Neuer Krimi des Bestseller-AutorsBei John Grisham wird der Jäger zum Gejagten
„Die Angst gefasst zu werden, hatte weniger mit dem Preis zu tun, den er für seine Taten würde zahlen müssen. Viel mehr befürchtete er, aufhören zu müssen.“ Und die Chancen, dass Ross Bannick seine Serie von Morden nicht weiterführen kann, sind zu Beginn von John Grishams neuem Roman „Der Verdächtige“ ziemlich gering. Denn den angesehenen Richter umgibt nicht nur die Aura des Unantastbaren aufgrund seines Amtes. Die Morde, die er in mehr als 20 Jahren begangen hat, weisen zwar wie eine Unterschrift alle dieselben Merkmale auf.
Doch da die in unterschiedlichen US-Bundesstaaten verübt wurden, stellen die ermittelnden Polizisten keine Verbindung zwischen den Fällen her, von einem Bezug zu Bannick ganz zu schweigen. Niemand weiß, dass die Opfer allesamt auf der „Liste des Richters“ (der Originaltitel lautet „The Judge’s List“) stehen, die er gelassen abarbeitet.
Jeri Crosby ist in etwa so manisch wie Bannick: Seit vor zwei Jahrzehnten ihr Vater ermordet wurde, sucht sie den Täter. Durch Akribie und mit Hilfe diverser Privatdetektive kommt sie dem Richter auf die Spur. Doch viel größer als der Wunsch nach Gerechtigkeit und Rache ist ihre Angst, dass Bannick den Spies umdrehen könnte. Hilfe erhofft sie sich von Lacy Stoltz.
Ermittlungsneuland für Lacy Stoltz
Die Juristin hatte Grisham schon in seinem Buch „Bestechung“ ins Ermittlungsrennen geschickt: Sie arbeitet beim „Board on Judicial Conduct“, einer Behörde, die für standeswidriges Verhalten von Richtern zuständig ist. Schmiergelder, Drogenmissbrauch, unlautere Absprachen – damit müssen sich Lacy und ihre zumeist frustrierten Kollegen herumschlagen. Ein Serienmörder wäre da Ermittlungsneuland, wenn auch eigentlich ein paar Nummern zu groß für einen chronisch unterfinanzierten Amtsapparat. Aber die Langeweile, die Langeweile...
Und die macht sich auch auf den ersten Seiten des Krimis breit... Nicht nur Lacy seufzt bisweilen genervt, ob der Salamitaktik, mit der sich Jeri ihr nach und nach Informationen zukommen lässt. Der 67-jährige Grisham zieht eine ganze Zeit die Bremse dem Gaspedal vor.
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Aber so entwickelt er ein faszinierendes Geflecht von Geschichten: Warum sind die Opfer auf der „Liste“ gelandet, und wie hat Jeri die Bezüge herstellen können. Und währenddessen geht das Morden weiter. Richtig spannend wird es, wenn es wie in dem alten Soul-Hit zugeht: „The hunter gets captured by the game“ – wobei nie ganz klar ist, wer nun Jäger und wer Beute ist.
John Grisham. Der Verdächtige. Roman. Deutsch von Bea Reiter, Imke Walsh-Araya und Kristiana Dorn-Ruhl. Heyne. 416 S., 24 Euro.