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Marilyn-Monroe-Film auf Netflix„Blond“ erzählt vom Höllenschlund Hollywoods

Lesezeit 4 Minuten
Netflix Blond

Ana de Armas als Marilyn Monroe in "Blond" 

Köln – Männer umschwirr’n sie, wie Motten das Licht? Eher ist es eine Horde Zombies mit grell verzerrten Mäulern, die sich da um Marilyn Monroe scharren, sie bedrängen, ihr Leben zur lüsternen Hölle auf Erden machen. Heerscharen solcher Belzebuben lässt Regisseur Andrew Dominik in seiner Netflix-Verfilmung von Joyce Carol Oates Roman „Blond“ aufmarschieren. Immer dichter und dichter rücken sie an die Schauspielerin heran, immer lauter wird ihr Grölen, bis sie Norma Jeanes Seele in Grund und Boden gebrüllt haben. Wir alle kennen das Ende der Geschichte: Vor aller Welt geflohen, findet man sie tot in ihrem Bett. Kein Wunder, mag man nach fast drei (bis weilen endlos langen) Stunden Laufzeit denken, denn das fing ja schon nicht gut an.

Von der Mutter fast getötet

Bevor ihre psychisch kranke Mutter versucht, das Mädchen in der Badewanne zu ertränken, redet sie ihr (und vor allem sich selbst) ein, Marilyns heimlicher Vater sei Clark Gable. Eine Wahnvorstellung, die dazu beiträgt, dass die Mutter in der Psychiatrie und das Mädchen im Waisenhaus landet. Und für den Rest seines Lebens bleibt Norma Jeane auf der Suche nach ihrem „Daddy“ – und hofft ihn vor allem bei ihren Liebhabern zu finden: den beiden, mit eigenen Problemen behafteten ältesten Söhnen von Charlie Chaplin und Edward G. Robinson, die sie in eine ungute Ménage à trois zerren.

Oscar-reif?

Schon jetzt wird Ana de Armas als aussichtsreiche Kandidatin für den Oscar als Beste Hauptdarstellerin gehandelt. Im aktuellen Bond war die 34-Jährige als Agent Paloma zu sehen. (HLL)

Oder Baseball-Legende Joe di Maggio, der in der Ehe vom Beschützer zur prügelnden Dumpfbacke mutiert. Und Arthur Miller, der gleichermaßen mit Marilyns Prominenz und ihren Problemen überfordert ist. Schließlich JFK, der sie einmal quer über den Kontinent fliegen lässt, damit sie ihm einen Blow-job verpasst. Dazu kommen gierige Studiobosse, schmierige Manager und scheinbar gleichgültige Regisseure (hier in Gestalt von Billy Wilder). Männer, Männer, Männer – in Stadionstärke versammelt der Regisseur, wenn die junge Frau sich zu Filmpremieren quält oder die berühmte Szene mit dem Wind aus dem U-Bahnschacht gedreht wird – immer wieder zoomt die Kamera von Chayse Irvin aus Nahaufnahmen in endlose Höllenqualen.

Toxische Männlichkeit und Sex als Währung

Und andere Frauen? In Andrew Dominiks Sicht auf Norma Jeanes Welt tauchen sie allerhöchstens als schwache Persönlichkeiten auf, die den Kerlen an ihren jeweiligen Seiten nicht die Stirn bieten können. Norma Jeane selbst probiert es mit einem Schutzschild. „Du wirst dir vorstellen, dass es neben deinem echten Körper den imaginären Körper deiner Figur gibt, den du im Geiste erschaffen hast.“ Ein Satz, den sie in der Schauspielschule gelernt hat, das Motto, aus dem die Kunstfigur Marilyn Monroe entstand. Ein Panzer, brüchig vom ersten Moment an, torpediert schon beim ersten Casting, bei dem sie mit der Währung Sex bezahlen muss.

Netflix Blond 2

"Blond" erzählt von einer Frau, die auf verschiedenen Ebenen Opfer des Patriarchats wurde. 

Diese geballte Ladung toxischer Männlichkeit ist für die Zuschauenden schon kaum zu ertragen, man stellt sich die bange Frage, wie es sich wohl in Wirklichkeit für Norma Jeane angefühlt haben mag – und all die anderen vor und nach ihr, bis zum heutigen Tag.

Und man fragt sich, wie viele Blessuren Ana de Armas vielleicht hat hinnehmen müssen, bevor sie jetzt als Norma/Marilyn eine solche überragende Leistung abliefern konnte. Man vergisst förmlich, dass hier nicht die „echte“ Monroe vor der Kamera steht – die nachgestellten Szenen aus „Blondinen bevorzugt“ oder „Manche mögen’s heiß“ wirken, als sei das Original in diesen Film hineinkopiert worden. Auch die Szenen, in der sie in der berühmten Strickjacke am Strand entlang läuft, scheinen aus Arthur Millers privatem Super-8-Nachlasse zu stammen. Sie allein rechtfertigt die Länge des Films, man möchte keine Minute dieses phänomenalen Spiels missen, keine einzige.

Diesem an sich schon verstörenden Biopic, das immer wieder auf interessante Weise zwischen Bildern in schwarz-weiß und Farbe wechselt, fügt Andrew Dominik weitere Horrorebenen hinzu: So lässt er etwa Marilyns tote Babys zu ihr sprechen. Und ein Unbekannter schickt ihr über Jahrzehnte Briefe, in denen er sich als ihr Vater ausgibt und immer wieder sein Auftauchen ankündigt... ein weiterer Reiter der Apokalypse, der ihren geschundenen Körper hinter sich her schleift.

Blond. 167 Minuten. Bei Netflix.