Kölner Theater in Corona-ZeitenPinar Karabulut über „Edward II.“ als Miniserie
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Käöln – Ursprünglich sollte Pinar Karabulut in Köln „Die Jungfrau von Orleans“ inszenieren, doch Corona durchkreuzte diesen Plan. „Und weil im ersten Lockdown die Sehnsucht nach Liebe, Freiheit und körperlicher Nähe groß war, kamen wir auf ,Edward II.‘“, erhält die Regisseurin. Den spielt man nicht pur nach Christopher Marlowe, sondern in der Bearbeitung von Ewald Palmetshofer, „die einen sehr viel unmittelbarer berührt, weil sie die Liebe so plastisch macht“.
Marlowes Stück wurde schon von Derek Jarman verfilmt, doch Karabulut hat sich ganz bewusst nur den Trailer angeschaut. Denn auch sie arbeitet mit der Kamera. Warum? „Weil wir Theaterleute in diesen unsicheren Zeiten nicht wissen, wann wir unseren Beruf wieder wie gewohnt ausüben können, habe ich schon in Berlin das Hybridprojekt ,Mourning becomes Electra‘ mit Film und Stück gemacht.“
Drama als Mini-Serie
In Köln geht man einen Schritt weiter auf absolutes Neuland: ein Drama aus dem 17. Jahrhundert als Miniserie. „Wir haben den Plot auf sechs ungefähr halbstündige Folgen verteilt und natürlich geschaut, dass es am Schluss immer einen Cliffhanger gibt und man wieder einschalten möchte.“
Diese Pionierarbeit verlangt ein ganz anderes Arbeiten. „Ich kann eben nicht wie üblich in sechs Wochen mit den Schauspieler*innenn auf der Bühne gemeinsam etwas entwickeln, sondern muss vorher sehr genau wissen, was ich erzählen will und welche Bilder dazu passen, alles in Zusammenarbeit mit meinem Videokünstler Leon Landsberg.“
Zur Person
Pinar Karabulut, geboren 1987 in Mönchengladbach, begann am Schauspiel Köln als Regieassistentin und zeigte später mit Shakespeares „Romeo und Julia“ und Tschechows „Drei Schwestern“ große Produktionen mit eigenwilliger Handschrift. Sie inszeniert u.a. am Theater Bremen, an den Münchner Kammerspielen, der Berliner Volksbühne und am Theater Neumarkt in Zürich. (EB)
Mit Dramaturgin Sarah Lorenz hat sie ein Drehbuch verfasst, „in dem die Position und Gesten der Schauspieler, die Texte und Schauplätze feststehen. Wir gehen das so professionell wie möglich an, haben aber anders als bei Fernsehserien keinen langen Vorlauf, keine üppige Drehzeit und Nachbearbeitung. Wir machen das in den sechs Wochen einer normalen Theaterproduktion. Wobei die Schauspieler auch lernen müssen, die Rolle loszulassen und nicht wie sonst von Vorstellung zu Vorstellung zu vertiefen.“
Man dreht nicht kontinuierlich an der Richtschnur der Handlung entlang, „sondern wir müssen die Verfügbarkeit der Schauspieler und der Schauplätze – neben dem Depot auch Kolumba und das Hotel Excelsior – berücksichtigen“. Besonderer Clou des Konzepts: Jede Folge spiegelt ein anderes Genre: die erste ist eher sozialrealistisch, dann folgen etwa eine tänzerische Episode sowie auch ein Ausflug in den Film noir.
Umstellung auch in der Regie
Auch die Regisseurin muss sich umstellen, „denn ich sitze an einem Monitor und muss die mimische Intensität hinauf- oder heruntertarieren – etwa je nachdem, in welchem Liebeskummermoment sich der König gerade befindet“.
Den verkörpert Alexander Angeletta. Edward ist mit Isabella (Nicola Gründel) verheiratet, liebt aber seinen Günstling Gaveston (Justus Maier) und vernachlässigt die Staatsgeschäfte. Daneben sind unter anderem Kristin Steffen als zweiter Liebhaber Spencer, Birgit Walter als Kent und Jörg Ratjen als kleiner Edward zu sehen. Außerdem gibt es viele Gastauftritte anderer Ensemblemitglieder. Wichtig findet Karabulut das Sujet, „in der Kunst bedienen wir uns oft aus der queeren Kultur, nehmen die politische Dimension der Queer Culture aber häufig nicht ernst genug, indem wir nicht genug Raum zur differenzierten Entfaltung geben. Das probieren wir hier.
Es ist ja immer noch ein politischer Akt, zwei Männer auf der Bühne zu sehen, die sich küssen.“ Hier allerdings unter harten Hygienebedingungen. Die wohl wirkten: „Die Szene ist abgedreht, und niemand hat sich angesteckt.“ Diese Freiheit, „dass ein König genauso eine Frau wie einen Mann lieben kann“, ist für sie der Kern des Stücks.
Die junge, äußerst gefragte Künstlerin ist längst nicht mehr aufs Schauspiel Köln angewiesen – und reagiert auf diese Feststellung temperamentvoll: „Aber das ist doch Familie!“ Schließlich kennt sie die meisten Schauspieler hier seit 2013. Außerdem wohnt sie ja noch in Köln … Aber natürlich gibt es Verabredungen für Projekte, so soll im April an den Münchner Kammerspielen „Der Sprung vom Elfenbeinturm“ uraufgeführt werden, ein Stück mit Texten von Gisela Elsner.
Doch aktuell ist nicht einmal die erste Edward-Episode fertig, „wir haben ja auch erst am 4. Januar angefangen“. Obwohl Pinar Karabulut klarstellt, dass sie hier durchaus theatral arbeitet und keineswegs auf die Netflix-Ästhetik schielt, sagt sie auch: „Ich habe jetzt schon Lust auf eine zweite Staffel.“
Erste Folge am 12. Februar, 19.30 Uhr auf www.schauspiel.koeln (Dramazon Prime) zu frei wählbarem Ticketpreis. Danach jeden Freitag die Fortsetzungen.