Interview mit Opern-IntendantHein Mulders spricht über schöne Stimmen und die Mafia
Ein Jahr lang hatte Hein Mulders Zeit, die erste Spielzeit, die er als neuer Opern-Intendant verantwortet, vorzubereiten. Mit Axel Hill sprach der 59-Jährige über schöne Stimmen, niedrige Decken und die niederländische Mafia.
Neben Nanette Snoep und Louwrens Langevoort sind Sie der dritte Niederländer, der eine große Kölner Kulturinstitution leitet...
Die niederländische Mafia! (lacht ironisch). Wir hatten in Holland zum Beispiel viele Belgier in Kunst und Kultur. Wenn jemand woanders herkommt, hat das vielleicht etwas „exotisches“? Ich weiß es nicht... Louwrens und ich schätzen uns sehr, wir hatten seit zehn Jahren in der Intendantenkonferenz der Konzerthäuser miteinander zu tun. Aber mit meiner Ernennung hatte er nichts zu tun. Keine Vetternwirtschaft!
Die erste Spielzeit
Die Saison beginnt am 24. September mit „Les Troyens“ von Berlioz, es folgt Purcells „Miranda“ am 2. Oktober. Beide Produktionen wurden , wie auch „La Bête Dans La Jungle“ (Premiere: 14.4.23), von Mulders Vorgängerin Birgit Meyer angeschoben – ein normaler Vorgang aufgrund der langen Planungszeiten an der Oper. (HLL)
Vielleicht mögen wir hier einfach Holländer gerne?
Das stimmt schon, diese Erfahrung habe ich auch in Essen gemacht. Ich fühle mich immer noch ein wenig wie Rudi Carrell – aber während er seinen Akzent immer kultiviert hat, versuche ich, es Deutsch klingen zu lassen.
Haben Holländer etwas, dass wir nicht haben?
Es ist vielleicht ein Klischee, aber man schätzt wohl an uns, dass wir etwas lockerer und direkter sind. Ich höre auch, wir seien in der Kreativität freier. Das Freiere und Direktere sehe ich in Nordrhein-Westfalen ähnlich, es existiert ja gerade daher auch ein besonderes Gefühl der Verbundenheit zwischen beiden Ländern.
Haben Sie sich die Opernbaustelle angeguckt, bevor Sie den Job zugesagt haben?
Nein. Ich bin ein Laie, was Bau und Sanierung angeht. Als ich aus Köln gefragt wurde, ob ich Interesse habe den Job zu machen, habe ich mich aber intensiver mit der Sanierungsgeschichte beschäftigt. Mir war natürlich klar, dass das hier keine unproblematische Situation ist. Doch jetzt ist wichtig, dass wir nach vorne schauen.
Kannten Sie das Staatenhaus, und wie finden Sie es als Spielstätte?
Ja, auch die vorherigen Interimsstätten Palladium und Musicaldome habe ich als Besucher kennengelernt – um mir dort bestimmte Stücke oder Sänger anzuschauen. Ich halte das Staatenhaus für eine interessante Location, aber es ist eine Übergangssituation. Es gibt große Flächen, mit unvergleichlichen räumlichen Möglichkeiten aber auch mit technischen Einschränkungen: Man kann fast nichts hängen, Beleuchtung ist aufgrund der niedrigen Deckenhöhe nur beschränkt möglich. Das Budget erlaubt ja fünf Neu- und zwei Co-Produktionen. Ich merke, dass ich die meiste Arbeit damit habe, die richtigen Co-Produktionen zu finden. Denn die meisten passen nicht oder sind technisch nicht umsetzbar. Das beschränkt die Auswahl ziemlich. Es sind aber nur noch zwei Jahre, und dann sind wir wieder am Offenbachplatz!
Mich freut Ihre Zuversicht!
Ich komme und trage nicht diese Last, dass über Jahre die Eröffnung immer wieder verschoben wurde. Als ich den Spielplan unseren Abonnent*innen vorgestellt habe, gab es großes Gelächter, als ich von der Eröffnung 2024/25 sprach. Ich habe dann gesagt: Sie können lachen, aber es wird passieren! Ich denke, es ist sehr wichtig positiv in die Zukunft zu schauen, gerade für die, die hart für diese Eröffnung arbeiten.
Diese Einstellung ehrt Sie!
Vielleicht werde ich in den nächsten zwei Jahren Momente haben, in denen ich ungeduldig sein werde, aber ich plane fest für die Eröffnung, und sie wird stattfinden – auch wenn dann vielleicht noch etwas aus der Wand hängt (lacht).
Es wird ja immer von der „internationalen Strahlkraft“ gesprochen, die die Kölner Oper brauche. Ist das wirklich wichtig ?
Das ist ein Synonym für höchste Qualität. Wenn man es lokal hält, rutscht man auf Provinzniveau ab, um es mal klar zu sagen.
Sie sitzen häufig in Jurys internationaler Gesangswettbewerbe. Inwiefern ist das für einen Intendanten wichtig?
Der „Markt“ für Sänger ist immer in Bewegung, Wettbewerbe sind eine Möglichkeit dies zu verfolgen. So habe ich den Bass Baurzhan Anderzhanov für Essen entdeckt, heute eine Perle des Ensembles. Und meine Nachfolgerin übernimmt ihn!
Also auch eine Jobbörse?
Ja, in gewissem Sinne. Oft stürzen sich alle auf dieselben Sängerinnen und Sänger. Man kann auch selber als Opernhaus einen Preis ausrichten, der dann beinhaltet, dass jemand einige Vorstellungen eine bestimmte Partie singen darf, um so Bühnenerfahrung zu sammeln. Das habe ich am Aalto Theater verschiedene Male gemacht.
Ist das für Köln geplant?
Ja, auf jeden Fall.
Sie arbeiten lange im Opernbetrieb. Hat es Sie je gereizt, Regie zu führen?
Nein, nie (lacht). Bei ein, zwei Regisseuren habe ich mal in der Endphase Vorschläge gemacht, hier oder da etwas zu streichen. Denn manchmal haben sie die Neigung, zu viel in eine Inszenierung packen zu wollen. Die Zuschauer können ihre Augen nicht an zwanzig verschiedenen Stellen gleichzeitig haben. Weniger ist mehr. Und ich finde es störend, wenn eine Inszenierung mal szenisch zurückhaltender oder mehr stilisiert ist, dass sie dann gleich in den Kritiken als statisch abgetan werden.
Seit einem Jahr pendeln Sie zwischen Essen und Köln. Haben Sie mittlerweile eine Wohnung gefunden?
Ja! Ich bin sehr glücklich, denn es ist wie in Amsterdam: alles sehr teuer und nichts zu finden. Jetzt habe ich ein Wohnung mitten in der Stadt – und wenn der Offenbachplatz in zwei Jahren eröffnet wird, kann ich zu Fuß zur Arbeit gehen!