Vor seinem Wechsel ans Wiener Burgtheater feiert Stefan Bachmann die Premiere seiner letzten Inszenierung im Depot, „Akıns Traums“. Darüber und über die mögliche Eröffnung der Bühnen hat er mit Axel Hill gesprochen.
Kölns Intendant Stefan Bachmann„Der fehlende Termin wirft einen Schatten auf die Bühnen Köln“
Es betrifft Sie ja nicht mehr, aber was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie hören, dass es immer noch keinen Eröffnungstermin für die sanierten Bühnen gibt?
Es wirft einen Schatten auf die Bühnen Köln, auch wenn sie nichts für die Verzögerung können. Für den Betrieb ist es eine große Belastung, weil er sich immer wieder neu auf ein immer unsicheres Eröffnungsdatum einlassen muss. Da kann man dann wieder die Ideen und Planungen in die Tonne treten. Das ist frustrierend und lähmend. Ich wäre dafür, jetzt ganz pragmatisch vorzugehen. Also nicht die fulminanten Eröffnungsfeierlichkeiten ins Visier zu nehmen, die ja dann immer wieder neu geplant werden müssen, wenn es zu Verschiebungen kommt, sondern einfach darauf zu warten bis die Häuser fertig sind und dann mit einzelnen Produktionen nach und nach an den Offenbachplatz zurückzukehren – auch in einer schon laufenden Spielzeit.
„Akıns Traum“ ist nicht ihre erste Arbeit hier in Köln, den Sie dem sogenannten Nahen Osten widmen. Haben Sie ein persönliches Interesse an dieser Region entwickelt, etwa bei Reisen?
Das ist ein Teil der Welt, den ich nicht so gut kenne. Gerade deshalb ist das Projekt für mich so spannend. Ich habe diese Ignoranz bei mir festgestellt, dass ich über das Osmanische Reich so gut wie überhaupt nichts wusste. In der Beschäftigung mit dem Stück habe ich dessen Geschichte entdeckt und viel dazugelernt.
Das Stück von Akın Șipal ist eine Auftragsarbeit des Schauspiels.
In einem ersten Gespräch erzählte Akın von der Idee, etwas über die Osmanen machen zu wollen. Dabei gab es bei ihm einerseits als türkischstämmiger Autor die Frage nach seinem Hintergrund und andererseits auch bei ihm die Erkenntnis: Ich weiß da viel zu wenig. Ich fand das sofort eine großartige Idee, sie ist irgendwie so wohltuend größenwahnsinnig und hat so viel mit dem Ort hier in Mülheim zu tun, unserer Nachbarschaft zur Keupstraße.
Es gibt im Stück viele Namen, viele Daten, aber auch den Satz „Die Leute wissen nichts über die Osmanen.“ Wie gut muss man sich mit der Geschichte des Osmanischen Reiches auskennen, wenn man ins Stück geht?
Gar nicht! Wir bemühen uns, das so klar und verständlich wie möglich zu erzählen. „Lehrstück, aber sexy“ heißt es im Text, das ist uns Auftrag. Auf der Bühne entsteht hoffentlich eine überraschende Begegnung mit einer Geschichte, die nicht der eurozentristischen Perspektive entspringt.
Worum geht es?
Das Ganze folgt der Dramaturgie eines Traumes, die Geschichte des Osmanischen Reiches und die Situation des Autors vermischen sich. Am Anfang steht der Traum Osmans von dem weltumspannenden Baum, in dessen Schatten alle möglichen Völker und Religionen Platz haben. Es ist eine frühe, sehr tolerante Vorstellung, wie eine Gemeinschaft aus ganz unterschiedlichen Menschen organisiert werden kann. Eine Utopie…
Eine wichtige Rolle spielen drei aufeinander folgende Sultaninnen.
Es ist sehr spannend, dass im 16. Jahrhundert vor allem die Frauen das Zepter in die Hand nehmen und mehr Macht und Einfluss besitzen als die Männer, mit denen sie verheiratet sind. Man spricht vom Sultanat der Frauen. Und interessanterweise kommen sie aus unterschiedlichen Kulturkreisen – sie alle landeten irgendwann im Harem als entführte Frauen und wurden dann zu Herrscherinnen.
Der Autor schlägt Brücken in die Gegenwart, beschreibt etwa die Vielfalt in der Gelsenkirchener Fußgängerzone...
…und fragt sich, ob die Menschen, die da vor dem Ausländermeldeamt stehen, nicht alle irgendwie Nachfahren der Osmanen sind. Was ist da passiert, dass sie nicht auf prächtigen Pferden angeritten kommen? Und was, fragt sich Akın Șipal weiter, ist eigentlich mit mir? Welchen Platz nehme ich als türkischstämmiger Künstler in der deutschen Kulturlandschaft ein? Würde ich auf einem Empfang mit den Großen, Handke, Jelinek, Goetz bestehen, oder passe ich möglicherweise gar nicht hinein in diese zentraleuropäische kulturelle Elite?
Er beschäftigt sich aber auch mit seiner Rolle als Mann, wenn er sich als Hausmann darstellt, der die Kinder versorgt.
Der Autor ist zwischen allen Stühlen: Er beschreibt da den Konflikt eines modernen Autors, der nicht mehr nur der genialische Schreiber sein kann, von allem Weltlichen abgeschirmt, wie man das noch von Thomas Mann kennt. Überhaupt dekonstruiert er das Bild des potenten Mannes eindrücklich, indem er Männer mit Erektionsstörungen zeigt.
Begibt man sich mit einem Stück wie diesem auch auf schwieriges Terrain?
Es ist eine fantasievolle, flirrende, aber auch sehr ironische Auseinandersetzung mit Geschichte. Da zeigt sich, dass eine gewisse Gelassenheit in Bezug auf die eigene Herkunft sehr wohltuend sein kann.
Es gab den Vorwurf, die deutsche Kulturszene habe sich nach dem Überfall der Hamas nicht dezidiert genug geäußert. Wie empfindet man das als Teil der deutschen Kulturszene?
In großen Teilen hat sie sich geäußert. Das Problem ist eher, dass es sehr starke Erwartungen gibt, wie sich die Kulturszene zu äußern hat. Je nach Position kommen da ganz unterschiedliche Forderungen auf uns zu. Ich finde es schwierig, dem zu entsprechen. Vor den politischen Ansätzen gibt es da erstmal die ganz persönliche Betroffenheit: Ich bin geschockt und traurig – von den Attentaten der Hamas, von den Entführungen, von diesen unvorstellbaren Grausamkeiten und jetzt von diesem kompromisslosen Vorgehen der israelischen Armee. Aber wenn ich anfange, darüber zu reden, werde ich unsicher, weil mir das tiefe Verständnis für die Situation schlicht und einfach fehlt. Es ist eine große Wunde, und man wünscht sich, auch wenn das jetzt banal ist, einfach Frieden und Schutz für die Menschen.