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Interview

„Grmpf“-Autor Mike Müller
„Die Sanierung der Bühnen Köln ist in der Schweiz bekannt, so schlimm ist das!“

Lesezeit 5 Minuten
Schlagfertiger Gesprächspartner: Mike Müller vorm Café Central.

Schlagfertiger Gesprächspartner: Mike Müller vorm Café Central.

Zum Saisonstart des Schauspiels hat Mike Müller eine Revue zur gescheiterten Wiedereröffnung der Bühnen Köln geschrieben. Wir haben mit ihm gesprochen.

Mit „Grmpf“ macht sich das Schauspiel Köln zum Saisonstart am Samstag über die geplatzte Wiedereröffnung am Offenbachplatz lustig. Intendant Rafael Sanchez inszeniert die Revue, geschrieben wurde sie von seinem langjährigen Kollegen, dem Schweizer Schauspieler und Autor Mike Müller. Mit ihm sprach Axel Hill.

Was ist leichter? Einen fremden Text zu spielen oder fremde Leute seinen eigenen Text spielen zu sehen?

Beides ist schwer und beides leicht. Wenn fremde Leute meine Texte spielen, kommt natürlich immer gleich die Eitelkeit des Autors ins Spiel. Es ist ja nicht meine erste Arbeit mit Rafael Sanchez. Und ich weiß natürlich, dass die viel ändern. Ich stelle eine Fläche hin oder eine Collage und am Schluss muss es gewissen Flow geben, der muss stimmen, der muss interessant sein. Und da stelle ich mir am Schreibtisch manche Sachen trotz meines fortgeschrittenen Alters falsch vor.

Doch Rafael und ich sehen viele Dinge ähnlich. Aber die Gewissheit gibt es nicht. Und ich bin sehr froh, dass es sie nicht gibt.

Warum?

Weil sonst wir Fließbandarbeit leisten würden. Und wir haben das unglaubliche Privileg, einen Beruf zu haben, wo wir keine Fließbandarbeit leisten, sondern wo wir uns reinknien müssen in Dinge, die uns nicht vertraut sind.

Wie jetzt die Baustelle am Offenbachplatz. Wer von Ihnen beiden hatte die Idee?

Ich glaube, sie kam von mir. Aber vielleicht stimmt es nicht. Ich habe sicher irgendeinmal gesagt, dazu müssten wir eigentlich ein Recherchestück machen. In der Schweiz haben wir solche Stücke schon für die A1 oder die Armee gemacht.

Als Elfriede Jelinek für das Kölner Schauspiel den Text über den Archiveinsturz geschrieben hat, wurde ihr stapelweise Material nach Wien geschickt. Mit dem Wohnort Zürich sind Sie ja auch sehr weit von der Baustelle entfernt.

Die Sanierung der Bühnen Köln ist bei Handwerkern in der Schweiz bekannt, so schlimm ist das! Alle Firmen, egal ob französisch- oder deutschsprachige, redeten, wenn sie an einem Theater gearbeitet haben, von Köln. Aber ich war in den letzten zehn Jahren auch sehr viel hier in der Stadt.

Auch auf der Baustelle? Durften Sie mit Mitarbeitenden sprechen?

Ja, ich mache das immer ganz offiziell.

Wann haben Sie angefangen zu schreiben?

Vor über einem Jahr. Aber man hat mich ziemlich schnell darauf hingewiesen, dass ich sowohl Schauspielhaus als auch Depot im Kopf haben muss. Wir wussten wirklich nicht, wo wir landen, die Bauprobe für das Bühnenbild fand am Offenbachplatz statt.

Man braucht ja immer eine Form für einen Abend, ich weiß nicht mehr, wer die Idee hatte, eine Eröffnungsgala zu machen. Und wenn etwas eine Komödie ist, bedeutet das, dass die Eröffnung nicht klappt, es aber trotzdem unterhaltsam ist.

Sicherlich ein schwieriges Unterfangen. Die große Baustelle, all die Details ...

