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Royaler Schlagabtausch bei NetflixWarum die fünfte Staffel von „The Crown“ gemischte Gefühle hinterlässt

Lesezeit 4 Minuten
Netflix' „The Crown“-Darsteller Imelda Staunton und Jonathan Pryce umarmen sich in einem verkohlt aussehendem Raum.

„The Crown“: Imelda Staunton und Jonathan Pryce als Queen Elizabeth und Prince Philip in den Trümmern des ausgebrannten Schlosses Windsor.

Schlammschlachten und Rosenkriege, Scheidungen und Schlösser in Flammen: Das passiert in der neuen Staffel von „The Crown“.

„Ah, look at all the lonely people“ heißt es in „Eleanor Rigby“, und man ist schnell ein wenig verwundert, dass in der neuen und fünften Staffel niemand diesen Beatles-Song leise vor sich hinsummt ob all der einsamen Menschen, die m an in den zehn Folgen ab dem 9. November bei Netflix zu sehen bekommt. Denn die „Mitarbeiter“ der viel beschworenen „Firma“, wie Königin Elizabeth die Monarchie zeit ihres Lebens genannt, agieren allesamt praktisch im Homeoffice. Kommuniziert wird nur in extra einberufenen Runden, beim ein oder anderen Abendessen in mehr oder minder trauter Runde.

Wären wir eine gewöhnliche Familie und das Sozialamt gekommen, hätten sie uns ins Heim und dich ins Gefängnis gesteckt.
Prinz Charles zu seiner Mutter

Egal, welche mediale Bombe die royale Welt erschüttert, die Protagonisten sind allein, wenn sie mit neuen Enthüllungen in Zeitungen, Büchern oder im Fernsehen präsentiert werden. Und davon gab es in den 90er Jahren, die im Focus dieser Staffel stehen, reichlich. Den Höhepunkt bildete dabei der Rosenkrieg zwischen Charles und Diana, den die Kontrahenten via spektakulärer TV-Interviews austrugen.

Aber die Einsamkeit während der Rezeption spiegelt sich wider, wie allein sich alle trotz Entouragen und Hofstaat durchs Leben schlagen müssen. Natürlich gibt es Freunde und Bekannte – doch trauen, das hat hier jeder und jede mit der Muttermilch aufgesogen, kann man niemandem. Immer besteht die Möglichkeit, dass eine Information ausgesprochen, ein Gespräch belauscht oder falsche Tatsachen vorgespiegelt werden.

Und die Beziehungen? Allesamt gestört! Die Queen und Prinz Philipp: auseinandergelebt. Charles und Diana: passten von Anfang an nicht zusammen. Die jeweiligen Ehen von Anne und Andrew: den Bach heruntergegangen. Schließlich Camilla und Charles: unglücklich, weil sie nicht miteinander glücklich sein dürfen – zumindest in dieser Staffel.

Auch die Beziehungen zwischen den Generationen sind problematisch: Diana nutzt ihre Söhne, um gegen Charles Stimmung zu machen. Dieser versucht, seine Mutter zu entmachten, während sie ihn weiterhin im Thronanwärter-Regen stehen lässt.

Gott, das war Mittelklasse. Versprich mir, das nie wieder zu tun!
Margaret zu Elizabeth, nachdem diese ihr sagt, dass sie sie lieb habe.

Dazu sind die Farben gedeckt, die Himmel trübe, die Schlösser verstrahlen keinen Glanz, glamouröse Auftritte von Diana in den berühmt gewordenen Kleidern sind kurz, weil schmerzhaft. Und als sei das nicht genug, soll auch noch die königliche Yacht Britannia verschrottet werden und wird zum Sinnbild einer Monarchie auf dem Prüfstand.

All das Elend macht sich auch beim Zuschauer breit und trägt nach ein paar Folgen zu einer gewissen Ermüdung bei. Doch das mag auch daran liegen, dass die Ereignisse noch recht präsent sind, zuletzt wurden sie ja nach dem Tod der Königin noch einmal rauf und runter erzählt.

Spannend wird es vor allem dann, wenn Personen oder Ereignisse in den Mittelpunkt rücken, die noch nicht von allen Seiten beleuchtet wurden. Die dritte Folge zum Beispiel widmet sich Mouhamed Al-Fayed.

Der zeitweilige Besitzer des Pariser Hotel Ritz und des Londoner Kaufhauses Harrod’s versucht, seinen sozialen Aufstieg durch die Beachtung der Königin zu krönen. Diese versteht es aber, einen Bogen um den in ihren Augen ägyptischen Parvenu zu machen. Ein Verhalten, in dem man den Rassismus des Königshauses erkennen kann, den Meghan und Harry anprangerten.

So sehr man auch bei diesem dritten vollständigen Austausch des Ensembles mit den neuen Gesichtern fremdelt, man kommt schnell an den Punkt, an dem man sie in der Rolle akzeptiert – nicht zuletzt, weil alle Mimik und Manierismen der Originale genauesten gelernt haben. Elizabeth Debicki sieht überhaupt nicht aus wie Diana, aber die Art und Weise, wie sie die Augen aufschlägt und dabei den Kopf schief hält, ist genauso verblüffend wie die Beugung des Oberkörpers beim Gehen.

Dieser hochmoderne Molkereikomplex ist der Beweis für die anhaltende Vitalität der britischen Euter.
Die Queen in einer Ansprache

Und Imelda Stauntons „Lillibet“ ist alles andere als eine flotte 65-Jährige, sondern bieder bis in die letzte Falte ihrer Tweedröcke – manchmal darf sie aber auch die Schärfe einsetzen, mit der sie schon als Dolores Umbridge Harry Potter bis aufs Blut quälte.

Doch schauspielerische Höhenflüge wie die von Gillian Anderson als Margaret Thatcher oder Helena Bonham-Carter als Princess Margaret bleibt diese Staffel schuldig.

Man wird das Gefühl nicht los, dass mit dieser – unterm Strich auf jeden Fall sehenswerten Staffel – vor allem Zeit bis zum großen Finale geschunden werden soll. Ähnlich wie bei der vorletzten Staffel von „Game of Thrones“, dem zweiten der drei „Herr der Ringe“-Filme wird zwar die Geschichte gezählt, aber ohne dabei das ganz große dramaturgische Rad zu drehen. Das hält zwar die beinharten Fans bei der Stange, andere könnten aber vielleicht diese gemächliche Fahrt nutzen, um abzuspringen.