Premiere in Köln„Der Unbeugsame“ setzt Karl Küpper ein würdiges Denkmal
Köln – Das geht schnell. Klatschmarsch, Tusch, „Fastelovend zosamme!“, und das kölsche Publikum ist auf Betriebstemperatur – geradezu beängstigend schnell, schließlich steht in der Volksbühne am Rudolfplatz nicht die Uraufführung eines Gute-Laune-Stücks auf dem Programm.
Das macht der Auftritt von Karnevalsfunktionär Thomas Liessem (Georg Lenzen) klar, der jovial das „richtige Dreigestirn“ ankündigt – mit einer Frau als Jungfrau. Die herrschenden Nationalsozialisten wollten keinen Mann in dieser Rolle.
Widerstand gegen die Nazis auf offener Bühne
Es wird ernst werden. Dass dennoch gelacht werden darf, ist dem enormen Witz und Mut des Büttenredners Karl Küpper zu verdanken, der als „Dr Verdötschte“ auf offener Bühne Widerstand leistete. Nachdem sich die Stadt bis in jüngere Zeit erstaunlich schwer tat, Küpper angemessen zu ehren, erhält „Der Unbeugsame“ in der Inszenierung von Tilman Strasser (Autor) und Stefan Herrmann (Regie) nun endlich das Denkmal, das er verdient.
Dabei hätte das Team für die Titelrolle niemand passenderen finden können als die Kölner Ikone Gerd Köster, der dem aufrechten Widerspenstigen im Kostüm kongenial Gesicht und Stimme gibt und präzise dessen zahllose Pointen setzt. „Wo sonst!“ entgegnet Küpper trocken, als sein alter Freund Jupp (Michael Meichßner), nun im Inneren der Machtmaschinerie tätig, ihn in der Garderobe verzweifelt warnt: „Die Gestapo wartet am rechten Ausgang auf dich.“
Auf der Bühne ist Küpper verdötscht waghalsig. Den Arm gereckt fragt er: „Es et am rähne?“. Oder sagt: „Su huh litt bei uns dr Dreck im Keller“. Hinter der Bühne ermahnt Liessem (dem Lenzen genussvoll eine gefährliche Gemütlichkeit verleiht) den populären Büttenredner, besser „schön jeschmeidisch“ zu sein, „ohne politische Schärfe“. „Sie haben hier was verloren, Herr Liessem“, ruft ihm Küpper unter Szenenapplaus hinterher, „ihren Anstand!“.
Karl Küpper gab niemals auf
Immer wieder wurde Küpper drangsaliert und verprügelt, ohne je klein beizugeben. Vor der unmittelbar drohenden Verhaftung rettete er sich als Truppenbetreuer in die Wehrmacht und hoffte nach dem Krieg, für seinen geraden Rücken geachtet zu werden.
Dass das keineswegs der Fall war, zeigt die Inszenierung mit einem ironischen Dreh: „Er war der beliebteste Redner der Nachkriegszeit“, behauptet eine eingeblendete Texttafel, vom riesigen Trauerzug nach seinem Tod 1970 berichtet eine andere.
Auf einen Blick
Das Stück: Eine Hommage an den Kölner Büttenredner, der offen das NS-Regime kritisierte und nach dem Krieg vergessen wurde.
Die Regie: Stefan Herrmann und Tilman Strasser verdichten Küppers Biografie mit neuen Figuren und „Experten des Alltags“.
Das Ensemble: Gerd Köster brilliert in der Titelrolle, seine Bühnenkollegen agieren mit feinen Zwischentönen. (BSK)
Küpper aber war auch im Nachkriegsköln nicht geschmeidig, er kritisierte NS-Mitläufer wie Liessem und die aktuelle Politik, bis selbst Adenauer Druck auf die Gesellschaften ausübte, ihn nicht mehr zu buchen. Dass Küppers Unbeirrbarkeit für seine Angehörigen nicht immer einfach gewesen sein mag, zeichnen einige etwas langatmig geratene Szenen mit Ehefrau Sophie (Bettina Muckenhaupt) nach, die bei aller Loyalität Mühe hatte, „den Laden zusammenzuhalten“. Dass die Missachtung und das Vergessenwerden Küpper aber bis ins Mark kränkten, zeigt Köster mit anrührender Wut und Verzweiflung bis zum Ende als Kalker Gastwirt.
Das könnte Sie auch interessieren:
Was bleibt, ist die auch karnevalistische Mission, kritisch, wach und aufrecht zu sein. Davon zeugen drei Bürger, die sich im Fastelovend auskennen und im Stück von ihren Erfahrungen erzählen: Von der Demokratie, die man verteidigen muss, von einer alternativen statt der feinen Karnevalsgesellschaft, die so gern unter sich bleibt, und, wie der frühere „Kölsche Schutzmann“ Jupp Menth, von der Leere nach dem Karriereende. Dass er selbst einmal wegen einer Pointe in die Kritik geriet, erwähnte er an diesem Abend nicht.
Lang anhaltender Beifall und Ovationen für alle Beteiligten.
100 Min., keine Pause. Erneut 11. bis 14. 7., und 3./4. 9., 19.30 Uhr. Aachener Str.5, Karten-Tel. 0221/25 17 47.