AboAbonnieren

Kölner Jung-Regisseurin im Interview„Hier darf eine Frau mal unmotiviert böse sein"

Lesezeit 4 Minuten
Regisseurin Pinar

Für die junge Regisseurin Pinar Karabulut geht es derzeit in Sachen Erfolg nur nach oben. 

Köln – Vor neun Jahren begann Pinar Karabulut als Regiassistentin am Schauspiel Köln, wo sie mit „Romeo und Julia“ ihre erste große Regiearbeit vorlegte. Seitdem hat sie an vielen wichtigen Theatern im deutschsprachigen Raum gearbeitet, ihr „Like Lovers Do (Memoirs of Medusa)“ wurde zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Mit Axel Hill sprach sie über „Richard Drei“.

Für „Richard Drei“ hat Autorin Katja Brunner eine „Überschreibung“ angefertigt. Ist Shakespeare nicht mehr gut genug?

(Lacht) Natürlich ist er noch gut genug – auf jeden Fall! Aber Richard III. ist ja eine der Shakespeare-Figuren, die am virtuosesten mit Sprache umgeht. Und mir war klar, wenn ich das Stück mache, brauche ich einen modernen Blick. Katja Brunners besonderer Zugang ist, dass sie Sprache neu erfindet, neue Worte kreiert.

Was genau ist eine Überschreibung?

Ein moderner Blick mit einer modernen Sprache auf einen Stoff, den wir vermeintlich kennen. So ist das ja oft bei Shakespeare. Viele werden „Richard“ als Film oder auf der Bühne gesehen oder vielleicht in der Schule gelesen haben. Oder die Serie „House of Cards“. Das Tolle bei Shakespeare ist ja, dass er zeitlos ist. Und Katja hat auf die politische Lage in Europa und weltweit Bezug genommen. Und hat dazu einen kritisch-feministischen Blick geschaffen.

Worum geht es nun?

Um einen Menschen – und das Geschlecht ist dabei egal– , der versucht, an die Macht zu kommen, hochzusteigen in der Hierarchie, weil dieser Mensch sich benachteiligt fühlt.

Auf der Bühne

In der Titelrolle ist Yvon Jansen zu sehen. An ihrer Seite spielen Alexander Angeletta, Nikolaus Benda, Nicola Gründel, Benjamin Höppner, Lola Klamroth Sabine Waibel und Ines Marie Westernströer. Premiere ist Samtag, 23.4., 19.30 Uhr. Nächste Termine: 28. und 29.4.. (HLL)

Warum muss Richard eine Frau werden? Erzählt das etwas Neues über die Figur? Oder über Frauen?

Mich langweilt ein bisschen, dass weiblich gelesene Körper auf Bühnen immer nur als Anspielpartnerin gelten. Oder dass sie für das Liebliche, das Weiche da sind. Ich finde es spannend, dass hier eine Frau unmotiviert böse sein darf. Das ist ja das Tolle an Richard: Dass er einfach Lust hat an Bösartigkeit und die nicht aus Hass heraus motiviert ist. Oder aus Rache, wie bei Macbeth.

Muss man für den Abend das Original kennen?

Nein. Aber für die Kenner wird es Momente geben, wo sie mehr sehen, wo man klare Zitate hört. Aber auch Momente, wo man sich fragt: War das nicht anders? Wie war das noch mal mit dem Kirchenasyl für die Prinzen?

Neue Form des Genderns

Was ist der Unterschied zu früheren Ansätzen, wenn Frauen die Männerrollen gespielt haben? Spielt die neue Genderdiskussion eine Rolle?

Ein weiterer Grund, warum ich Katja Brunners Umgang mit Sprache liebe: Sie schafft eine neue Form des Genderns. Im Laufe des Abends wird für alle Figuren mit männlichen und weiblichen Pronomen gespielt. Die Aufteilung, wie wir sie im Alltag kennen, gibt es nicht. Ich finde es übrigens schade, dass die deutsche Sprache so konkret ist, dass sie es so konkret festhalten möchte. Im Stück macht Katja Brunner recht schnell klar, dass es völlig egal ist, wer welches Geschlecht hat.

Auf der einen Seite gibt es die Möglichkeit für die Frau, ohne Grund bösartig zu sein, auf der anderen Seite wird die Geschlechterzuordnung aufgehoben?

Der Idealfall wäre, dass das Publikum nicht mehr über Geschlechterzuordnung nachdenkt. Denn das wissen wir ja: Nur weil eine Frau auf der Bühne eine Hose trägt, ist sie ja nicht ein Mann. Theaterpolitisch ist für mich wichtig, dass Frauen oder weiblich gelesenen Menschen die Chance auf diese großen Rollen bekommen. Richard ist ja eine der großen Männerrollen – genauso wie Hamlet.

Sie gehören seit der Spielzeit 2020/2021 zum Leitungsteam der Münchner Kammerspiele.

In München habe ich ja studiert, und an den Kammerspielen habe ich meine ersten Assistenzerfahrungen gesammelt. Deshalb war es, wie zurück zur Familie zu kommen. So habe ich nun das Glück , neben Köln einen zweiten Heimathafen zu haben.

Gibt einem ein solcher Job auch mehr Sicherheiten?

Es gibt keine Sicherheiten (lacht schallend). Ich bin zwar mit dem Haus fest assoziiert, aber es wäre mir zu wenig, wenn ich zum Beispiel in Köln nicht arbeiten könnte.

Das könnte Sie auch interessieren:

Im letzten Jahr haben Sie in Berlin zum ersten Mal Regie bei einer Oper geführt.

Am Anfang hatte ich sehr großen Respekt. Aber es war eine sehr schöne erste Erfahrung, an das große Gefühl gehen zu dürfen, ohne sich zurückhalten zu müssen. Das macht Spaß!

Viele Schauspielregisseure betrachten es als eine Art „Aufstieg“, Oper zu machen.

Für mich ging es mehr um diese internationale Verständigung: amerikanische Sänger, eine koreanische Dirigentin, ein Abendspielleiter aus Südafrika. Aber ich würde niemals das Schauspiel aufgeben. Das wäre mir zu wenig.

Was fehlt bei der Oper?

Der gesprochene Text! (lacht schallend)