Man kann nicht davon ausgehen, diese Situation verständlich darzustellen, weil man sie selber nicht versteht – und auch die Zuschauer sie nicht verstehen werden. Aber dass wir in einer Zeit leben, in der die langen Planungsabläufe und lange Projektierungszeiten sich gegenseitig in den Schwanz beißen, das verstehen die Leute. Und das ist nicht ein Problem von Köln, sondern in ganz Europa. Auch Schweizer Architekten sagen mir, sie müssen einen Bau möglichst rasch durchziehen, denn wenn die Bestimmungen sich währenddessen ändern, dann können sie Sachen wieder rausreißen. Denn es gibt sehr viele Hersteller, die ein Interesse daran haben, dass die Vorschriften immer wieder verändert werden.

Oder die Software: Die Lüftung von Oper und Schauspiel hat eine Garantie oder ein Update für zehn Jahre, und dann war es das. Ob sie dann eine neue Software kriegen, das steht in den Sternen. Das ist ein Problem, für das noch nicht einmal Fachleute eine Lösung haben.

Die Probleme finden sich auch jenseits des reinen Bauvorgangs ...

Noch mal interessanter ist der politische Umgang mit dem Debakel. Und der Preis wird wahrscheinlich relativ hoch sein. Wenn jetzt die nach außen hin recht sympathisch wirkende Oberbürgermeisterin die Verantwortung übernimmt, was heißt das denn konkret? Die Leute der Politik können lange sagen, dass sie Verantwortung übernehmen. Sie können es ja dann doch nicht. Das ist wie beim Atommüll. Da kann auch niemand Verantwortung übernehmen, weil die alle irgendwann tot sind.

Nachträglich gesehen kann man schon sagen, die Sanierung im Bestand war ein Fehler.

Zumindest für das Schauspielhaus, dessen Erhalt erst durch eine großangelegte Unterschriftenaktion ins Rollen gebracht wurde.

Es zeigt auch ein bisschen das Problem von direktdemokratischen Prozessen, was ich in der Schweiz sehr gut kenne, wo man zum Teil über technische Details diskutiert, wie die Geometrie von Kampfflugzeugflügeln, wovon nun wirklich kaum jemand eine Ahnung hat. Oder jetzt die Abstimmung in der Schweiz über die Pensionskassenreform, was technisch so kompliziert ist, dass selbst Fachleute nicht genau schlau Auskunft geben können.

Dieses Beispiel eines Bürgerbegehrens ist auch demokratiepolitisch eine sehr heikle Sache. Denn es geht eigentlich nicht, mit so wenigen Unterschriften einen demokratischen Entscheid umzustoßen. Eigentlich ist die Politik eingeknickt. Aber dass das Desaster nun ein solches Ausmaß annehmen würde, das konnten auch diese Leute damals nicht ahnen.

Am Ende des Stücks landen wir kurz bei der Eröffnung der Oper 1957...

Plötzlich kam bei mir die Frage hoch, wie war es eigentlich, als man dieses Haus hingestellt hat? Unser Chefdramaturg Stefan Jan Schmieding hat die Reden besorgt – aus dem Stadtarchiv, in Kartons, in denen immer noch Dreck war vom Einsturz. Als ich sie dann gelesen habe, dachte ich, in dieser schwierigen Zeit, nach diesem schlimmen Krieg, haben die in einer kurzen Zeit ein imposantes Theater hingebaut.

Und jetzt das Sanierungsdesaster, was man niemandem erklären kann ... führt so etwas dazu, dass die Menschen Parteien wählen, die einfache Lösungen versprechen?

Da geht es dann um Populismus versus politische Lösungen, wobei es der Populismus immer leichter hat. Also wir haben in der Schweiz dieselbe Situation, mit dem Unterschied, dass bei uns die AfD, also die Schweizer Volkspartei, in der Regierung sitzt. Das ist dann auch nicht so lustig immer. Die haben auch immer eine große Fresse und können alles lösen.