgeschichten über Mord und Totschlag selbst verlässlich.
Im True-Crime-Genre (Wahre Verbrechen), das sich seit Jahren im Höhenflug befindet, bereiten Dreh- und Hörbuchautoren echte Mord- und Vermisstenfälle dramatisch auf und unterhalten damit ein Millionenpublikum.
Nachdem der Podcast „Serial“, der in Hörform reale Kriminalfälle aufrollte, in zwei Staffeln enorme Erfolge feierte, löste die Netflix-Dokumentar-Serie „Making a Murderer“ seit 2015 sogar die Debatte um die Ungereimtheiten bei der Aufklärung eines augenscheinlich gelösten Mordfalls in den USA aus.
Auch das deutsche Fernsehen versucht nun auf sehr eigene Art, ein Stück der Begeisterung in Quotenerfolge umzumünzen. Mit „Tatsache: Mord? Auf der Spur des Verbrechens“ läuft am Mittwochabend zur Prime Time auf Sat.1 eine Doku, in der es um sechs mehr oder minder bekannte Kriminalfälle geht.
„Alle Fälle sind sorgfältig aufbereitet und recherchiert worden, sodass die Verbrechen detailgetreu, aber auch mit Fingerspitzengefühl erzählt werden“, sagt die „Tatsache: Mord?“-Moderatorin Kamilla Senjo.
Aufwendige Animationen und Effekte
Mit aufwendigen Computeranimationen und visuellen Effekten möchte Sat.1 die Arbeit der Ermittler „so greifbar und anschaulich wie nie zuvor“ machen.
Als Experte ist unter anderem Mark Benecke im Einsatz. Der Kölner ist der wohl bekannteste deutsche Kriminalbiologe und ein Star seines Fachs, in der Sendung hat er allerdings nur einen kurzen Auftritt. Mit dabei ist auch die Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen.
Im Fokus stehen unter anderem: der Mord an Pastorengattin Veronika Geyer-Iwand, das spurlose Verschwinden der Familie Schulze aus dem niedersächsischen Drage sowie der Mordfall der Millionärs-Witwe Charlotte Böhringer, bei dem bis heute Zweifel bestehen an der Schuld des vermeintlichen Täters, ihrem Neffen Benedikt T.
Kann die deutsche Produktion mithalten?
Ähnlich wie etwa „Making a Murderer“ arbeitet „Tatsache: Mord?“ mit existierenden Filmaufnahmen. Anders als in den USA genießen Täter und Opfer von Verbrechen hierzulande aber eine stärkere Privatsphäre, weshalb es naturgemäß weniger Filmmaterial gibt und die deutsche Produktion daher auf eine Reihe von Schauspielern zurückgreift.
Kamilla Senjo taucht indes immer wieder wie eine Lichtgestalt in angehaltenen Szenen an. Ob das digital oder real funktioniert, lässt sich in manchen Szenen nur vermuten.
Die Anwesenheit der Moderatin schafft immerhin eine Nähe zum Geschehen und lässt den Zuschauer am Erzählort, ohne in der Szenerie zu künstlich zu wirken. Die angekündigten Computeranimationen lenken weder vom Inhalt der Sendung ab noch werden sie als Mittel zur künstlichen Spannungssteigerung eingesetzt.
Von einigen der besprochenen Kriminalfälle hat man schon gehört, sich wahrscheinlich sogar vor Jahren während der Nachrichten gedacht, wie schrecklich Menschen doch sein können.
Ob die Sendung in Deutschland wohl einen ähnlichen Effekt wie „Making a Murderer“ in den USA haben könnte? Die True-Crime-Serie startete in der amerikanischen Öffentlichkeit eine heftige Diskussion um den behandelten Mordfall, dessen Aufklärung unzählige Widersprüche aufwies.
In der deutschen Produktion hat womöglich ein Fall das Potenzial für einen ähnlichen Effekt. Die dünne Beweislage und widersprüchliche Ermittlungsergebnisse lassen einen beinahe sicher glauben, man wisse, dass der Verurteilte nicht der Mörder sein kann.
Da kann man sich vor dem Bildschirm dann auch so richtig über die Ungerechtigkeit der bis heute andauernden Inhaftierung empören. Als dann auch noch die Verbindung zu einem Jahrzehnte alten Verbrechen hergestellt wird, läuft einem womöglich sogar ein Schauer über den Rücken, wie man es vor der Sendung wohl nicht erwartet hätte.
Andere Ermittlungen ähneln eher „Aktenzeichen XY“, inklusive der Bitte um sachdienliche Hinweise. „Tatsache: Mord?“ hat einige spannende Momente, kann aber mit internationalen Produktionen nicht annähernd mithalten.