AboAbonnieren

Interview mit Philharmonie-Chef Langevoort„Die Gefahr lauert – aber auch das Glück!“

Lesezeit 5 Minuten
nab210804_Philharmonie_Langevoort_01

Louwrens Langevoort 

Köln – Das „Felix!“-Festival für Originalklang schlägt neue Wege in der Musik-Vermittlung ein. Dabei geht es zu anderen Spielorten über die Philharmonie hinaus. Jan Sting sprach mit Intendant Louwrens Langevoort über 400 Jahre alte Opern, historische Instrumente und in Diskredit geratene Diven.

Es gibt erstmals einen Kurator für das „Felix!“-Festival. Wie kam es zur Idee, François-Xavier Roth dafür zu gewinnen?

Wenn man schon einen Spezialisten für französische Musik und Ensembles hat, der dann auch noch ein Orchester wie Les Siècles leitet, das sich auf Originalklang versteht, ist das wunderbar für uns.

Wie arbeitet das Ensemble?

Les Siècles hat den Anspruch, jedes Werk so nah wie möglich am Originalklang zu spielen. Entweder kaufen sie Instrumente, die es aus der Zeit noch gibt. Oder man entwickelt Instrumente aus den Überlieferungen, die deutlich machen, dass es so geklungen hatte.

Ein Schock für die Zeitgenossen war die Musik von Monteverdi, seine Dissonanzen waren damals „unerhört“. Wie kommt sein „L’Orfeo“ über vier Jahrhunderte nach der Uraufführung an?

Das Stück wurde in Gänze in der Kölner Philharmonie bisher nur ein einziges Mal, im Mai 1999, aufgeführt. Es ist einfach schön, eine ganz frühe Oper von Monteverdi einmal in ihrer Totalität zu hören.

Das könnte Sie auch interessieren:

Der Auftakt zu „Felix!“ ist königlich. Sébastien Daucé dirigiert das Ensemble Correspondances mit Werken von Henry Du Mont, Jean Veillot und anderen, um ein Raumklangerlebnis der Krönung Ludwig XIV. zu kreieren. Ist das elitär oder Musik für alle?

Die Musik ist für alle und auch nicht elitär. Aber so ein Wort geht schnell in die falsche Richtung. Ich möchte gerne Elite-Künstler haben, die das Beste auf die Bühne bringen, das möglich ist. Aber ich möchte nicht, dass die Leute denken, wir sind elitär. Und wenn Politiker sagen, dass klassische Musik nur für eine Elite sei, dann wird das problematisch.

Mit Strawinskys „Feuervogel“, „Petruschka“ und dem „Sacre du printemps“ gibt es einen Epochensprung. Wie kommt es zu diesem Pingpong auf dem „Felix!“-Festival?

Das ist unsere Philosophie des Festivals für Originalklang, der nicht bei Schubert oder Schumann endet, sondern weitergeht.

Strawinsky schrieb mit den Werken für die „Ballets Russes“ Musikgeschichte im Paris Anfang des 20. Jahrhunderts. Heute ist man mit russischen Komponisten mitunter vorsichtig, streicht sogar Tschaikowsky.

Nicht in Köln, ich bin nicht hysterisch. Jedenfalls nicht da. Ich finde, man soll die Musik aufführen. Der Komponist hat sich etwas dabei gedacht. Er hat sicherlich keinen Putin gekannt und muss nicht Stellung beziehen zu einem Krieg. Auch zeitgenössische Komponisten muss man nicht meiden. Ich habe jüngst an der Akademie des Ensembles Modern unterrichtet und traf dort ein russisches Ensemble, das jetzt wahnsinnige Schwierigkeiten hat, weil es nicht in seinem Land spielen kann. Denn Musik von Heute wird von der Regierung dort nicht geduldet.

Verschiedene Spielorte

Auf originalen Instrumenten und mit dem Wissen über die Spielpraxis zum Zeitpunkt der Komposition bietet das Musikfestival „Felix!“ vom 16. bis 21. August Einblick in unterschiedliche Epochen.

Link: www.felix-originalklang.koeln

Über die Philharmonie hinaus geht es im Zentrum zu Spielorten wie der Kirche St. Mariä Himmelfahrt, wo Amandine Beyer (Foto) geigt, oder ins Senftöpfchen Theater. Dort gibt es am 17. August Lieder und Tänze des 17. Jahrhunderts aus England. Der Sage von „ Daphnis et Chloé“ geht Generalmusikdirektor François-Xavier Roth am 19. August mit seinem Ensemble „Les Siècles“ in der Philharmonie auf den Grund. Bei „Fel!x urban“ geht es am 20. August

an verschiedene Spielorte – darunter das Filmforum, die Dombauhütte oder das Wallraf-Richartz-Museum. Eintritt frei. (jan)

Dazu Stellung zu beziehen, sowohl, was die Musik als auch, was die politische Haltung angeht, ist da schwierig. Durch das Wegfallen von Social Media erreichen die jungen Musiker überhaupt kein Publikum mehr. Also, man soll diese Leute nicht bestrafen, die einen Fortgang der Musik und der Friedensbewegung in der Welt wünschen.

Und was ist mit den Topmusikern? Für Anna Netrebko, die Ende August in die Philharmonie kommt, wird kräftig Werbung gemacht. Um sie zu rehabilitieren?

Frau Netrebko hat eine bestimmte Haltung, und sie hat diese korrigiert oder sich anders geäußert. Und sie wird in ihren Konzerten singen. Sie ist keine Persona non grata in der Bundesrepublik. Warum soll der Veranstalter – wir haben die Kölner Philharmonie vermietet – das Konzert da nicht machen? Es ist eine Entscheidung des Publikums, ob es dahin gehen will oder nicht.

Erst die Pandemie, dann Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine. Und immer noch gibt es Angst wegen Corona. Regierungsvertreter der Linken bangen bei der Selbstbeteiligung an den Tests um die Sicherheit bei Kulturveranstaltungen. Wie will man da zu den früheren Besucherzahlen zurückkommen?

Man muss nach vorne schauen und einfach aus der Situation, die sich ergibt, das Beste machen. In den letzten Monaten war unsere Philharmonie nicht leer, bei Weitem nicht. Das Konzert mit Barenboim und Lang Lang war in kürzester Zeit ausverkauft. Und auch Grigori Sokolow, ein russischer Pianist, der seit langem in Italien lebt, hatte ein ausverkauftes Haus. Ich würde jetzt nicht sagen, es ist alles eine Katastrophe. Aber ich bin vorsichtig. Wie wir alle vorsichtig sind. Die Gefahr lauert, aber auch das Glück.