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Interview

Kölns zukünftiger Schauspiel-Intendant Kay Voges
„Natürlich ist auch die Enttäuschung im Ensemble riesig“

Lesezeit 4 Minuten
Kay Voges 2024

Kay Voges, der künftige Intendant des Schauspiel Köln.

Kay Voges, der zukünftige Intendant des Schauspiel Köln, spricht im Interview über die geplatzte Wiedereröffnung der Bühnen.

Eigentlich sollte Kay Voges seine Intendanz in der Spielzeit 2025/26 im bereits wiedereröffneten Schauspiel am Offenbachplatz starten. Durch die erneute Verschiebung wird daraus nichts. Bevor Voges kommenden Dienstag im Bühnenausschuss zu hören sein wird, sprach er mit Axel Hill.

Welches Adjektiv beschreibt Ihren Zustand bezüglich der erneuten Verschiebung der Bühnenwiedereröffnung? Traurig? Sauer? Fassungslos? Verzweifelt? Wütend?

Es gibt verschiedene Stadien des Umgangs mit solchen Ereignissen. Natürlich ist es zuerst ein Schock, dann kommt die Trauer. Dann kommt aber auch die Akzeptanz, um jetzt konstruktiv damit umzugehen und neu zu planen, und zu versuchen, Vorteile zu finden oder Möglichkeitsräume dadurch aufzutun.

Wie haben Sie davon erfahren? Hat man Sie vielleicht sogar schon unter der Hand vorgewarnt, dass Sie besser zweigleisig planen sollten, so wie Rafael Sanchez und seine Teams das ja machen mussten?

Gemunkelt wurde schon länger. Offiziell mitgeteilt wurde es mir in der Woche vor der Pressekonferenz.

Was bedeutet das jetzt für Ihre Planung? Ist sie komplett Makulatur oder können Sie Teile Ihres Spielplans retten?

Ich habe für großes Haus, kleines Haus und Depot 2 geplant. Jetzt gilt es, zu versuchen, die Regie-Teams, die Zeit geblockt haben, irgendwie in neue Räumlichkeiten zu schieben. Ich versuche, einen Großteil des Programmes für das große Haus jetzt ins Depot 1 zu übertragen und einen Großteil vom kleinen Haus ins Depot 2. Es scheint auch zu sein, als ob das eine oder andere wegfallen muss, weil es im Depot nicht zu realisieren ist.

Weil es im neuen Haus technische Gegebenheiten gibt, an die im Depot nicht zu denken ist?

Ja. Und natürlich ist auch die Enttäuschung im Ensemble riesig, bei denen, die kommen, aber auch bei denen, die bleiben. Man hatte sich ja darauf gefreut: Endlich können wir wieder ins richtige Theater – da, wo man die Möglichkeit hat, auch ohne Mikroport zu sprechen, dort, wo, wo man im Boden versinken kann und von den Toten auferstehen kann, aus der Unterbühne. All das, was eigentlich so einen Theater-Zauberkasten ausmacht. Das ist vielleicht auch ein bisschen meine Aufgabe, meine eigene Enttäuschung wegzudrücken und eher die kommenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu ermutigen, dass das doch vielleicht auch neue Möglichkeiten mit sich bringt.

Von meinem Gefühl her, und da mag ich mich täuschen, ist das Depot für Ihre Art Theater zu machen und zu denken, nicht unbedingt der schlechteste Ort?

Ich bin zutiefst beeindruckt, was das Team von Stefan Bachmann in den letzten Jahren aus dem Depot gemacht hat. Das ist wirklich ein großartiger Kulturort geworden mit unfassbar vielen Möglichkeiten. Ich plädiere sehr dafür, ihn auch weiterhin zu bespielen. Und doch ist es etwas, das ich nicht eintauschen würde gegen ein Theater im Zentrum der Stadt, was einen Bühnenboden hat, wo es eine Ober- und eine Untermaschinerie gibt. Das ausgestattet ist mit einem Foyer, mit diesem wunderbaren Erfrischungsraum, generell mit einer Infrastruktur, die für das Theater gemacht worden ist. Und was nicht irgendwie eine Ausweichspielstätte ist.

Jetzt fällt nicht nur weg, dass Sie in ein bereits eröffnetes, wie man so sagt, „warmgespieltes“ Haus kommen, sondern auch den Umzug organisieren müssen. Das stand ja nicht auf Ihrer Agenda?

Nein. Es war ja so, dass man wirklich dachte, ich darf in ein funktionierendes Kölner Schauspielhaus einziehen, das 2024 eröffnet wird. Jetzt wird es eine große Herausforderung sein, diese ewige Baustelle wieder in einen Ort zu verwandeln für die Kunst und für die Menschen dieser Stadt. Dass es ein Ort wird, der mit Leben gefüllt wird. Das wird viel, viel Arbeit kosten. Aber es ist gleichzeitig natürlich auch etwas, worauf ich mich dann doch sehr freue: diesen Ort mit Leben und Liebe zu füllen.

Haben Sie zwischendurch mal gedacht, der Oberbürgermeisterin vielleicht eine Absage zu schicken?

Ich glaube, ich bin nicht die Persönlichkeit, die, wenn es Probleme gibt, sich beleidigt zurückzieht. Da ist mein Temperament eher, wenn es Probleme gibt, wird mein Kampfeswille geweckt, die Probleme zu bewältigen.

Aus der Distanz, also von Wien aus betrachtet: Wie stark leidet der Ruf der Stadt Köln durch diese erneute Verschiebung? Oder das Renommee als wichtiger Kulturstandort in NRW oder in Deutschland?

Ich finde es wahnsinnig gefährlich, in dieser Debatte Kultur und Bau miteinander zu vermischen. Die Sanierung eines Kulturbaus hat nichts mit der Kultur von Köln zu tun, mit der Kunst, die in Köln gemacht wird. Und ich glaube, es tut uns gut, das sehr fein säuberlich auseinanderzuhalten. Dieses Baudesaster ist kein Desaster der Kunst! Wir müssen aufpassen, dass die Kunst nicht dafür verurteilt wird. Herr Bachmann, Herr Sanchez, Herr Mulders und ihre Teams kämpfen jahrelang, um den Kulturstandort Köln weiterhin hochzuhalten. Und das, glaube ich, ist eine große Anerkennung wert.