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Netflix-Film „The Highwaymen“Aus dem Schatten von Bonnie und Clyde

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"Am Ende fließt Blut": Frank Hamer (Kevin Costner, rechts) und Kollege Maney Gault (Woody Harrelson).

So richtig sieht man sie nur einmal: Kurz vor Schluss blickt die Kamera in zwei schockstarre, erschreckend junge Gesichter - dann zucken die Körper von Bonnie Parker und Clyde Barrow im Kugelhagel. Das ist die einzige Szene, in der die Netflix-Produktion "The Highwaymen" dem berühmtesten Film über das historische Gangsterpaar ähnelt: Arthur Penns "Bonnie und Clyde" (1967).

Da aalten sich Faye Dunaway und Warren Beatty lasziv im Glamour der Gesetzlosen, von dem Drehbuchautor John Fusco und Regisseur John Lee Hancock hier nichts übrig lassen. Wobei sie den Jägern der Outlaws zwar Gerechtigkeit, aber keine Verklärung gönnen.

Bei diesen alten weißen Männern geht gar nichts mehr schnell. Frank Hamer (Kevin Costner) attestiert seinem Kollegen Maney Gault (Woody Harrelson): "Du gehst wie ein 80-Jähriger." Allerdings liegt auch Frank schon nach kurzer Verfolgung eines flinken Botenjungen japsend am Boden. Trotzdem sind diese Texas Ranger, von der Gouverneurin (grimmig: Kathy Bates) widerwillig aus dem Ruhestand geholt, zweifellos Profis. Hamer weiß, worauf diese schlecht bezahlte Kopfgeldjagd hinausläuft: "Am Ende fließt Blut."

Cineasten mögen auf den Highways des amerikanischen Südens die wortkargen Westernhelden von Howard Hawks wiedererkennen, doch vor allem spannt sich der endlose Himmel über die Dämonen der Vergangenheit. Maney quält die Erinnerung an das Abschlachten von mehr als 50 betrunkenen Banditen, an das wohl auch Frank denkt, wenn er scheinbar stoisch im Schaukelstuhl sitzt. Costner, etwa als Eliot Ness in "Die Unbestechlichen" von schlanker Eleganz, gibt ihm eine fast bleierne, melancholische Schwere, die sich nicht nur der beträchtlichen Wampe verdankt.

Ohnehin gibt es zwei Geschwindigkeiten in diesem atmosphäresatten Film. Während die Veteranen beharrlich warten, tauchen die Gangster wie Gespenster auf. So rasch, dass man sich kurz darauf die Augen reibt: Hat Bonnie da wirklich aus nächster Nähe einen wehrlosen Polizisten in den Kopf geschossen?

Die Robin-Hood-Legende, die dem Duo während der Depressionsjahre angedichtet wurde, zerpflückt Hancock, um sie zugleich bildgewaltig zu illustrieren. Die Kamera stürzt sich geradezu in den fast leichenfleddernden Irrsinn der Menge, die am abgeschleppten Wagen der Gangster zerrt. Tatsächlich kamen zu Bonnie Parkers Beerdigung rund 50 000 Menschen.

Mag sein, dass "The Highwaymen" das Gangsterkino eher apart variiert als neu erfindet - aber dieser thematisch wie visuell starke Film würde auf der Leinwand eine noch viel bessere Figur machen.

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