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Literaturfest in KölnSo lief die „Stadt-Land-Fluss“-Gala bei der Lit.Cologne

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ThomasQuasthoff-WolfgangMeyer

Alte Freunde: Bassbariton Thomas Quasthoff (rechts) und Wolfgang Meyer. 

Köln – Eine Fahrt durch New York, in der U-Bahn. Das müsste mondän sein. Braucht es aber nicht. Die Autorin Lily Brett beobachtet eine Mitfahrerin beim Stricken und entwickelt schlagartig ein „unstillbares Verlangen“, das Gleiche zu tun. In ihrer Kurzgeschichte „New York“ aus dem Jahr 2016 geht es allein darum – und wie schwierig es ist, Wolle zu bekommen.

Von der Sehnsucht nach dem Strickzeug

So alltäglich können Probleme sein. Aber aus der Sicht einer Autorin, die im Nachkriegsdeutschland in einem Heim für DPs (Displaced Persons) geboren wurde, also für Menschen, die nicht an diesem Ort beheimatet sind, ist die Sehnsucht nach Normalität und Heimat womöglich eher mit den klappernden Stricknadeln verbunden, als mit dem eigenen Sandkasten, Kindergeburtstagen und Sommerfrische. Mit „Stadt-Land-Fluss“ war die Gala der lit.Cologne überschrieben. Obwohl Schriftstellerin Husch Josten das Konzept schon lange vorher erstellt hatte, waren die Texte, die die Schauspieler Caroline Peters und Sebastian Koch so mitreißend lasen, ganz im Hier und Jetzt angesiedelt.

82 Millionen Menschen sind nach Erhebung der UNO-Flüchtlingshilfe UNHCR auf der Flucht. Im vergangenen Jahrzehnt habe sich ihre Zahl verdoppelt. Der im vergangenen Jahr verstorbene iranisch-deutsche Autor Said und sein Text „Flüstern gegen die Wölfe“ erzählen von der Drangsal der Heimlichkeit, dem Beschluss fortan zu lügen, um der Gefängnisstrafe zu entgehen. Die Norwegerin Erika Fatland wiederum hat in „Sowjetistan“ 2014 die turkmensiche Stadt Aschkabat beschrieben: als öde Architekturschau aus allen Restbeständen des luxuriösen, hellweißen Carraramarmors. Das soziale Klima in der Wüstenstadt bleibt kalt.

Wem fällt ein Land mit W ein?

„Stadt-Land-Fluss“ dürfte jeder schon einmal gespielt haben. Aber ein Land mit „W“, da wird es schon kniffelig. „Weißrussland“ half Moderatorin Bettina Böttinger auf die Sprünge. Stadt oder Land? Das war die Frage, die sich die Organisatoren ursprünglich als Leitthema für ihre Gala in der Philharmonie gestellt hatten. Als Corona noch das vorherrschende Thema war, und auf einmal das Wettbewerbskriterium der Mobilität durch das allgegenwärtige Homeoffice aufgeweicht wurde – eine Luxusdebatte.

Jetzt, da sich die Ereignisse überschlagen, zeigte sich, wie stark Texte wirken, wenn sie von Autoren stammen, die etwas zu erzählen haben. Und da ist die aus Trier stammende Clara Viebig mit ihrer Beschreibung des Hohen Venns eine Entdeckung. Für „Das Weiberdorf“ war sie um 1900 viel gescholten. Es gilt als Heimatkunst, ist aber ein erster, moderner Frauenroman.

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Vor den Frauen verbeugte sich Bassbariton Thomas Quasthoff, den Böttinger als „Mann mit der schönsten Stimme“ anmoderierte. Er sang Tröstliches, wie ein langsames „Imagine“ von John Lennon oder „Moon River“, das auch Audrey Hepburn zeitlos schön im Frühstück bei Tiffany singt. An der Gitarre begleitete ihn Wolfgang Meyer.