Porträt zum 100.GeburtstagWie Christopher Lee als Schurke in die Geschichte einging
Um Sir Christopher Lee ranken sich einige Legenden. So soll er angeblich ein direkter Nachfahre Karls des Großen sein und als Augenzeuge die letzte öffentliche Hinrichtung mit der Guillotine in Frankreich erlebt haben. In den 50er Jahren sei er sogar „Herr der Ringe“-Schöpfer J.R.R. Tolkien in einem Pub begegnet, der Lee seinen Segen dafür gegeben habe, in einer Verfilmung des Fantasy-Epos den Zauberer Gandalf spielen zu dürfen.
Doch egal, ob es sich bei diesen Geschichten um Mythos oder Tatsache handelt, eines ist unumstößlich: Christopher Lee, der am 27. Mai seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, ist als Bösewicht-Darsteller par excellence in die Filmgeschichte eingegangen.
Graf Dracula versetzt in Angst und Schrecken
1922 kommt Christopher Frank Carandini Lee in London zur Welt. Im Zweiten Weltkrieg dient er bei der Royal Air Force – für ihn eine prägende Zeit. „Als der Krieg vorbei war, war ich 23 Jahre alt und hatte schon so viel Schreckliches gesehen, dass es für ein ganzes Leben reichte“, sagte Lee in einem Interview. Nach seinem Ausscheiden aus dem Militär entscheidet er sich für eine Karriere als Filmschauspieler.
1958 gelingt der Durchbruch: Als Graf Dracula in der Bram-Stoker-Adaption unter Regie von Terence Fisher versetzt Christopher Lee das Kinopublikum in Angst und Schrecken. Mehr als ein halbes Dutzend Mal mimt Lee den Blutsauger-Fürsten und spielt auch in vielen weiteren Gruselstreifen der Hammer Film Studios mit.
In den 70er-Jahren verlässt Lee die „Horror-Schublade“
Mitte der 70er-Jahre erfolgt jedoch ein Sinneswandel und die Abkehr von der Rolle als Vampir: Zu groß ist Lees Sorge, ausschließlich in die Horror-Schublade gesteckt zu werden. Zum Bösewicht prädestiniert scheint er aber trotzdem: 1974 wird er als Francisco Scaramanga der Gegenspieler James Bonds in „Der Mann mit dem goldenen Colt“. Ikonische Antagonisten verkörpert der Brite auch in „Star Wars“ als Sith-Lord Count Dooku und Anfang der 2000er im Dreiteiler „Der Herr der Ringe“ – obwohl Tolkien ihm angeblich die Figur des weisen Gandalf ans Herz gelegt hatte, muss es natürlich dessen abgrundtief böser Gegenpart Saruman sein.
Und Lee liefert ab – mit durchdringendem Blick, kraftvoller Baritonstimme und seiner ehrfurchteinflößenden Aura verkörpert er den verräterischen Zauberer auf denkwürdige Weise. Doch allem Schurken-Schauspiel zum Trotz: Christopher Lee bleibt menschlich.
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Das lässt sich etwa bei den Dreharbeiten zu „Herr der Ringe“ beobachten: Dort fängt eine Kamera ein, wie Lee beim Hochsteigen einer Treppe ständig an seinem langen Mantel hängen bleibt – der finstere Monolog, den er in dieser Szene eigentlich halten sollte, scheitert wieder und wieder an Stolperern. Schließlich sagt Lee seufzend zu Regisseur Peter Jackson: „Sorry, Peter, ich kann diese blöden Treppen einfach nicht vernünftig hochgehen.“
Ein Herz für Metal
Auch als Sprecher und Musiker war Christopher Lee sehr aktiv. Zwischen 1998 und 2014 brachte er mehrere Singles und Alben heraus. 2010 erschien sein Symphonic-Metal-Konzeptalbum „Charlemagne: By the Sword and the Cross“, das sich mit dem Herrscherleben Karls des Großen beschäftigt – Lees angeblichem Vorfahren aus dem Mittelalter. (crb)
Auch Lees Privatleben ist frei von Affären und Skandalen: 1961 heiratet er das dänische Model Birgit Krøncke, mit der er bis an sein Lebensende zusammen ist. 1963 wird die gemeinsame Tochter geboren. Auch wenn es für jemanden, den die Darstellung von verschlagenen Bösewichten und mörderischen Monstern berühmt gemacht hat, ironisch anmutet: 2009 wird Christopher Lee für seine Verdienste um den Film und sein ehrenamtliches Engagement zum Ritter geschlagen.
Fortan ist er Mitglied des britischen Adels und darf den Titel „Sir“ tragen. 2012 und 2014 kehrt er in „Der Hobbit“ noch einmal in seiner Paraderolle Saruman auf die Leinwand zurück. Fast sieben Jahrzehnte steht er vor der Kamera. Am 7. Juni 2015 verstirbt Lee im Alter von 93 Jahren in seiner Heimatstadt London: Als Bösewicht gekommen und als Ritter gegangen.