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„Guten Morgen, Ragazzi“Kölner Band Erdmöbel spricht über neues Album

Lesezeit 3 Minuten
PIC Erdmöbel

Vergnügte Ge­müts­ruhe im Café Wahlen: Markus Berges (l.) und Ekki Maas plaudern über ihr neues Album. 

„Lesen Sie diesen Text lieber nicht zu Ende. Hören Sie lieber das Album. Die eine Veröffentlichung anpreisenden Begleitbotschaften sind schließlich meistens Quatsch.“ Diesen Sätzen aus dem Pressetext zum neuen Erdmöbel-Album „Guten Morgen, Ragazzi“, das morgen erscheint, würde sich die Rezensentin am liebsten anschließen. Und lieber noch ein weiteres Mal das neue Album hören, anstatt erklären zu sollen, warum es so gut ist.

Erdmöbel machen unkonventionelle Musik

„Eigentlich müssten uns die Journalisten leid tun, hab’ ich heute morgen noch zu Markus gesagt“, kommentiert Ekki Maas dieses offenbar bekannte Dilemma beim Gespräch mit der Rundschau. Wobei weder er, noch Markus Berges besonders mitleidig dreinschauen. Ort der Handlung ist eine Kölner Konditorei auf dem Ring, deren Café wirkt, wie aus der Zeit gefallen. Passt ziemlich gut zum nostalgischen Look des Album-Covers, auch zum Credo von Erdmöbel: „Wir wollten Sachen machen, die vielleicht nicht so von der Stange sind“, so Ekki Maas.

Heimspiel

Live stellen Erdmöbel ihr neues Album „Guten Morgen, Ragazzi“ (Jippie!/Rough Trade) am 3. Juni, 20 Uhr, im Stadtgarten vor. (sus)

Das ist der Band, die aus Münster stammt und ab 1995 sukzessive nach Köln zog, mit „Guten Morgen, Ragazzi“ einmal mehr gelungen. Liebeslyrik wird gepaart mit dadaesker, roboterhafter Rhythmik („Supermond“). Mitten im „Vakuum“ eines Naturwissenschaftlers weint eine Geige. „Felicità (ist ein ziemlich langes Wort für Glück)“ spielt mit Versatzstücken des (italienischen) Schlagers und triggert dabei tief verwurzelte Sehnsüchte.

Neues Album vermittelt ein Gefühl von Wärme

Für zehn Stücke braucht es weniger als 33 Minuten, das toppt noch das letzte Album „Hinweise zum Gebrauch“ (2018): „Wir haben aber schon bei den Proben gemerkt, dass man das live wunderbar verlängern kann“.

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Was in zweieinhalb Jahren während der Pandemie entstanden ist, ist, gefühlt und gehört, das rundeste Album, das Erdmöbel je veröffentlicht haben. Weil es ein Gefühl von Wärme vermitteltet. Durchgängig. Rhythmisch-tänzelnd nimmt der Begrüßungssong „Guten Morgen“ die Ragazzi und Ragazze an die Hand – und lässt sie ab da nicht mehr los. Gibt es auch Bindungsfreude?

„Das Positive hat sich irgendwie durchgesetzt“

Herzstück des Albums: „Palindrom“, wo es wortwörtlich, erst auf japanisch und dann auf deutsch heißt: „Die Welt ist ein warmer Ort.“ Ist sie das wirklich? „Ich empfinde das sogar sehr so. Ich höre mir das selber gerne an. Dass sich dieses Positive irgendwie durchgesetzt hat – obwohl das nicht unser Konzept war – ist uns erst hinterher bewusst geworden “, sagt Sänger, Gitarrist und Texter Berges. Schönfärberei? Fehlanzeige.

„Tatsächlich sind wieder zwei Politstücke drauf“, sagt Multi-Instrumentalist und Produzent Maas, „das liegt daran, dass wir, als die Weltlage wieder bedrückender wurde, gemerkt haben, dass das nicht angeht. Dass das nicht möglich sein darf, das geht auf keinen Fall.“

Und Berges ergänzt: „Ursprünglich wollten wie nie politische Parolen verbreiten. Das ist eine Sache, die sich bei uns verändert hat. Dieses Album ist jetzt auch eine politische Platte.“

Solidarität mit Geflüchteten

Deutlicher als in „Wir sind nicht das Volk“ kann man kaum Stellung gegen Krieg beziehen: „Lass sie rein, lass sie rein, lass sie rein“ lautet das Mantra für mehr Menschlichkeit: „Das ist sehr einfach und sehr kurz, und das soll es auch sein. Der Krieg gegen die Ukraine hat uns noch mal draufgestoßen. Nicht nur, darauf, dass es um Solidarität mit allen Flüchtlingen, aus allen Völkern, geht, sondern auch, dass Nationalismus ein Scheiß ist.“

Beim Video zur Vorab-Auskopplung illustrieren das neben Bildern von Flucht und Zerstörung Aufmärsche und Beispiele kultureller Gleichschaltung. „Wenn die Lage besonders hart ist, ist es wichtig, die Haftung nicht zu verlieren“, sagt Maas dazu. Bester Beweis dafür, dass das funktioniert hat: „Danach haben sich die Rechten gemeldet.“